Attraktive Monster bei den US-Wahlen

Seite 2: USA-Verklärung und Wiederkäuen von Klischees

Der inoffizielle USA-Beauftragte Deutschlands ist – jedenfalls seiner Selbsteinschätzung nach – Markus Lanz. Seit mehr als einem Jahrzehnt traktiert der Südtiroler Talkmaster sein Publikum mit der Tatsache, dass er in einem anderen Leben wohl gerne USA-Korrespondent geworden wäre.

Darum dreht er regelmäßig vor und nach US-Wahlen Filme oder wenn ihm eine Pandemie gerade Zeit lässt. Diese Filme heißen immer "Amerika ungeschminkt", mit irgendeinem Zusatz; inzwischen sind es schon vier. Lanz hat dann im Unterschied zu seiner Talk-Sendung mal eine Lederjacke an oder ein T-Shirt, mit dem er dann durch Slumstraßen geht oder an der mexikanischen Grenze steht und mit "den Menschen" spricht.

"Wir wollen uns ein Bild machen" heißt es zu Anfang des neuen Films: "Welche Rolle spielt das Thema, das auch die deutsche Gesellschaft so herausfordert: Einwanderung?" Mit dieser Vorbemerkung sitzt Markus Lanz bereits dem rechten Narrativ auf. Es sind die deutschen Fragen, die seinem Film den roten Faden geben: Lanz entdeckt nichts Neues, Überraschendes, er weiß am Ende so viel wie am Anfang.

Deutsche auf Abi-Reisen zu "den Leuten"

Stattdessen noch im Schlusssatz reine USA-Verklärung und das Wiederkäuen von Klischees: "An Rick erkenne ich, wofür ich die Amerikaner bewundere: Ja, sie sind manchmal verdrossen und auch wütend auf die Politik. Und dennoch voller positiver Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen. Es ist dieser Optimismus, der das Land so groß gemacht hat und er ist noch immer da."

Ein schon wirklich rührender und geradezu naiver Glaube an die Empirie zieht sich durch all diese vielen Reportage-Sendungen. Der Glaube, man müsste einfach nur mit den Leuten reden, um etwas zu erfahren. Der Glaube, man könnte alleine dadurch, dass man mit Zufallsbekanntschaften eine Art von Mosaik-Berichterstattung betreibt, Analyse ersetzen und das Nachdenken und die Experten. Es ist der Glaube, dass am Ende Personen zählen, "der Mensch".

Die USA heißen in den Filmen immer Amerika, wie der Kontinent, auf dem sie sich befinden und wie sie in Deutschland in der Regel genannt werden. Manchmal hat man auch den Eindruck, dass diese ganzen Journalisten ihre Abi-Reise nochmal wiederholen oder die Abi-Reise, die sie vielleicht nie gemacht haben, dann auf Kosten der öffentlich-rechtlichen endlich in die Tat umsetzen.

Irritationen bei "Caren Miosga"

Denn es gibt ja etwas Offensichtliches, das bei dieser Gelegenheit auffällt: Wenn in Frankreich Wahlen sind oder in Großbritannien oder in Ungarn und Polen, in China und sonst wo, dann gibt es solche Berichte nicht – dann reist niemand mit dem Wohnmobil durchs Land und spricht mit "den Leuten".

Es ist schon ein bestimmtes Bild von Amerika, das sich hier ins Unbewusste des deutschen Journalismus ausprägt. Die USA sind und bleiben das Sehnsuchtsland der deutschen Journalisten.

Wie in Markus Lanz' 2000. Talk-Sendung, 14 Tage vor der US-Wahl wurde nun auch bei "Caren Miosga" bereits am Sonntagabend die Wahl debattiert: "Harris oder Trump – Amerika vor der Entscheidung". Entgegen der Fragestellung ging es auch bei Miosga vor allem um Trump.

Ein paar empörende Äußerungen aus dem Archiv

Und genau diese Fixierung ist der zentrale Fehler solcher Diskussionen. Ein weiteres Mal sind alle extrem auf Trump fixiert, reden die Gesprächspartner nur über Trump, kramen Miosgas Mitarbeiter ein paar empörende Äußerungen von ihm aus dem Archiv hervor. Ein weiteres Mal reden sie viel zu wenig über Kamala Harris und auch viel zu wenig über die Ursachen des Erfolgs von Donald Trump bei den Wählern.

Diese Erfolge werden allenfalls angedeutet. Auch über Lösungen wird nicht geredet. Oder über die Frage: Was passiert denn, wenn Harris gewinnt? Wie geht es dann weiter mit Trump? Was passiert, wenn Trump gewinnt? Wie geht es dann weiter mit den Demokraten und mit den USA?

Für interessante Irritationen im Mainstream des Redens über Trump sorgte nur Journalist Jörg Wimalasena, der für die Welt aus den USA berichtet. Er erklärt, warum seiner Ansicht nach Harris nicht die Richtige sei, und weist darauf hin, dass sie die Kandidatin des neoliberalen Kapitals ist: "Abgehoben von den Wählern, sie werfen ihr eine Milliarde hinterher."

Harris hat kein Programm

Harris müsste eigentlich ein Programm haben, habe sie aber nicht, darum sei der Hype schnell verpufft. Der Universalismus sei der Linken verloren gegangen - ein guter Punkt, dessen Vertiefung man gerne zugehört hätte.

Der ehemalige SPD-Politiker Sigmar Gabriel erklärte, Donald Trump sei keineswegs ein Mann von gestern, sondern ein Kind seiner Zeit: "Er merkt, dass die liberale Weltordnung, der Multilateralismus zu Ende geht. Viele Leute im Globalen Süden verstehen unsere Probleme nicht und Amerikas Rolle funktioniert auch nicht mehr. Und das immer wieder Beschwören der moralischen Weltordnung, die es gar nicht mehr gibt - das macht es für die Demokraten ungeheuer schwer."