Der letzte Putsch in Europa
Vor 25 Jahren putschte das Militär in Spanien, der Putsch scheiterte offiziell und siegte inoffiziell
Am 23. Februar 1981 holten Teile des spanischen Militärs die Panzer aus den Kasernen. In Madrid stürmte die Guardia Civil das Parlament. Zum 25. Jahrestag hat das Parlament nun die Rolle des Königs als „Retter der Demokratie“ relativiert. Bis heute trauen sich die Sozialisten (PSOE) nur zaghaft an wichtige Fragen heran. Wegen des Putsches wurden die Verbrechen der Franco-Diktatur nie geahndet, weder die Apparate gesäubert, noch die Franco-Opfer rehabilitiert oder die Nationalitätenfragen gelöst. Altlasten, die bis heute wirken.
„Alle auf den Boden, auf den Boden, verdammt!“ Der Link auf ./22138_2.mp3 (MP3-Datei) von Antonio Tejero, von Garben aus Maschinenpistolen unterstrichen, ging in die Geschichte ein. Bis auf den Kommunisten Santiago Carillo warfen sich alle Parlamentarier hinter die Bänke, als 200 Guardia Civil-Angehörige unter Führung Tejeros das Parlament stürmten. General Jaime Milans del Bosch holte derweil die Panzer aus den Depots, besetzt die Hafenstadt Valencia und Link auf ./22138_3.mp3 (MP3-Datei) den Ausnahmezustand.
Doch schnell wurde klar, dass es den Putschisten nicht darum ging, effektiv die Macht zu übernehmen, auch wenn Tejero das vielleicht glaubte. Dazu fehlte die nationale und auch internationale Unterstützung in einem Land, das sich sechs Jahre nach dem Tod des Diktators 1975 im Übergang zu einer Demokratie und auf dem Weg in die Nato befindet. Es ging darum, die Sozialisten (PSOE) vor dem Wahlsieg in die Schranken zu weisen.
Noch immer führten die einstigen Franco-Gegner einen radikalen Diskurs auf den Lippen. Die zahllosen Opfer der Diktatur hofften auf eine Bestrafung der Franquisten, eine Säuberung der Geheimdienste, Justiz- Militär- und Polizeiapparate und für das Baskenland und Katalonien wurde vom PSOE-Kandidaten Felipe Gonzáles eine Lösung erwartet.
Noch immer wird der Militärgeheimdienst Cesid (nun umbenannt in CNI) als Drahtzieher des Putsches gehandelt. Jesús Palacios liefert in seinem Buch: „23-F, der Putsch des Cesid“ dafür Belege. 1980 hatte der Cesid unter anderem die „Spezialeinheit“ (SEA) gebildet und stützte mit ihr Tejeros Pläne. Das widerspricht auch nicht den Aussagen, dass der spanische König Juan Carlos mit von der Partie war. Zum Jahrestag hat die Tageszeitung El Mundo erneut bislang unbekannte Dokumente zur Planung und Verlauf veröffentlicht. Der Putschistenführer Alfonso Armada war der Mann im Hintergrund, er sollte Chef der Regierung werden. Es war ein alter Kumpel von Bosch, beide waren freiwillig mit der Division Azul mit Hitlers Truppen in Russland gewesen (Spanische Regierung zeigt erneut, wo sie steht).
Er war aber auch ein Lehrer und Vertrauter des Königs und hat stets erklärt: „Alles geschah im Dienst der Monarchie.” Dort fürchtete man um ihren Bestand. Die Monarchie hatte Franco kurz vor seinem Tod wieder eingesetzt und Juan Carlos zum Nachfolger ernannt. So bat der heute 86jährige Blumenexporteur den König zum Prozess um Hilfe. In einem 20 Seiten langen Brief, datiert am 23. März, bittet der noch immer loyale Armada den König, „für die Ehre meiner Kinder und meiner Familie“, um die Erlaubnis, vor dem Gericht den „Inhalt unseres Gesprächs, den ich niedergeschrieben habe“, verwenden zu dürfen. (Patricia Sverio, Un Rey Golpe a Golpe, S.182 ff)
Armada wurde zu 30 Jahren Knast verurteilt, ist aber schon 1988 von der PSOE begnadigt worden. Ähnlich ging den übrigen Verschwörern. Zuletzt kam Tejero 1996 frei, er wurde durch die relativ lange Haft dafür bestraft, sich Anordnungen der Putschisten widersetzt zu haben. Armada nannte den Putsch vor fünf Jahren im spanischen Fernsehen einen Triumph, das Land sei wieder auf den richtigen Weg gebracht worden.
Das ist aus dessen Sicht richtig. Die PSOE kam zwar 1982 an die Macht, ihre Versprechen löste sie in 14 Jahren an der Regierung nicht ein. Hatte Gonzales früher öffentlich „Gora Euskadi askatuta“ (Hoch ein befreites Baskenland) gerufen, machte seine Regierung mit Todesschwadronen Jagd auf die Ex-Bündnispartner. Weder wurden die Opfer der Diktatur rehabilitiert, noch die Täter bestraft oder die Apparate gesäubert. Der vom Diktator eingesetzte König und Militärschef wurde mit einer Fernsehansprache in der Nacht zum 24. Februar zum „Retter der Demokratie“ stilisiert, womit die Monarchie bis heute gefestigt wurde. Ein wesentliches Ziel des Putschs.
Probleme mit den Altlasten
Die Sozialisten, seit zwei Jahren erneut im Amt, schlagen sich weiter mit den Altlasten und der Angst vor den Postfaschisten herum. Es waren deren kleine Bündnisparteien, die am Donnerstag eine neue Jubelerklärung auf den König verhinderten, wie sie die PSOE vorgesehen hatte. Nun wird nur noch die „Krone“ allgemein nach den „Kommunikationsmedien“ und den „demokratischen Institutionen“ für ihre Rolle gelobt. Die Rolle des Königs wird so auch offiziell wenigstens relativiert.
Nur die konservative Volkspartei (PP) mäkelte, stimmte aber dem Dokument zu. In der Partei, die sich nie von der Diktatur distanziert hat, haben sich viele Anhänger Francos gesammelt, weshalb deren Opfer unter der PP-Regierung nichts zu erwarten hatten (Im Bett mit Franco). Seit deren Abgang warten sie aber erneut auf ein Gesetz der PSOE zur Rehabilitierung, Entschädigung, Annullierung der Unrechtsurteile und die Ausgrabung der Massengräber, in denen noch mehrere 10.000 Menschen liegen (No Pasaran. Sie wollen 70 Jahre nach dem Militärputsch endlich Gerechtigkeit.
Doch auch José Luis Rodríguez Zapatero tut sich schwer mit den Altlasten. Nur zaghaft beginnt die Aufarbeitung der Diktatur). Noch schwerer fällt ihm die Lösung der Nationenfrage. Zunächst sah es so aus, als würde sich etwas tun. Gesten brachten Bewegung im Baskenland. In Katalonien verabschiedete die PSOE im Parlament mit allen Parteien (mit Ausnahme der PP) ein neues Autonomiestatut, das historische Rechte der Region als Nation feststellte und ihr ein eigenes Steuersystem zuerkannte.
Autonomiebestrebungen in Katalonien und im Baskenland
Doch die PP läuft dagegen Sturm. Dass Tejero ihre Kampagne unterstützt, zeigt auch, dass ein wichtiges Ziel seines Putsches war, diesen Bestrebungen einen Riegel vorzuschieben. In einem offenen Brief fragt der Putschist: „Was glauben diese Herren, wer sie sind, dass sie mit der Integrität Spaniens spielen können?“ Es war auch kein Zufall, dass aus Protest gegen das Statut kürzlich der Heereschef erneut einen Putsch androhte (Wieder einmal droht das Militär in Spanien).
Und wieder knickte die PSOE ein und verstümmelte das Statut mit den konservativen katalanischen Nationalisten CiU in den Verhandlungen im spanischen Parlament, das zuvor mit 90 Prozent der Stimmen in Katalonien verabschiedet wurde. Statt im 1. Artikel von einer „Nation“ zu sprechen, wird im neuen Text noch unverbindlich im Vorwort von einer „Nationalität“ gesprochen und das Finanzierungssystem gekippt. Doch Zapatero hat damit die PP nicht beruhigt und sich zudem heftigen Widerstand in Katalonien zugezogen. Am vergangenen Samstag gingen in Barcelona 100.000 bis 1 Million Menschen (je nach Quelle) auf die Straße, um das Statut und „das Recht, selbst zu entscheiden“, zu verteidigen. Hinter der gleichnamigen Plattform haben sich mehr als 600 Organisationen gesammelt.
In Katalonien und im Baskenland hat sich Zapatero in eine Zwickmühle manövriert. Seit der Erlaubnis des Parlaments für Verhandlungen mit der Untergrundorganisation ETA greift ihn die PP auch dafür frontal an. Gestern führte sie erneut eine Großdemonstration in Madrid gegen den Dialog durch. „Nicht in meinem Namen“, lautete das Motto, das die Opferorganisation AVT vorgegeben hat. Von ihr haben sich aber Lokalorganisationen abgespalten. Sie werfen der AVT vor, für die PP Parteipolitik zu machen. Eine Gruppe hat sich explizit hinter Verhandlungen mit der ETA für eine friedliche Lösung gestellt.
Es wird zwar gerne von einem Friedensprozess gesprochen, doch es passiert wenig. Die letzten Monate weisen eher in die umgekehrte Richtung. Gesten der Entspannung leistet sich die PSOE. Angesichts des Drucks und der Propaganda der PP versucht sie Stärke zu zeigen und zieht die Schrauben weiter an. Der Höhepunkt bildete die Ankündigung des Justizministers, Gefangene der ETA nach Verbüßung der Strafe nicht aus dem Gefängnis zu lassen und dafür „neue Anklagen zu konstruieren“. Der im März 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) die im November 2004 einen Friedensvorschlag unterbreitet hatte, wurden erneut alle Aktivitäten verboten.
Nach einer nicht erklärten Waffenruhe im letzten Sommer, steigert die ETA die Zahl und Wucht ihrer Bomben wieder. Sie hat aber seit 1.000 Tagen keine tödlichen Anschläge durchgeführt, was die Regierung als positiv herausstellt. Doch Zapatero hat die Tür für Verhandlungen am Mittwoch weiter geschlossen. Er erklärte auf Druck der PP im Parlament: „Das Recht auf Selbstbestimmung wird nicht verhandelt, weil es als solches nicht existiert.“ Die baskische Regierung, die auch von der spanischen Vereinten Linken (IU) getragen wird, protestierte mit Bezug auf den 1. Artikel UN-Charta und erklärte, dieses allgemeine Recht sei „nicht verhandelbar“. Für die ETA ist das nur eine Minimalforderung, um zu einem wirklichen Frieden kommen zu können.