Deutsche Fregatte wird auf illegaler US-Basis im Indopazifik betankt
Marinekommando bestätigt Versorgungsstopp auf Basis Diego Garcia. Insel wird von Großbritannien besetzt gehalten und vom US-Militär genutzt. Missachtung mehrerer internationaler Gerichte
Ungeachtet kritischer Stimmen der Opposition und von Regionalexperten in Deutschland sowie der chinesischen Regierung wird die deutsche Fregatte "Bayern" in diesen Tagen die illegal besetzt gehaltenen US-Militärbasis Diego García im Indischen Ozean anlaufen. Die "Bayern" soll dort vom US-Militär Treibstoff aufnehmen. Das bestätigte das Marinekommando Telepolis auf Anfrage.
Heikel an der Mission: Das deutsche Militär und die Bundesregierung missachten mit dem Versorgungsstopp gleich mehrere international gültige Urteile, die eine Rückgabe des Eilands an den Inselstaat Mauritius fordern. Auch die UN-Vollversammlung hatte die westliche Militärverwaltung auf der kleinen Insel der Chagos-Gruppe als völkerrechtswidrig eingestuft.
Gegenüber Telepolis bestätigte das Marinekommando dessen ungeachtet den Stopp auf der US-Basis auf den Chagos-Archipel. Der Kraftstoff für die "Bayern" werde aus den Beständen der Naval Support Facilitys Diego Garcia entnommen, hieß es von dieser Seite.
Die Aufnahme weiterer Waren sei nicht geplant, auch fliegen die Bundeswehr oder ihre Dienstleister keine Waren ein. "Die militärische Infrastruktur, die die 'Bayern' nutzen wird, ist eine sogenannte Kraftstoffpier; im Grunde eine Zapfsäule für Schiffe", führte das Marinekommando aus.
Zuvor hatten deutsche Militärs die Brisanz des Zwischenstopps heruntergespielt. Gegenüber dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel verwies das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) darauf, dass der "kurze Stopp" lediglich der "logistischen Versorgung" diene.
Vom Versorgungshalt, so die politische Einschätzung, gehe keine "normative Aussage zur Frage der Souveränität über Chagos" aus. Das BMVg sieht auch keinen Widerspruch zur Haltung der Bundesregierung in dieser Frage.
So einfach aber dürften sich Kritiker nicht besänftigen lassen, zumal die Mission von Beginn an heikel war. Als die "Bayern" Anfang August in Wilhelmshaven auslief, hatte die chinesische Regierung sie mit Blick auf eine mögliche Fahrt durch das Südchinesische Meer dazu ermahnt, sich "ernsthaft an internationales Recht" zu halten.
Der Respekt vor internationalem Recht aber wird durch den Stopp auf der illegalen US-Basis schon jetzt infrage gestellt
China: Route des deutschen Kriegsschiffes erklären
Bei der Bundesmarine und im BMVg verhehlt man die machtpolitische Attitüde hinter dem Vorgehen erst gar nicht. Als die "Bayern" Anfang August auslief, war die gesamte Mission auf eine militärische Machtdemonstration ausgelegt.
Geplant war, wie Telepolis damals schon berichtete, eine gemeinsame Fahrt mit französischen, britischen und US-amerikanischen Kriegsschiffen vor die Küste Chinas.
Das Vorhaben hatte in Beijing – wohl auch angesichts der deutschen Kolonialverbrechen in China – für Unmut gesorgt. Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn hatte in einem Bericht über die Marinemission darauf verwiesen, dass eine deutsche Anfrage zum Anlaufen des Hafens von Schanghai zunächst unbeantwortet geblieben war.
Deutschland solle erst einmal erklären, weshalb ein deutsches Kriegsschiff durch das Südchinesische Meer fährt, zitierte die in Hongkong erscheinende South China Morning Post das Außenministerium in Beijing.
Die Interpretation der öffentlich-rechtlichen Tagesschau, man wolle den "chinesischen Machtansprüchen in der Region etwas entgegensetzen", dürften in China auch nicht gut ankommen.
Mit dieser Attitüde also läuft die "Bayern" die umstrittene US-Basis Diego Garcia an, deren Rückgabe der Inselstaat Mauritius seit Jahren fordert. Ursprünglich gehörte das Eiland zur britischen Kolonie Mauritius. Vor deren Unabhängigkeit 1968 hatte London die kleine Insel der Chagos-Gruppe aus dem bisherigen Einflussgebiet ausgegliedert, um sie weiter besetzt halten zu können. Sie ist derzeit bis zum Jahr 2036 an die USA verpachtet.
Mauritius' Kampf für die Rückerlangung des besetzten Gebietes ist nicht etwa umstritten. Auch der internationale Gerichtshof in Den Haag hatte Großbritannien im Jahr 2019 aufgefordert, die Insel so schnell wie möglich an Mauritius abzutreten.
Im Januar dieses Jahres bestätigte der Internationale Seegerichtshof diese Rechtsauffassung. Einem entsprechendem Mehrheitsvotum der UN-Vollversammlung stellten sich neben den USA und Großbritannien nur weitere vier Staaten entgegen. Deutschland enthielt sich.
Alternativen zu illegalem Stopp der Fregatte "Bayern"
Dabei hätten zu dem Tankstopp auf der völkerrechtswidrigen US-Basis gleich mehrere Alternativen bestanden. Vor wenigen Tagen erst hatte die "Bayern" Treibstoff von dem US-Tankschiff "John Lenthall" aufgenommen, das der fünften Flotte der US-Marine angehört. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter hieß es von der Besatzung der "Bayern" dazu: "Erstes Replenishment-at-Sea seit Langem. Das Wichtigste dabei: Es war ruhig und sicher, Übung macht den Meister.
Asienexperte Felix Heiduk von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik verweist darauf, dass ein "Bunkerstopp" auf Diego Garcia gar nicht nötig wäre. Eine erneute Evaluation der derzeitigen Routenplanung könnte Alternativen aufzeigen, schreibt Heiduk in einer kritischen Einschätzung zu der Mission.
Dafür müsste die deutsche Fregatte zwar näher an den von China errichteten und völkerrechtlich umstrittenen künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer vorbeifahren.
Letzteres wäre weniger eine militärische Machtdemonstration gegenüber China, sondern, im Zusammenhang mit der Umfahrung Diego Garcias, ein Zeichen zugunsten einer Stärkung des Geltungsanspruchs des Völkerrechts. Deutschland würde zeigen, dass es bereit ist, diesem auch dann zu entsprechen, wenn es den eigenen kurzfristigen operativen Interessen wie auch den Erwartungen von Partnerländern ein Stück weit widerspricht.
Felix Heiduk, Stiftung Wissenschaft und Politik
In einem Brief an das Parlament in Mauritius, den Telepolis am Mittwoch dokumentierte, hatte die Linksfraktion die Abgeordneten des Inselstaates zum Protest aufgerufen:
Die geplante Anlandung der Fregatte "Bayern" auf den Chagos-Inseln ist eine eklatante Verletzung des Völkerrechts und auch ein Schlag ins Gesicht der Einwohnerinnen und Einwohner der Chagos-Inseln und ihrer Nachkommen, die 1966 und 1973 in Verletzung der Menschenrechte und des Völkerrechts von den Inseln deportiert wurden, um die von Großbritannien an die USA verpachtete Militärbasis, auf der bis zum heutigen Tag tausende US-Soldaten und Bombenflugzeuge stationiert sind, "geräumt" zu übergeben.
Kolonialverbrechen in China nicht vergessen
Von der Opposition im Bundestag kam über den Brief hinaus deutlichere Kritik an dem Einsatz, wobei die Lager gespalten sind. Während der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte forderte, dass die „Bayern“ auch durch die Straße von Taiwan fahren und „als Zeichen der Unterstützung für eine bedrohte Demokratie in der Region“ einen Hafen in Taiwan anfahren solle, kritisierte seine Linken-Kollegin Sevim Dagdelen den Einsatz.
"Mit dem völkerrechtswidrigen Besuch auf den Chagos-Inseln schreibt sich die Bundesregierung in die Geschichte des britischen Kolonialismus und der US-Komplizenschaft im Indischen Ozean und seiner furchtbaren Verbrechen, wie der Deportation der Inselbevölkerung ein", sagte sie gegenüber Telepolis.
Die Fahrt der Fregatte "blamiere auch das Gerede der Bundesverteidigungsministerin, der Einsatz diene dem Eintreten für das Völkerrecht und einer regelbasierten Ordnung". Dagdelen ist sich sicher: Die Entsendung der "Bayern" diene einzig und allein "einer lächerlichen und abenteuerlichen imperialen Machtdemonstration gegen China an der Seite der USA".
Der Aspekt des Kolonialismus dürfte nicht nur in Mauritius viel sensibler wahrgenommen werden, schließlich ist der Kampf um die US-britisch besetzte Insel nach wie vor Teil des Dekolonisierungsprozesses. Dort reagierte die oppositionelle Labour-Partei positiv auf den Brief der deutschen Kollegen.
Aber auch der Unmut in China dürfte durch die Vorgeschichte befeuert werden. Im selben Hafen, aus dem die „Bayern“ in See stach, hielt Wilhelm II im Juli 1900 seine antichinesische Hunnenrede: "Möge der Name Deutscher in China auf 1.000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen", hatte er in Wilhelmshaven gesagt.
Auch während der damaligen Opiumkriege wurden die militärischen Operationen mit dem Schutz von Handelsrouten begründet. Einige der Operationen endeten in den schwersten Kolonialverbrechen der deutschen Geschichte.
Während diese Geschichte in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den USA keine Rolle spielt, ist sie in China nach wie vor sehr präsent.
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