Die Aufteilung des "schwarzen Kontinents"
Vor 125 Jahren unterzeichneten die Kolonialmächte die sogenannte Kongoakte, die Grundlage für die Aufteilung Afrikas in Kolonien
Die willkürlich gezogenen Landesgrenzen lasten bis heute als schwere Hypothek auf dem Erdteil und seinen Menschen
Vom 15. November 1884 bis 26. Februar 1885 tagten in Berlin Repräsentanten der 14 seinerzeit bedeutendsten Kolonialmächte: Belgien, Dänemark, Deutsches Reich, Großbritannien, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich, Portugal, Russland, Schweden-Norwegen (bis 1905 in Personalunion), Spanien sowie USA. Auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck waren sie im Reichskanzlerpalais in der Berliner Wilhelmstraße zusammengekommen, um den Handel an den Flüssen Kongo und Niger zu regeln und ihre Einflusssphären auf dem afrikanischen Kontinent abzustecken. Die Konferenz, die die internationale Krise um das Kongobecken beendete, löste einen regelrechten Wettlauf um koloniale Besitzungen aus. Hatten sich 1876 gerade einmal rund zehn Prozent des afrikanischen Kontinents in europäischer Hand befunden, änderte sich die Situation in nur 25 Jahren dramatisch. 1902 hatten die Kolonialmächte 90 Prozent des Territoriums Afrikas untereinander aufgeteilt.
Seit der Entdeckung des Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama Ende des 15. Jahrhunderts hatten zunächst Portugal und Spanien, später auch Frankreich und England, zeitweilig selbst Brandenburg, Stützpunkte an den Küsten Afrikas errichtet und vorgelagerte Inseln in Besitz genommen. Ihr Interesse galt vornehmlich dem gewinnbringenden Handel mit afrikanischen "Rohstoffen", zunächst mit Gewürzen und Sklaven, aber auch mit Elfenbein, Tropenholz und anderen Materialien. Dabei entfernte man sich jedoch nie allzu weit von der Küste; vor Vorstößen ins Innere Afrikas schreckte man nicht zuletzt wegen der unwirtlichen Natur und des menschenfeindlichen Klimas zurück. Afrika blieb so über lange Zeit der dunkle Kontinent in den Köpfen der Europäer.
Die Erfindung der Dampfmaschine ließ das Interesse der Europäer an den tropischen Gebieten Afrikas schwinden. Die Sklaverei wurde zunehmend unattraktiv und der Sklavenhandel in der Folge bekämpft. Mit wachsender Industrialisierung weckten hingegen pflanzliche Produkte wie Erdnusskerne und Palmöl zur Seifenherstellung das Interesse der Kolonialmächte.
Mungo Park war 1795 der erste einer im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer größeren Zahl europäischer Afrikaforscher, die das Innere des Kontinents erkundeten. Die anfangs noch vornehmlich wissenschaftliche Zielen der Forschungsreisenden wurden mit der Zeit mehr und mehr von den wirtschaftlichen und politischen Interessen ihrer Auftraggeber dominiert.
Die ersten Kolonialisierungsversuche begannen in den gemäßigten Klimazonen, im Süden und Norden des Kontinents. Im Kapland hatten sich seit 1652 niederländische Siedler niedergelassen – nach der Besetzung des Landes durch Großbritannien wichen sie ins Landesinnere aus. In Liberia entstand 1822 eine Siedlungskolonie freigelassener US-amerikanischer Sklaven, die sich 1847 als Staat konstituierte. Im Norden besetzte Frankreich 1830 Algerien, das es bis 1857 weitgehend unter seine Kontrolle brachte. In Südafrika gründeten die Buren die Staaten Natal (1843) Transvaal (1852) und Oranje-Freistaat (1854). Im Innern Afrikas wiederum bildeten sich unter europäischem Einfluss zahlreiche neue Reiche, die in Westafrika meist von islamischen Dynastien regiert wurden.
"Zivilisierung" Afrikas
Der von 1859 bis 1869 erbaute Suezkanal rückte Ostafrika näher an Europa heran und ließ das europäische Interesse an Afrika deutlich anwachsen. Mit der Erforschung des Kongobeckens 1874 bis 1877 gelang es einer Expedition unter Leitung des britisch-amerikanischen Journalisten Henry Morton Stanley (1841-1904) den letzten großen "weißen Fleck" auf der Landkarte Afrikas kartographisch zu erschließen. Das machte den belgischen König Leopold II. auf den ehrgeizigen und rumsüchtigen Abenteurer aufmerksam.
Bereits 1876 hatte der ambitionierte Herrscher eine Internationale Afrikanische Gesellschaft gegründet, die sich der Erforschung und "Zivilisierung" Afrikas widmen sollte. Deren vorgeblich philantropische Ziele dienten dem König freilich vor allem dazu, die eigenen wirtschaftsimperialistischen Interessen zu kaschieren, wie sie denn auch der zwei Jahre später aus der Taufe gehobenen Internationalen Kongo-Gesellschaft zugrunde lagen. In der Folge kaufte der König, der die Aktivitäten beider Gesellschaften geschickt miteinander zu verknüpfen verstand, die fremden Anteile der Kongogesellschaft heimlich auf und sicherte sich so den dominierenden Einfluss.
"Wettlauf um Afrika"
Von 1879 bis 1884 reiste Stanley erneut an den Kongo, diesmal ganz offiziell – als Abgesandter Leopolds mit dem geheimen Auftrag, den Kongostaat zu organisieren. Gleichzeitig bereiste der französische Marineoffizier Pierre Savorgnan de Brazza das westliche Kongobecken und hisste im neu gegründeten Brazzaville 1881 die Trikolore.
Portugal, das aus alten Verträgen mit dem einheimischen Kongo-Reich ebenfalls Ansprüche auf das Gebiet herleitete, schloss am 26. Februar 1884 mit Großbritannien einen Vertrag, der vorsah, der Kongogesellschaft den Zugang zum Atlantik zu versperren. Zur gleichen Zeit drangen mehrere europäische Staaten nach Afrika vor, und es begann der sprichwörtliche "Wettlauf um Afrika": Frankreich besetzte 1881 Tunesien und die heutige Republik Kongo, 1884 Guinea, Großbritannien okkupierte 1882 das nominell osmanisch bleibende Ägypten, das wiederum über den Sudan und Teile Somalias herrschte. Italien nahm 1870 und 1882 erste Teile Eritreas in Besitz, und Deutschland unterstellte 1884 Togo, Kamerun und Südwestafrika, das spätere Deutsch-Südwestafrika, seinem "Schutz".
Privatstaat Leopold II.
Mit reichlich List und Camouflage gelang es Leopold II., Frankreich und Deutschland davon zu überzeugen, dass ein gemeinsames Handeln in Afrika in ihrem Interesse sei. Durch seinen Mittelsmann "General" Henry Shelton Sanford hatte er bereits die Anerkennung seines Anspruchs auf den Kongo durch die USA erreicht.
Gegen entsprechende Freihandelsgarantien für den Kongo erkannte schließlich auch der anfangs zögerliche deutsche Reichskanzler den neuen Kongostaat an. Bismarck "ließ sich davon überzeugen, dass es besser war, wenn der Kongo an das schwache, kleine Belgien fiel und dem deutschen Handel offenstand, als wenn Frankreich oder Portugal mit ihrem Protektionismus oder gar das mächtige England von dem Gebiet Besitz ergriffen", schreibt der US-amerikanische Journalist Adam Hochschild in seiner Studie Schatten über dem Kongo1. Bismarck erbot sich daraufhin, die Konferenz in Berlin auszurichten, Stanley nahm offiziell als technischer Berater der US-Delegation teil, stand aber in engstem Einvernehmen mit seinem Auftraggeber, dem belgischen König.
Die Konferenz endete am 26. Februar 1885 mit der Unterzeichnung der Kongoakte. In ihr legten die Unterzeichnerstaaten die Neutralität des Kongobeckens sowie Handels- und Schifffahrtsfreiheit fest. "Abgesehen davon, dass man sich routinemäßig für einen freien Schiffsverkehr, für eine friedliche Beilegung von Streitigkeiten, für die Entsendung christlicher Missionare und ähnliches mehr aussprach, erbrachte Berlin als Hauptvereinbarung dies, dass ein Großteil von Zentralafrika einschließlich des Leopoldschen Gebiets im Kongobecken eine Freihandelszone bilden sollte."2
Der Sklavenhandel wurde verboten, der unabhängige Kongostaat unter der Souveränität des belgischen Königs Leopold II. anerkannt und Kongo (Brazzaville) als französischer Besitz bestätigt. Weiterhin wurden allgemeine Richtlinien und Spielregeln für den Erwerb von Kolonien vereinbart und jede Kolonialmacht dazu verpflichtet, nach Inbesitznahme eines Gebietes die anderen Kolonialmächte zu unterrichten und auch ihnen freien Handel zu gewähren. Während die Konferenz die Unvereinbarkeit der kolonialen Interessen Englands und Frankreichs offenbart hatte, erreichte Bismarck, der sich einmal mehr als "ehrlicher Makler" bewährt zu haben schien, für das Deutsche Reich die ersehnte Aufnahme in den Kreis der Kolonialmächte.
Die deutsche Öffentlichkeit feierte die Konferenz und ihren Ausgang, insbesondere Deutschlands Eintritt "in die Reihe der kolonialen Mächte", denn auch als einen "Vorgang […], der als Verkörperung einer großen geschichtlichen Wendung gelten muss, einer Wendung, die nicht allein für Deutschland, sondern für die ganze Welt von unberechenbarer Tragweite ist. Denn die Konferenz, an welcher außer europäischen Mächten auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika teilnehmen, hat eine weltumspannende Bedeutung; von ihren Beschlüssen wird in Zukunft das Schicksal eines ganzen Weltteils abhängen, und sie ist berufen, ein neues Recht auf einem Gebiete zu schaffen, auf dem bis jetzt zumeist Willkür und Waffengewalt herrschten. Ein solches Ereignis fordert unwillkürlich zu geschichtlichen Betrachtungen heraus, wenn man dann die Vergangenheit kennt und dadurch klar in die Zukunft schaut [...]."3
"Dass auf der Berliner Konferenz Afrika verteilt worden sei, ist ein Märchen", schreibt Hochschild, "die Beutestücke waren zu groß, und es brauchte noch viele weitere Verträge, um sie alle aufzuteilen."4 Und dennoch: die Aufteilung der afrikanischen Beute hatte begonnen. Niemand freilich profitierte von der Konferenz mehr als der Mann, der nicht an ihr teilgenommen hatte, König Leopold II. Der riesige Kongostaat, das rohstoffreichste Gebiet Afrikas, war nicht etwa in den Besitz einer Großmacht übergegangen, sondern de facto an Belgien, das für die europäische Kontinentalpolitik kaum von Bedeutung war. Zunächst jedoch wurde das Kongogebiet (die heutige Demokratische Republik Kongo – das vormalige Zaire) das Privateigentum des Königs und damit dessen vornehmliches Ausbeutungsobjekt.
Leopold bekam den Seehafen Matadi am Unterlauf des Flusses und das Land, das er brauchte, um eine Eisenbahn zu bauen, die von dort um die Stromschnellen herum zum Stanley Pool führte. Wichtiger noch war für den König der Belgier das Netz von bilateralen Abkommen, die er mit anderen Ländern während und nach der Konferenz abschloss und durch die seine entstehende Kolonie anerkannt und ihre Grenzen festgelegt wurden.
Für die Europäer war der Reichtum Afrikas immer noch ein weitgehend mit den Küsten verbundenes Phänomen, weshalb Leopolod mit seinem Ansinnen, ihm derart riesige Gebiete im Innern des Kontinents zu überlassen, auf bemerkenswert wenig Widerstand stieß. Zudem glaubten die anderen Teilnehmerstaaten der Konferenz, sie gäben ihre Zustimmung zu einer Art von internationaler Kolonie – die zwar unter der Schirmherrschaft des Königs der Belgier stand, aber Kaufleuten aus ganz Europa frei zugänglich war. Tatsächlich musste Leopold II. in keiner Weise teilen – noch nicht einmal mit der belgischen Regierung. Deren Minister waren nicht weniger überrascht als alle übrigen, wenn sie ihre Zeitungen aufschlugen und erfuhren, dass der Kongo ein neues Gesetz verabschiedet oder einen neuen internationalen Vertrag abgeschlossen hatte.
Der unumschränkte Herrscher des Kongo
Unter der Herrschaft Leopold II. (1865–1909) errichteten die Belgier im Kongo ein brutales Kolonialregime und beuteten Land und Menschen im königlichen Interesse skrupellos bis aufs letzte Quentchen aus. Die Eingeborenen wurden zu Zwangsarbeit gezwungen, gequält, gefoltert und ermordet. Tausenden, die etwa bei der Kautschukernte zu wenig im Sinne ihrer königlichen Ausbeuter ablieferten, wurden bei lebendigem Leib Hände oder Füße abgehackt, weil die Verwaltungsbeamten für jeden getöteten "Rebellen" eine Prämie zahlten – die Gliedmaßen wurden als Beweis gefordert. Der Begriff "Kongogräuel" wurde in jener Zeit geprägt.5 Auf Kritik am brutalen Vorgehen der belgischen Besatzer reagierte der König mit Entrüstung und Selbstmitleid. Nach Aussagen eines Militärberaters soll er einmal, als ihm eine Karikatur in einer deutschen Zeitung unter die Augen kam, in der dargestellt wurde, wie er mit seinem Schwert Hände abhackte, ausgerufen haben: "Hände abhacken, das ist idiotisch! Ich würde eher alles übrige abschneiden, aber doch nicht die Hände. Genau die brauche ich doch im Kongo!"6
Leopolds neue Kolonie war größer als Westeuropa. Sie umfasste ein Dreizehntel des afrikanischen Kontinents und war über sechsundsiebzigmal größer als das kleine Belgien selbst. Im Sinne einer klaren Unterscheidung zwischen seinen beiden Rollen hatte der König der Belgier anfangs erwogen, sich "Kaiser des Kongo" zu nennen; er soll auch mit der Idee gespielt haben, treue Häuptlinge mit Uniformen auszustatten, die denen der berühmten rotgewandeten Beefeaters am Londoner Tower nachempfunden waren. Schließlich beschloss er, schlicht und einfach der "unumschränkte Herrscher" des Kongo zu sein. In späteren Jahren bezeichnete sich Leopold II. mitunter – und zutreffender – als "Inhaber" des Kongo.
Die Profitgier von Leopolds Besatzungsregime kostete 5 bis 8 Millionen Kongolesen das Leben. Auf internationalen Druck hin sah sich der König 1908 schließlich gezwungen, den "Kongo-Freistaat" an den belgischen Staat zu verkaufen.
Mehr noch als die anderen Kolonialregime auf dem schwarzen Kontinent hatte der belgische Kolonialismus die afrikanische Bevölkerung gezielt unwissend und ungebildet gelassen. Man drückte die Kongolesen auf den Status von Lasttieren für die Rohstoff gewinnende Industrie herab, die den gewaltigen Mineralienreichtum des Landes und andere natürliche Schätze plünderte. Als Belgien den Kongo 1959 formal in die Unabhängigkeit entließ, setzte ein chaotischer Kampf um die Verteilung der Früchte ein. Das riesige Territorium war notorisch unterentwickelt. So gab es keine afrikanischen Offiziere, im gesamten Staatsdienst nur drei Afrikaner auf leitenden Positionen und lediglich 30 Kongolesen mit akademischer Ausbildung. Gleichzeitig waren die westlichen Investitionen in die Mineralressourcen des Kongo (Uran, Kupfer, Gold, Zinn, Kobalt, Diamanten, Mangan, Zink) kolossal, weshalb es nahe lag, das Land über seine formale Unabhängigkeit hinaus unter Kontrolle zu halten.
Aus den für Mai 1960 anberaumten Wahlen, an denen sich 120 – zumeist auf regionaler oder ethnischer Grundlage neu formierte Parteien – beteiligten, ging die von Patrice Lumumba geführte Mouvement National Congolais (MNC) als stärkste Kraft hervor. Sie war darüber hinaus die einzige Partei, die für eine Zentralregierung und die Vereinigung des Kongo über ethnische und regionale Grenzen hinweg eintrat. Doch nur sieben Monate, nachdem der Kongo seine Unabhängigkeit erklärt hatte, wurde Lumumba, erster Premierminister des nun "unabhängigen" Staates, von politischen Gegnern ermordet Inzwischen gilt als erwiesen, dass bei Lumumbas Ermordung sowohl die Regierung in Brüssel als auch die US-Regierung unter Präsident Eisenhower ihre Hände mit im Spiel hatten. Exekutiert hatten den Auftragsmord der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA und einheimische Handlanger, die von Brüssel und Washington finanziert und "beraten" wurden. Die belgische Regierung hatte schon zuvor heimlich Gelder und Waffen an regionale sezessionistische Gruppen im Kongo geliefert, die Lumumba und seine Anhänger gewaltsam bekämpften.
Der Mord an Lumumba war symptomatisch für den politischen Prozesses im gesamten Afrika südlich der Sahara, in dessen Verlauf die Hoffnungen von Arbeitern, Bauern und Armen auf eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung schmählich verraten wurden. Die kleinbürgerlichen nationalistischen Eliten, die im Zuge der Entkolonialisierung an die Macht kamen, akzeptierten bereitwillig das ihnen von den Kolonialherren angebotene Erbe und übernahmen die staatlichen Institutionen und Grenzen, die die europäischen Mächte im Zuge ihrer Eroberung Afrikas geschaffen hatten.
Der Kongo steht heute exemplarisch für den antidemokratischen Charakter der nationalen Eliten
Die formale Gewährung von staatlicher Unabhängigkeit bedeutete nirgendwo in Afrika einen grundlegenden demokratischen Wandel. Selbst in den Regionen, in denen bewaffnete Kämpfe den Kolonialismus beendeten, bildete die staatliche Unabhängigkeit nur einen Deckmantel für die fortgesetzte Dominanz des Imperialismus über die ehemaligen Kolonien. Gleichzeitig benutzten korrupte Cliquen der nationalen Bourgeoisie den Staat, um sich selbst zu bereichern – zu Lasten jedes gesellschaftlichen Fortschritts.
Infolge seiner brutalen Ermordung wurde Lumumba zum Märtyrer im Kampf gegen die imperialistische Aggression in Afrika. Doch diejenigen, die vorgaben, ihm nachzueifern – von Nyere über Nkrumah zu Kenyatta –, standen korrupten Regimen vor, die den Weg ebneten für Militärdiktaturen und Polizeistaaten im Dienste internationaler Kapitalinteressen.
Der Kongo steht heute exemplarisch für den antidemokratischen Charakter der nationalen Eliten. Der Diktator Joseph De?iré Mobutu wurde 1997 gestürzt, nachdem sein hochverschuldetes Regime mit dem Ende des Kalten Krieges seinen Nutzen für die USA verloren hatte. Sein Nachfolger Laurent Kabila wurde ermordet und durch seinen Sohn Joseph ersetzt, der sich westlichen Kapitalinteressen noch bereitwilliger anpasst. Im Verlauf des mehrjährigen Bürgerkriegs, in den auch die Armeen benachbarter Regimes – Ruanda und Uganda auf der einen, Zimbabwe auf der anderen Seite – eingriffen, starben rund 4 Millionen Kongolesen, überwiegend Frauen und Kinder – zumeist infolge Hungers und Seuchen. Entgegen ihren Behauptungen, mit ihrem Eingreifen die regionale Sicherheit zu garantieren, hatten die drei Länder die historische Rolle der früheren Kolonialmächte übernommen und sich illegal an den Ressourcen des Landes bereichert.
Demokratische Freiheiten, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Fortschritt – Ideale, die vor fünf Jahrzehnten Massen von Kongolesen und andere Afrikaner im Kampf gegen den Kolonialismus inspiriert hatten – sind in der Folge weitgehend auf der Strecke geblieben. Über diese Tatsache vermögen auch vermeintlich "freie Wahlen" unter dem militärischen "Schutz" der Vereinten Nationen nicht hinwegzutäuschen.