Der große Durst

Im Zeitalter der Wasserkriege

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Im Moment geht es immer noch und vor allem ums Öl; das schwarze Gold ist ein zentrales Objekt der Begierde im Irak-Krieg. Doch schon seit Jahren zeichnet sich ein anderer Rohstoff ab, der ein mindestens ebenso großes Konfliktpotenzial besitzt: Wasser, sauberes Trinkwasser.

Mehr als eine Milliarde Menschen auf dieser Welt haben keinen Zugang zu hygienisch einwandfreiem Trinkwasser. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird es in zwanzig Jahren bereits in jedem fünften Land ein ernsthaftes Wasserproblem geben. Anlässlich des 3. Welt-Wasser-Forums, das vom 18. bis 23. März in Japan stattfindet, treffen sich 10.000 Experten aus 165 Ländern, um über die weltweite Wasserversorgung zu diskutieren und Strategien zur Vermeidung einer globalen Wasserkrise zu entwickeln. Das Forum bildet den Höhepunkt des Jahres des Trinkwassers, zu dem die UNO das Jahr 2003 erklärt hat.

Die Zahlen sind deutlich: Mehr als 2,2 Millionen Menschen sterben jährlich an Krankheiten, die auf verunreinigtes Wasser zurückgehen, viele Millionen leiden unter Wassermangel, weil das Getreide bewässert und der industrielle Fortschritt damit vorangetrieben werden muss. Der Weltwasser-Entwicklungsbericht der UNESCO "Water for People, Water for Life" geht davon aus, dass Bevölkerungswachstum, Umweltverschmutzung und Klimawechsel die Situation in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen werden.

In den nächsten 20 Jahren wird die durchschnittliche Wassermenge, die pro Kopf zur Verfügung steht, um ein Drittel zurückgehen. Dies wird Hunger und Krankheiten fördern, die Nachfrage nach Wasser wird Ökosysteme gefährden und Konflikte zwischen Nationen verschärfen. UNESCO-Generaldirektor Koïchiro Matsuura prophezeit schon jetzt: "Keine Region wird von den Auswirkungen dieser Krise, die jede Facette des Lebens berührt, verschont bleiben. Angefangen bei der Gesundheit der Kinder bis zur Fähigkeit jeder Nation, die Nahrungsmittelversorgung ihrer Bürger sicherzustellen

Doch die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass das Problem der Wasserknappheit nicht so leicht in Griff zu kriegen ist, von Standardlösungen ganz zu schweigen. Auch Nature setzt in seiner aktuellen Ausgabe einen Schwerpunkt auf das Thema Wasser und dokumentiert am Fallbeispiel Bangladesch, dass der Wassermangel ein Problem mit vielen Aspekten ist und Lösungen nicht nur schwer zu finden, sondern auch nach hinten losgehen können. Bangladesch hat bekanntlich ein ziemlich großes Problem mit dem Wasser:

Während des Monsuns regnet es zu viel, den Rest des Jahres leidet das Land eher unter Trockenheit. Im Zuge gut gemeinter Entwicklungshilfe-Programme begann man, zahlreiche neue Trinkwasserbrunnen zu bohren, bis man schließlich feststellte, dass das Grundwasser zunehmend mit Arsen belastet war. Das Gift stammte aus Gesteinsschichten des Himalaja und gelangte durch Erosion in die Böden des Gangesdeltas. Und so steht zu befürchten, dass die Folgen dieser Verseuchung sich als noch verheerender herausstellen werden, als die jährlichen Überschwemmungen. Nach Angaben von Nature trinken 30 Millionen Menschen in Bangladesch Wasser, dessen Arsengehalt um das Fünffache über dem WHO-Limit liegt. Da über die Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen das Arsen auch in die Nahrungsmittel gelangt, sprechen manche Experten bereits von der größten Massenvergiftung in der Geschichte der Menschheit. Für die Bohrung von Brunnen, die Wasser aus tiefer gelegenen Schichten gewinnen könnten, fehlt das Geld.

Da die Wasserresourcen begrenzt sind, Wasser durch nichts ersetzt werden kann und Wasser für die Selbstversorgung der Länder mit Nahrung existenziell ist, schwant der Wissenschaft schon seit langem, dass das 21. Jahrhundert das Zeitalter der Wasserkriege werden könnte. Die Streitigkeiten um die Wassernutzung an Euphrat und Jordan sind bekannt. Auch wenn es hier in der Regel so war, dass die Nutzungskonflikte um Wasser für andere Auseinandersetzungen instrumentalisiert wurden. Doch auch wenn es seit Jahrhunderten keinen "echten" Wasserkrieg gegeben hat, ist nicht gesagt, dass Bevölkerungswachstum und eine zunehmende Wasserverknappung das Konfliktpotenzial nicht weiter erhöhen werden.

Ein Brennpunkt ist bereits ausgemacht: der Mittlere Osten. Dort könnte der Wassermangel die Region in Zukunft weiter destabilisieren. Fünf Prozent der Weltbevölkerung müssen dort mit einem Prozent der weltweiten Süßwasservorräte auskommen. In einem Gespräch mit der BBC kommt die Vorsitzende der Nationalen Wasserforschungseinheit in Ägypten, Mona El Kody, zu dem Schluss, dass der mangelnde Zugang zu Wasser unmenschliche Lebensverhältnisse schaffe und dies die schlimmste Erfahrung sei, die ein Mensch machen könne. Sie führe zu Frustration und zu einer Zunahme terroristischer Aggression.

Die Liste der Vereinten Nationen mit den Ländern, die die größten Wasserprobleme haben, bestätigt, dass die alten Konfliktherde vermutlich auch die neuen sein werden: Am schlimmsten steht es danach um Kuwait, wo jedem Menschen jährlich 10 m³ zur Verfügung stehen, gefolgt vom Gaza-Streifen (52 m³), den Vereinten Arabischen Emiraten (58 m³), Bahamas (66 m³), Katar (94 m³), Malediven (103 m³), Libyen (113 m³) und Saudi-Arabien (118 m³).

Doch wer glaubt, dass Deutschland mit seinen verregneten Sommern beim Thema Wasserkrise fein raus ist, der irrt. Denn hierzulande gibt es zwar Wasser, aber die Qualität lässt schon jetzt zu wünschen übrig. Der Weltwasser-Entwicklungsbericht stellt der Bundesrepublik Deutschland ein ziemlich mäßiges Zeugnis aus: Zwischen Finnland mit dem besten Wasser und Belgien mit dem schlechtesten, rangiert Deutschland im Mittelfeld auf Platz 57 der 122 Länder umfassenden Rangliste. Denn Tatsache ist, dass auch bei uns die Schadstoffe der Oberfläche allmählich die Grundwasserschichten erreichen.

Das Thema Wasser ist zu wichtig, um ein Schattendasein zu führen, doch ungünstiger hätte der Termin für das Weltwasserforum angesichts des Irak-Krieges nicht sein können. Das Wasserforum wird also wieder nur auf die Situation aufmerksam machen können und die Einhaltung gemachter Versprechen anmahnen. Schon im Jahr 2000 hatten sich viele Regierungen auf das in der UN-Millenium-Deklaration formulierte Ziel geeinigt, die Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, bis 2015 zu halbieren. Ein Versprechen, das im vergangenen Jahr auf dem Nachhaltigkeitsgipfel in Südafrika erneuert wurde, doch es geschieht nichts. Trockene Aussichten also: Dabei gehört der Tod durch Verdursten zu den schrecklichsten aller Todesarten, weil die Qualen bis zum Ende nicht nachlassen.