Deutsche Wälder unter Stress
Seite 2: Forstpolitik auf dem Holzweg
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Die grundlegenden Ursachen für heutige Baumschäden gehen bis in die Nachkriegszeit zurück, als man die Wälder vor allem aus wirtschaftlichen Gründen wieder aufforstete. Auf den artenarmen Baumplantagen forstete die industrielle Forstwirtschaft mit standortfremden Nadelbäumen wie Fichten und Kiefern auf. Pflanzung, Pflege und Kahlschlag erfolgten gleichzeitig.
Dieser so genannte Altersklassenwald hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als nach starken Waldverwüstungen immer mehr Reinbestände mit Nadelhölzern angebaut wurden, an Bedeutung gewonnen.
Das Problem: Die Anzahl gesunder Bäume mit satten und dichten Kronen schrumpft von Jahr zu Jahr, während die Zahl derjenige Bäume mit lichten Baumkronen beständig wächst. Dazu kommen vielerorts kahlgeschlagene Flächen. Die Bewirtschaftung ist noch nicht nachhaltig genug, um die vielfältigen Funktionen als Lebensraum und Wasserspeicher für zukünftige Generationen zu erhalten, wie die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert. Und das Schlagen von Brennholz sei klimapolitisch völliger Irrsinn.
Bäume, die 140 Jahre und älter und damit essentiell für das Überleben vieler Arten sind, wachsen heute gerade mal noch auf 4,5 Prozent der naturnahen Waldflächen, so Greenpeace. Aktuell sind fast 90 Prozent der deutschen Wälder in einem schlechten Zustand. Viele sind artenarm und durch Dürren geschwächt. Insgesamt finden sich hier mehr als 40 einheimische Baumarten, darunter sieben Nadelbaumarten, die von Natur aus eher auf sandigen oder sehr feuchten Böden, in Mittelgebirgen und in alpinen Lagen wachsen.
Lediglich 15 Prozent der deutschen Wälder sind naturnah. Laut Bundesamt für Naturschutz ist fast ein Drittel der untersuchten Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in ihrem Bestand gefährdet, darunter viele, die nur im Wald überleben. So hat sich hierzulande die Gewinnung von Brennholz von 2000 bis 2018 mehr als vervierfacht.
Naturnahe Mischwälder mit standortangepassten Baumarten
Wegen der starken Waldschäden der vergangenen Dürrejahre gebe es nun regelrechte Pflanzoffensiven, teilweise wieder mit Nadelbäumen, kritisiert Greenpeace. Das bekämpfe lediglich Symptome, nicht aber die Ursachen. Die Wälder würden dadurch keineswegs naturnäher oder stabiler. Stattdessen brauche es eine weitreichende Reform, die den Wald als Lebensraum und die Bedeutung des Waldes für das Klima und die Artenvielfalt in den Fokus rückt.
Die Wirtschaft muss sich dem Wald anpassen – nicht andersherum. Fichten- oder Kiefernplantagen sind arm an Arten, wie etwa Insekten und Kleinstlebewesen. Umso anfälliger sind sie für den Borkenkäfer. So leiden die großflächig gepflanzten Fichten immer häufiger unter Trockenheit und infolgedessen unter Insektenbefall. Selbst Waldbrände werden im eigentlich wasserreichen Deutschland zunehmend zum Problem.
Laut Bundesregierung sind nun Waldumbau-Maßnahmen geplant: Mischwälder aus Laub- und Nadelbäumen sollen ausschließlich mit standortgerechten, heimischen Baumarten bepflanzt werden, die anpassungsfähig gegenüber klimatischen Veränderungen sind. Wälder sollen artenreich sein, eine Erholungsfunktion aufweisen und sich gleichzeitig wirtschaftlich rentieren. All diese Funktionen können nur erfüllt werden, wenn die Wälder gesund sind, Kohlendioxid aufnehmen und dem Klimawandel entsprechend entgegenwirken können.
Es gehe um die Frage, ob wir in 50 Jahren überhaupt noch Wald haben werden, schreibt Peter Wohlleben im Vorwort des von Greenpeace herausgegebenen Dossiers "Wege aus der Waldkrise". Der Autor, der vor allem durch das Buch "Das geheime Leben der Bäume" bekannt wurde, setzt auf Naturverjüngung und schonende Ernte ohne schwere Maschinen.
Abgestorbene Bäume sollten möglichst im Wald verbleiben, wünscht sich der Forstwissenschaftler. Weil die Zersetzung von Totholz nur sehr langsam erfolgt, wird der Kohlenstoff langfristig in den Boden eingelagert. Wie widerstandsfähig ein gesunder Mischwald gegenüber Trockenheit und Schädlingsbefall sein kann, beweist etwa der Lübecker Stadtwald. Während im Jahr 2019 Nadelholzplantagen großflächig geschädigt wurden, nahm der naturnahe Mischwald keinerlei Schaden. Auch die Ausbreitung des Borkenkäfers konnte ihm nichts anhaben.
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