Deutsche Roboter sollen Waffen tragen
Die Bundesregierung treibt das Wettrüsten voran
Die Bundeswehr hat sich entschieden, Verhandlungen mit Israel Aerospace Industries (IAI) über das Leasing von drei bis fünf Drohnen des Typs Heron TP aufzunehmen. Die Möglichkeit einer Bewaffnung mit Luft-Boden-Raketen wird in einer Presseerklärung ausdrücklich als Auswahlkriterium genannt. Bei der Entscheidung gegen die ebenfalls bewaffnungsfähige Drohne Predator/Guardian Eagle habe die frühere Verfügbarkeit der Heron TP den Ausschlag gegeben. Weitere Vorteile seien die "skalierbare Bewaffnung" und ein "Backup Landesystem".
Thomas Wiegold vermutet in seinem Blog "Augen geradeaus", dass die britische Brimstone-Rakete als Bewaffnung im Gespräch sei. Die für überschallschnelle Kampfjets konzipierte Lenkwaffe kann mit ihrem 6,5-kg-Sprengkopf Panzer zerstören. Bei der Entscheidung, so Wiegold, habe wohl auch die Vertrautheit der deutschen Truppen mit der Heron-Familie eine Rolle gespielt. Die Drohne Heron 1 ist von der Bundeswehr in Afghanistan zur Aufklärung eingesetzt worden.
Auch die Heron 1 ist im Rahmen eines "Betreibermodells" geleast worden. Die Begründung war die gleiche wie jetzt bei der Heron TP, wonach das Leasing eine "Lücke bis 2025" überbrücken soll. "Bis dahin soll die - gemeinsam mit Frankreich, Italien und Spanien entwickelte - Eurodrohne verfügbar sein", heißt es in der Presseerklärung der Bundeswehr. Bei der Heron 1 war noch vom Jahr 2015 die Rede gewesen.
Ob in zehn Jahren eine europäische Kampfdrohne entwickelt werden kann, ist fraglich. Schließlich müsste ein solcher Flugroboter exportfähig sein. Die Versorgung der europäischen Truppen allein dürfte für die europäische Rüstungsindustrie nicht interessant genug sein. Da der internationale Markt mit der israelischen Heron- und der US-amerikanischen Predator-Familie bereits ausreichend versorgt zu sein scheint, müsste der technologische Rückstand von fünf bis sieben Jahren nicht nur aufgeholt, sondern deutlich überboten werden. Bei der "Eurodrohne" kann es daher nur um einen fliegenden Roboter mit erweiterten Fähigkeiten gehen: höhere Geschwindigkeit, bessere Manövrierbarkeit, mehr Feuerkraft, Schutz vor feindlichem Radar.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen begründet die Entscheidung zur Beschaffung bewaffneter Roboter mit dem "Schutz der Soldatinnen und Soldaten in den Auslandseinsätzen". Der Schutz ist teuer erkauft, treibt er doch zugleich die Rüstungsspirale mit einem Riesenschwung voran und gefährdet damit die allgemeine Sicherheit weltweit. Frau von der Leyens Erklärung, autonome Waffensysteme verhindern zu wollen, hat mit dieser Entscheidung weiter an Glaubwürdigkeit verloren.
Die zentrale Größe der Militärrobotik ist die Sensor-to-shooter-Kommandokette: Wie immer bei militärischen Konfrontationen geht es darum, schneller, genauer und mit mehr Feuerkraft reagieren zu können als der Gegner. Bei den gegenwärtigen, über Satelliten gesteuerten Drohnen ist die Zeit von der Datenerfassung bis zum Auslösen der Waffe bereits auf wenige Sekunden verkürzt worden. Wer wie Ursula von der Leyen darauf besteht, dass immer ein Mensch die Entscheidung über den Waffeneinsatz treffen soll, muss erklären können, wie eine weitere Verkürzung von sensor-to-shooter verhindert werden soll. Spätestens wenn es um Sekundenbruchteile geht, kann der Mensch nur noch zuschauen. Dann entscheiden die Roboter alleine, wann und wohin sie feuern.
Die Forderung der Verteidigungsministerin nach menschlicher Entscheidungshoheit verträgt sich nicht mit dem gleichzeitigen Drehen an der Rüstungsspirale. Autonom feuernde Roboter lassen sich nur verhindern, wenn sie keine Waffen tragen. Die Bundesregierung hätte mit einem Verzicht auf bewaffnete Drohnen ein starkes Zeichen für den Frieden setzen können. Stattdessen hat sie eine Fehlentscheidung von - so ist zu befürchten - historischem Ausmaß getroffen.