Deutsche Autobahnen nur für Deutsche

Seite 2: Geschlossenes Wirtschaftswahnsystem

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Ähnliche Wahnvorstellungen entwickelt die AfD in der Wirtschaftspolitik, in der sie der Regierung ebenfalls vorwirft, den deutschen Interessen nicht konsequent genug vertreten zu haben. Auch hier werden die Fakten - wie die weitgehende Durchsetzung der von Merkel vorgegebenen Wirtschaftspolitik in Europa - nicht zur Kenntnis genommen, um sich stattdessen in der Vorstellung eines künftigen europäischen Wirtschaftswahnsystems zu verlieren, in dem die Südländer friedlich aus der Eurozone ausscheiden und nicht mehr dem deutschen Sparer und Steuerzahler auf der Tasche liegen.

Die im rechtsextremen Spektrum übliche Parole "Ausländer raus!" (diesmal aus "unserer" Eurozone) wird hier mit pseudowissenschaftlich anmutenden Wirtschaftsargumenten unterfüttert. Auch hierbei imaginiert die AfD die Bundesrepublik, die einen kumulierten Leistungsbilanzüberschuss von mehr als 700 Milliarden Euro gegenüber der Eurozone anhäufen konnte (Der Exportüberschussweltmeister), zu einem Opfer des Euro.

Dabei bildet die penetrant zur Schau gestellte Empörung über die Schuldenberge im Ausland, die die Anhängerschaft der AfD umtreibt, einen guten Stoff für eine Realsatire. Deutschlands Konjunktur läuft - vermittels der extremen Leistungsbilanzüberschüsse - ebenfalls "auf Pump", sie beruht auf Schuldenmacherei. Nur wird diese Verschuldungsdynamik mittels der Handelsüberschüsse (und der damit einhergehenden Leistungsbilanzüberschüsse) eben ins Ausland exportiert. Diese Zusammenhänge beruhen auf elementarer Arithmetik, die selbst AfD-Anhängern nicht unbekannt sein dürfte.

Der gigantische deutsche Handelsüberschuss in diesem Jahr könnte den Leistungsbilanzüberschuss der BRD über die 200-Milliarden-Euro-Marke hieven. Im ersten Halbjahr erreichte die BRD bereits einen Überschuss von 96 Milliarden Euro, was in etwa 7,2 Prozent des deutschen BIP entsprach. Das fundamentale Problem mit einer auf Außenhandelsüberschüssen fußenden Wirtschaftsstruktur besteht aber darin, dass sie zur Ausbildung der globalen Ungleichgewichte führt. Den deutschen Überschüssen stehen die Defizite der Zielländer der deutschen Exportoffensiven gegenüber. Das Ausland musste sich somit allein im ersten Halbjahr 2013 in Höhe von 96 Milliarden Euro verschulden, um den entsprechenden deutschen Überschuss zu ermöglichen.

Die Exportüberschüsse gehen in den Außenbeitrag ein, der inzwischen den wichtigsten konjunkturellen "Wachstumsmotor" der Bundesrepublik darstellt. Dies lässt sich einfach auf der Homepage des Statistischen Bundesamtes nachlesen:

Die Differenz zwischen Exporten und Importen - der Außenbeitrag - steuerte 1,1 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum 2012 bei und war damit einmal mehr wichtigster Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft.

Da das deutsche BIP im vergangenen Jahr nur um 0,7 Prozent zulegte, kann ohne Übertreibung konstatiert werden, dass die Bundesrepublik ohne weitere Auslandsverschuldung in 2012 in einer Rezession versunken wäre. Die beständig geäußerte Kritik an der ausartenden Auslandsverschuldung stellt somit die größte Absurdität der AfD-Propaganda dar: Die Rechtspopulisten kritisieren in aller Ahnungslosigkeit die wichtigste konjunkturelle Stütze des aggressiven deutschen "Geschäftsmodells", das an den Merkantilismus der Militärdespotien der Frühen Neuzeit erinnert. Während die AfD den Südländern vorwirft, auf "unsere Kosten" leben zu wollen, kann aufgrund der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse das genaue Gegenteil konstatiert werden, wie etwa die shz bemerkte:

Kritiker werfen Deutschland immer wieder vor, mit seinen Exportüberschüssen auf Kosten anderer zu leben und damit die Weltwirtschaft aus dem Gleichgewicht zu bringen. Denn dem deutschen Überschuss steht andernorts ein Defizit gegenüber: Diese Länder müssen ihre Importe über Schulden finanzieren.

Dass die "Alternative" für Deutschland den Wählern nichts weiter als eine erhöhte Dosis des bereits sattsam bekannten neoliberalen Politikbreis anzudrehen versucht, wird auch an solchen Mitgliedern wie der AfD-Frontfrau Beatrix von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg, deutlich, die für mehrere konservative und neoliberale Lobbygruppen tätig war - und die für die neurechte Zeitschrift "eigentümlich frei" schreibt. Die blaublütige Lobbyistin ist beispielsweise Mitglied in der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e. V., die sich der Verbreitung des Gedankenguts dieses wichtigsten Exponenten des Neoliberalismus widmet. Die Zeitschrift Cicero widmete dieser konformistischen Rebellin ein rühriges Porträt, in dem der Protest zum "Hauptberuf" der engagierten Herzogin erklärt wurde.

Arbeit macht frei

Was wäre eine deutsche Rechtspartei ohne einen gehörigen Schuss Xenophobie? Der Fremdenfeindlichkeit, die innerhalb der AfD virulent ist, zollt auch große Vorsitzende Lucke bei jedem Wahlkampfauftritt unter tosendem Applaus seinen Respekt, indem er vor dem "sozialen Bodensatz" warnt, den arbeitslose Ausländer in der Bundesrepublik bilden würden.

Lucke will klar Selektion betreiben und nur ökonomisch verwertbare Zuwanderer in die Bundesrepublik einreisen lassen, ohne sich um weitere Faktoren zu kümmern. Doch auch hier ist er ja nicht weit von CDU-Politikern wie Innenminister Friedrich entfernt, die inzwischen offen aussprechen, dass man nur die Ausländer aufnehmen möchte, die "uns nutzen und nicht solche, die uns ausnutzen".

Dass auch Arbeitslose für die Rechtspopulisten ebenfalls nur Menschen zweiter Klasse darstellen, machte etwa der AfD-Mann Konrad Adam deutlich, der allen Ernstes die Abschaffung des Wahlrechts für alle Bundesbürger forderte, die nicht ihren Lebensunterhalt selber verdienen können. Arbeit macht frei - nach dieser Devise würde Herr Adam wohl gerne das Wahlrecht neu ordnen.

Hier schließt die AfD nahtlos an die sozialdarwinistische und eugenische Argumentation eines Thilo Sarrazin an. Die gegen marginalisierte Bevölkerungsgruppen aufgestauten Ressentiments, die erstmals im Verlauf der Sarrazin-Debatte öffentlich artikuliert werden konnten, finden nun in der AfD ihre politische Heimat. Die Alternative für Deutschland fungiert als ein Sammelbecken für die Generation Sarrazin. Bei der AfD handelt es sich somit um konformistische Rebellen, die nur den Chauvinismus und die Ressentiments zuspitzen und offen artikulieren, die in der "Mitte" der Gesellschaft ausgebrütet werden.

Populistischer Konsens

Dabei hat die AfD inzwischen mit harter Konkurrenz zu kämpfen. Viele der Ressentiments, die diese Rechtspopulisten aufgreifen, werden inzwischen ohne größere öffentliche Empörung auch von den etablierten Parteien bedient. Spätestens seit der Sarrazin-Debatte ist Rechtspopulismus in der BRD salonfähig geworden, die wichtigsten Akteure in diesem Spektrum bestehen immer wieder darauf, keine Extremisten zu sein und gewissermaßen in der Mitte der Gesellschaft zu stehen. Und in gewisser Weise haben sie ja auch Recht - es ist ein Extremismus der Mitte, den die AfD eine politische Heimstätte bieten will.

Doch zumindest südlich des Weißwurstäquators ist diese Nische schon besetzt. In weiser Voraussicht hat die Partei auf eine Kandidatur in Bayern verzichtet, da sie gegen den hemmungslosen Populismus eines Horst Seehofer und seiner CSU kaum hätte punkten können. Die äußerst erfolgreiche Wahlkampagne der CSU fand in der Forderung nach der Einführung von Autobahngebühren für Ausländer ihren heiß diskutierten Kulminationspunkt. Selbst der ADAC erklärte diese Forderung nach der Einführung einer Art Autobahn-Apartheid zum "verkehrspolitischen Unsinn, doch der politische Erfolg gibt Seehofer offensichtlich recht.

Die CSU verschaffte mit dieser Stimmungsmache dem vom Rechtspopulismus geschürten Gefühl nochmals Ausdruck, vom Ausland ausgenommen und übervorteilt zu werden. "Alle wollen sie nur unser Geld - und nun werden wir sie zur Kasse bitten." Diese Stammtischparole, die der AfD zum Aufschwung verhalf, instrumentalisierte die CSU in ihrem Wahlkampf mittels der umstrittenen Forderung. Seehofer hat eine Wahl nicht trotz, sondern gerade wegen seines populistischen Kurses so souverän gewinnen können.

Dabei hat das weitverbreitete dumpfe Gefühl, abgezockt und übervorteilt zu werden, das die deutsche Rechte in der Eurokrise erfolgreich aufs Ausland projizierte, durchaus einen realen Kern. Deutschland stellt seit rund zehn Jahren, seit der Umsetzung der Agenda 2010, das Euroland mit dem größten Niedriglohnsektor und der miesesten Lohnentwicklung dar, während die permanent ansteigende Arbeitsbelastung die BRD in eine Burnout-Republik verwandelt hat. Es verwundert somit nicht, dass die AfD von den Massenmedien mit breiter publizistischer Rückendeckung bedacht wird, die schon damals die Agenda 2010 publizistisch flankierten - die mühsam unterdrückte Wut der deutschen Lohnabhängigen über die Verzichtsforderungen, die ihnen im Namen des Wirtschaftsstandortes permanent abverlangt werden, wird so nach außen, auf das Ausland, gelenkt.

Daher kommt auch das Gefühl in der neuen deutschen Rechen derzeit hoch, "Deutschland" verfolge seine Interessen in der Eurokrise nicht. Die Träger dieser Wahnvorstellung identifizieren sich mit ihrem Wirtschaftsstandort dermaßen stark, dass sie ihre eigenen Interessen mit denen "Deutschlands" in eins setzen. Diese Fehleinschätzung ist Ausfluss eines brandgefährlichen volksgemeinschaftlichen Denkens, das die Widersprüche und Interessensgegensätze nicht wahrnehmen will, die eine jede kapitalistische Gesellschaft nun mal durchziehen. "Deutschlands" Interessen bestimmen immer noch diejenigen gesellschaftlichen Kräfte, die sich dies leisten können.

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