Deutschland im Herbst

Seite 2: Es wäre ein Leichtes, die Armut zu beseitigen

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Und genau deswegen darf man in Deutschland über alles reden, aber nicht darüber, dass es ein Leichtes wäre, die Armut zu beseitigen. Hartz IV kann man morgen verdoppeln oder verdreifachen, ohne dass es irgendjemand irgendetwas konkret kosten würde.

Man kann dazu das Geld der Reichen vom Kapitalmarkt holen, wo sie es - dank sei der EZB - hinlegen, ohne einen Preis dafür verlangen zu können (hier ein Stück dazu). Aber nein, das wäre zu teuer, das würde unsere wirtschaftspolitischen Vorurteile kosten und die sind das Kostbarste, was wir besitzen.

Das alles wäre an sich schon in höchstem Maße absurd, aber es geht noch viel absurder. Wenn ein linker Politiker sagt, man dürfe die Lasten der Zuwanderung nicht denen aufbürden, die ohnehin die Verlierer sind, dann gilt das als Rechtspopulismus und ein nützlicher Idiot dieses idiotischen politischen Systems schreibt in der taz, das sei eine nationalistische Ansprache und diese "Anbiederung" sei eine "politische Bankrotterklärung" (die gesamte Story hier).

Da freut man sich über die letzten wärmenden Sonnenstrahlen des ersten Oktobertages und versucht, die Schrecken des kommenden Winters zu verdrängen. Für einen Augenblick träumt man vielleicht sogar, es könne irgendwann wirkliche Politik geben, es könne Politiker geben, die tatsächlich nachdenken können und wollen und es gäbe eine öffentliche Diskussion, in der nicht jeder jeden Unsinn erzählt, der ihm gerade in den Sinn kommt. Doch der nächste kühle Lufthauch kommt und der schöne Traum ist schon wieder zu Ende.

Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung von der Website Makroskop übernommen. Deren Herausgeber Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt sehen ihre Aufgabe darin, "das massive Versagen der Politik zu thematisieren und Lösungswege aufzeigen, die sich auch am Interesse derjenigen orientieren, die in der Gesellschaft keine eigene Stimme haben".