Dezentralisierung der Stromversorgung gegen den Kundenwunsch?

Grüne Inseln mit Häusern und Windkraftanlagen

Trotz Kritik und Angst vor lokaler Stromerzeugung sind dezentrale Windkraftanlagen effizienter und kostengünstiger. Doch was hält die Bürger ab?

Selbst Investoren, welche die Einwohner an ihrem Investment in Windkraftanlagen beteiligen wollen, werden bekämpft, weil man Angst vor der Windkraft hat und die Erneuerbaren im Dorf nicht will. Dass für den Strom von außerhalb Netzkosten fällig werden, wird ebenso verdrängt wie die zunehmende Forderung, den Strom dezentral näher bei den Kunden zu erzeugen.

Wenn die Vögel gegen die Windkraft in Stellung gebracht werden

Ein geradezu typisches Beispiel für diese Argumentationslinie ist die Gefährdung des Rotmilans durch Windkraftrotoren. Dass an Fensterscheiben und aufgrund freilaufender Katzen viel mehr Vögel zu Tode kommen als an Windkraftanlagen, wird schlichtweg verdrängt. Wer will schon auf großflächige Verglasung verzichten oder die süßen Kätzchen?

Und dass man die Gefahr für den Rotmilan inzwischen mit technischen Mitteln erfolgreich bannen kann, wird schlichtweg bezweifelt. Dabei sind Lösungen wie BirdVision inzwischen in der Fachwelt anerkannt, weil dabei beispielsweise anfliegende Rotmilane mit hochauflösenden Kameras erkannt und die Windkraftanlagen sofort stillgelegt werden können.

Auch Fledermäuse galten lange Zeit als erfolgreiches Argument gegen Windkraftanlagen. Inzwischen ist das Flugverhalten der Fledermäuse jedoch näher untersucht und die betroffenen Windkraftanlage werden zu den Flugzeiten der Fledermäuse einfach abgestellt – und das Kollisionsrisiko ist verschwunden.

Angst vor temporären Zufahrtswegen und mächtigen Fundamenten

Dass für den Bau von immer größer werdenden Windkraftanlagen auch die entsprechenden Zufahrtswege benötigt werden und dass diese als temporäre Einrichtungen auch in wenig besiedelten Regionen benötigt werden, wenn man den Bau dieser Anlagen nahe an bestehenden Siedlungen vermeiden will, wird gerne verdrängt.

Auch die Angst vor großen Fundamenten steht in direktem Widerspruch zur Angst vor instabilen Windkrafttürmen. Wer heute davor warnt, dass Windkraftanlagen nach ihrer meist auf 20 Jahre genehmigten Betriebsdauer einfach wie ein normales Wohnhaus verrotten dürften, kennt die aktuelle Gesetzeslage nicht. Windkraftanlagen müssen nach ihrer Außerbetriebnahme, also der dauerhaften Nutzungsaufgabe abgebaut und abtransportiert werden.

Zudem muss bei Windkraftanlagen ebenso wie bei PV-Freiflächenanlagen eine Rückbaubürgschaft zur Sicherung des Rückbaus nach Nutzung nachgewiesen werden.

Angst vor dem Repowering und dem Infraschall

Warum man den Rückbau kleinerer Anlagen nach Ablauf ihrer Betriebserlaubnis und ihren Ersatz durch eine geringere Anzahl leistungsfähigerer Windkraftwerke auch als Bedrohung betrachtet, ist letztlich nur der inzwischen in Deutschland gängigen Angst vor der technischen Entwicklung zuzuschreiben.

Offensichtlich dominiert in Deutschland inzwischen die Angst, die technische Entwicklung nicht mehr beherrschen und auch stoppen zu können, wenn man sie nicht mehr versteht. Leider wird dies auch von der Politik noch unterstützt, die das Verbrennen von heimischem Holz besser findet als die Nutzung von Windenergie unbekannter Herkunft.

Eine der letzten Hoffnungen zur Vermeidung lokaler Windkraftnutzung ist die diffuse Angst vor Infraschall. Regelmäßig werden bei der Realisierung von Windparkprojekten Befürchtungen von betroffenen Bürgern artikuliert, dass der von Windkraftanlagen ausgehende Infraschall gesundheitsgefährdend sei. Infraschall tritt nicht nur in der Nachbarschaft von Trafostationen und anderen elektrischen Installationen auf, sondern auch als Folge der Meeresbrandung an den Küsten.

Dass der Infraschall häufig erfolgreich zur Verhinderung von Windkraftanlagen genutzt werden konnte, liegt nicht an wissenschaftlich begründeten Untersuchungen, sondern schlicht und einfach an einem Rechenfehler, der über viele Jahre nicht entdeckt wurde. Die Sorgen vor Infraschall beruhen somit in erster Linie auf falschen Zahlen.

Ein Nachweis, dass der Infraschall von Windkraftanlagen krank macht, konnte bis heute nicht erbracht werden, dennoch hält sich die Befürchtung bei Windkraftgegnern auch ohne Nachweise ziemlich dauerhaft. Die Angst erinnert dabei an die Angst vor schädlichen Auswirkungen von 5G-Mobilfunk, wo gesundheitsgefährdende Einflüsse oft von der reinen Sichtbarkeit der Sendeanlagen und nicht von ihrem realen Betrieb abhängig sind.

Wie die Angst vor lokaler Stromerzeugung seltsame Blüten treibt

Windkraftgegner im Süden der Republik weisen heute gerne auf den Bau von SüdLink hin, eine der Stromautobahnen, die von populistischer Parteipolitik über viele Jahre verhindert wurde.

Erst als man die Planung von Freileitungen auf Erdkabel umgestellt hatte, kam Bewegung in den Ausbau. Die Kosten für den Leitungsbau haben sich dadurch jedoch vervielfacht und die Kabelstrecken kollidieren inzwischen mit den Planungen für Flutpolder.

Die Hoffnungen auf den Bau von Nord-Süd-Verbindungen blenden zudem aus, dass die Kosten für diese Leitungen und die transportbedingten Verluste letztlich auf die Endkunden umgelegt werden müssen, was im hoch regulierten Bereich der Stromnetze nicht zu vermeiden ist, wenn man dem Netzausbau nicht zum Erliegen bringen will.

Die lokale Stromerzeugung und die Einspeisung in die Nieder- oder Mittelspannungsebene der Verteilnetze ist letztlich deutlich verlustärmer als das mehrfache Umspannen und der Transport über große Entfernungen. Die Hoffnung, die Stromerzeugung wieder hinter dem Horizont verschwinden lassen zu können, dürfte weitgehend trügerisch sein.