Deutschland braucht die Superhymne

Das Lied der Nation muss nachhaltig aufpoliert werden

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Seit 166 Jahren gibt es nun schon das olle Lied des Dichters Hoffmann von Fallersleben. Seit 85 Jahren stellt dieses ausgerechnet mit Musik des Österreichers (!!) Joseph Haydn unterlegte Opus kontinuierlich durch Weimar, Hitler, BRD und aktuell BRD plus DDR die offizielle deutsche Staatshymne dar. Zeit, dass sich was dreht. Und zwar angeregt durch einen Hymnen-Contest.

Eine faszinierende, äußerst zeitgemäße Idee. Ein junggebliebener neo-dynamischer Staat erfindet sich in seinem Selbstverständnis quasi neu durch die Musik, die in seinem Namen bei offiziellen Anlässen erklingt. Ist ja alles so schön bunt hier, und alles ist heute eh Pop. Deutschland ist Handball-Weltmeister und Export-Weltmeister, der Aufschwung am Kapitalmarkt brummt. Nur Allergiker weinen noch ob der prächtigen Kirschblüte, und sogar unverschuldet weggemobbte Aufsichtsratsvorsitzende werden von der fürsorglichen Mutter der Nation gleich wieder mit Jobgarantie eingestellt.

Underperformer

Bloß unsere getragene Hymne wirkt in diesen goldenen Zeiten nicht mehr ganz zeitgemäß, eher ein Underperformer heutzutage. „Blüh im Glanze dieses Glückes“, diese flehentliche Beschwörung braucht es eigentlich nicht mehr, haben wir doch schon alles. Also etwas Neues her, das selbst beim Vortrag durch mittelprächtige ausländische Opernsänger mit Tschingderassa-Kapelle vor Fußball-Länderspielen in der Wohlstandsperipherie nicht mehr ganz so ältlich und leistungsmindernd klingt. Mal sehen, wer alles für die Hymnen-Reform in Frage kommt.

Sarah Connor schon einmal nicht. Mit ihrem stümperhaften Versuch aus der tradierten Nationalhymne eine leicht verändert aufgebrühte Superbowl-Gospel-Version zu machen hat sie sich 2006 in der Münchener Allianz Arena (wieder) gründlich disqualifiziert.

In Stellung gebracht für einen Hymnen-Contest hat sich dagegen auch schon im letzten WM-Sommer (als die Nationalhymne quasi der Sommerschlager war, aber es bezeichnenderweise damit nicht zum Titel gereicht hat) „Wir sind Wir, wir stehn hier“ von Kirmes-DJ Paul van Dyk und Wolfsheim-Sänger Peter Heppner mit einem vom historischen Lehrmeister der Nation Guido Knopp geborgten Video. Rührender Kitsch, gut zum Relaxen in deutschen Altersheimen, nur fehlt wie bei Herbie Grönemeyers Feuerzeug-Hymne „Mensch“ vielleicht noch etwas der Wumms.

Rocken tut dafür ordentlich der "WM Song 2006 Fußball Deutschland" von The Beckenbauers. Ja gut äääh, leider zu spezifisch, und außerdem zitieren sie die alte Hymne. Es sollte aber noch andere Kandidaten in diesem unserem Lande geben. Schön ist z.B. das poetische „Was es ist“ von MIA aus Berlin mit den trefflichen Reinhard-Mey-Frühstücksradio-Zeilen "Ein Schluck vom schwarzen Kaffee macht mich wach, dein roter Mund berührt mich sacht, in diesem Augenblick es klickt, geht die gelbe [nicht goldene ? d. Verf.] Sonne auf." Hier wäre immerhin bereits ein Elektromarsch-Mix vorhanden.

Auto- und Rollstuhlfahrer

Auch die wackeren Prinzen, die ostdeutschen Beach Boys, marschieren mit ihrer ultra-patriotischen Hymne "Deutschland" http://www.youtube.com/watch?v=i1AWwtzH4wA, die vortrefflich ins deutsche Herz / Ohr und in die deutschen Beine zielt. „Deutschen Autos können wir vertrauen“- so ist es doch! Das deutlich frustrierte Zivildienst-Rollstuhlfahrer-Duo "Steinkind" bemüht sich mit „Deutschland brennt“ zwar angestrengt um originär teutschen Synthi-Stampf-Beat im Rammstein-Stil, aber Flüstern und pubertäres Rumschreien allein eignet sich eben nicht zum inbrünstigen Mitsingen im Festsaal oder in der Fankurve. Man muss zudem den Verdacht haben, dass hier doch nur an Deutschland und seinen Bürgern rumgemäkelt wird, also ein klares Nein.

Da wären außerdem die slowenischen Freunde Laibach mit "Geburt einer Nation" besser geeignet. Etwas Ergreifendes und Mutmachendes für Leute, die Deutschland gern als riesige Multikulti-Rap-Hood sehen möchten, wäre "Wir sind Deutschland" von migrierten Experten für Nationalstolz. Müßte auch progressiven Pilspub-Wirten und Dieter Bohlen gefallen.

Aber vielleicht hat der altgediente DJ-Veteran WestBam noch einmal Lust die moderne deutsche Nation auch außerhalb der Techno-Rave-Milieus zu rocken. Schließlich hat er bereits in den 80ern einschlägige Meriten mit "Disco Deutschland" und dem „Bundespräsidenten-Mix“ erworben und wurde dafür 1988 vom Goethe-Institut als deutscher Kulturbeitrag zur Sommerolympiade nach Südkorea geschickt. Oder doch der notorische Daniel Küblböck ? Auch er hat sich schon mit "Liebe Nation" beworben. „Bewegt Eure Hüften und stellt keine Fragen“, alles mit „ein bisschen American Way“ - treffender geht eine Germany-Hymne 2007 kaum noch.