Eine deutsche Atombombe? Dazu gibt es nur eine Alternative!
in einer überregionale Tageszeitung wurde unlängst der Weg zur deutschen Bombe diskutiert. Die Antwort dazu gab es schon vor 67 Jahren. Ein Telepolis-Mediensplitter.
Mit der Zuspitzung des Konfliktes zwischen Russland und der Nato hat auch bei Nichtnuklearstaaten im Westen die Debatte über eine atomare Bewaffnung begonnen; jene Nato-Staaten mit einem bestehenden Atomarsenal diskutieren eine Erneuerung dieser Bestände. Ende April skizzierte vor diesem Hintergrund die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem redaktionellen Beitrag, wie es im Titel hieß, "Deutschlands Weg zur Bombe".
Der Autor, Manfred Lindinger begründet seine Überlegungen zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr mit der von ihm so dargestellten Gefahr, dass Russland – im Übrigen kein Nachbarstaat Deutschlands – die Bundesrepublik angreifen könnte. Dieses Narrativ, das von vielen kritischen Wissenschaftlern wie Jeffrey Sachs, John Mearsheimer oder Noam Chomsky als Propaganda bezeichnet wird, dient derzeit als Legitimation für die Hochrüstung, die Militarisierung vieler gesellschaftlicher Bereiche im Sinne der sogenannten Kriegstüchtigkeit und für eine neue Debatte über die atomare Aufrüstung. Auch die Umweltpolitik bleibt dabei auf der Strecke.
Noam Chomsky kritisierte im Kontext des Ukrainekrieges die Tatsache, dass westliche Erklärungen zum Thema auf evidenzbasierte, beweiskräftige Berichte zugunsten einer einseitigen Darstellung verzichten.
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Der ehemalige bündnisgrüne Spitzenpolitiker Joseph Fischer stimmt denen zu, die in diesem Zusammenhang eine atomare Aufrüstung der EU fordern: "Die EU braucht eine eigene nukleare Abschreckung", so Fischer. Die Welt habe sich verändert, so der Ex-Außenminister. Kremlchef Putin schrecke schließlich "auch vor nuklearer Erpressung nicht zurück".
Atomare Bewaffnung: Die Geschichte wiederholt sich
Die öffentliche Verharmlosung der Atomwaffenarsenale der Militärs führte bereits vor 67 Jahren zum Manifest der Göttinger 18, in dem westdeutsche Kernphysiker – darunter Otto Hahn, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker – vor den existenziellen Bedrohungen durch die atomare Aufrüstung warnten:
Aufruf der 18 Göttinger Professoren vom 12. April 1957
Die Pläne zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr erfüllen die unterzeichneten Atomforscher mit tiefer Sorge. Einige von ihnen haben ihre Bedenken schon vor Monaten den zuständigen Bundesministern vorgetragen. Heute ist die Diskussion über diese Frage allgemein geworden. Die Unterzeichner sehen sich daher veranlasst, öffentlich auf einige Fakten hinzuweisen, die allen Fachleuten bekannt sind, die aber der Öffentlichkeit noch nicht hinreichend bekannt zu sein scheinen.
1. Taktische Atomwaffen haben die Zerstörungskraft normaler Atombomben. Sie heißen "taktisch", weil sie nicht nur gegen menschliche Siedlungen, sondern auch gegen Truppen im Erdkampf eingesetzt werden sollen. Jede einzelne taktische Atombombe oder -granate hat eine ähnliche Wirkung wie die erste Atombombe, die Hiroshima zerstörte.
Da taktische Nuklearwaffen heute in großer Zahl vorhanden sind, wäre ihre Zerstörungswirkung insgesamt noch viel größer. Nur im Vergleich zu den inzwischen entwickelten "strategischen" Bomben, insbesondere den Wasserstoffbomben, sind diese Bomben ‚klein‘.
2. Es ist keine natürliche Grenze für die Entwicklungsmöglichkeit der lebensvernichtenden Wirkung strategischer Kernwaffen bekannt. Heute kann eine ... Wasserstoffbombe ... ein Gebiet von der Größe des Ruhrgebiets vorübergehend unbewohnbar machen. Durch die Verbreitung von Radioaktivität könnte man mit Wasserstoffbomben wahrscheinlich schon heute die Bevölkerung der Bundesrepublik ausrotten. Wir kennen keine technische Möglichkeit, eine große Zahl von Menschen vor dieser Gefahr sicher zu schützen.
(...) Wir leugnen nicht, dass die gegenseitige Angst vor Wasserstoffbomben heute einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt und der Freiheit in einem Teil der Welt leistet. Aber wir halten diese Art, Frieden und Freiheit zu sichern, ... für tödlich, wenn sie versagt. (...)
Wir glauben, dass ein kleines Land wie die Bundesrepublik sich heute noch am besten schützt und den Weltfrieden am ehesten fördert, wenn es ausdrücklich und freiwillig auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art verzichtet. (...)
Die "Göttinger 18": Fritz Bopp, Max Born, Rudolf Fleischmann, Walther Gerlach, Otto Hahn, Otto Haxel, Werner Heisenberg, Hans Kopfermann, Max v. Laue, Heinz Maier-Leibnitz, Josef Mattauch, Friedrich-Adolf Paneth, Wolfgang Paul, Wolfgang Riezler, Fritz Straßmann, Wilhelm Walcher, Carl Friedrich Frhr. v. Weizsäcker, Karl Wirtz.
Die Aktualität dieser Warnung wird durch einen Text wie den von Manfred Lindinger am 30. April in der FAZ unterstrichen, der die technischen Voraussetzungen für den Bau der deutschen Bombe präzise benennt. "Zunächst bräuchte man (...) ausreichende Mengen spaltbaren Materials: Infrage kommen vor allem die beiden Isotope Uran 235 und Plutonium 239. (...) Plutonium 239 kommt in der Natur (...) nicht vor, es muss also künstlich hergestellt werden, etwa in einem Kernreaktor. (...) Relativ schnell lassen sich Kilogrammmengen von waffenfähigem Plutonium herstellen (...) Für welchen Bombentyp man sich auch entscheidet, man braucht ein geeignetes Testgelände. (...)"
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Ein solches Testgelände sei in Deutschland kaum zu finden. Israel, so Lindinger weiter, habe aber seine Bombe ohne gesicherte Tests gebaut. Ein weiteres Problem: Wenn man nukleare Sprengköpfe im Ernstfall an ihr Ziel bringen will, bräuchte man geeignete Trägersysteme. Die Bundeswehr verfüge zwar über genügend Kampfflugzeuge, "aber sie verfügt derzeit weder über Langstreckenbomber noch über Raketen mittlerer und größerer Reichweite".
Hier wird vor den Augen eines Teils der Öffentlichkeit ein Risiko heraufbeschworen, das niemand jemals eingehen darf, weil es mit dem ersten Knopfdruck zu massenhaften Opfern und am Ende sogar zur totalen Vernichtung der Zivilisation führen kann.
Selbst diese Veröffentlichung führt nicht dazu, dass sich die führenden Kräfte in Staat und Militär besorgt zeigen oder gar die informierte Öffentlichkeit aufschreckt und Protest erhebt.
Die einzig realistische und verantwortbare Sicherheitspolitik ist der Verzicht auf Massenvernichtungsmittel, wie es die Göttinger 18 formuliert haben. Der erste Schritt dazu: Deutschland muss den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen, der ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer künftigen völkerrechtlichen Nuklearwaffenkonvention ist.