Die CIA, das FBI und der Unantastbare
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Aufklärung des Attentats auf John F. Kennedy – Die blinden Flecken des Warren-Reports (Teil 3 und Schluss).
Als John F. Kennedy im Juni 1963 seine berühmte Friedensrede hielt und damit die konservativen Eliten provozierte, warnte er ähnlich wie Eisenhower vor "secret societies". Vielleicht dachte er an die Strippenzieher in Texas, an die Clique der Rockefellers, an die Kreise seiner Feinde im Pentagon, ganz sicher aber auch an die eigenmächtigen Männer in der Geheimdienst Community, mit der er sich überworfen hatte.
Zu den erklärten Feinden Kennedys zählten etliche CIA-Leute, die dem Präsident 1961 Verrat an den Exilkubanern in der Schweinebucht vorwarfen und nach dem Debakel großteils von Kennedy entlassen wurden.
Richter Warren konnte sich Nachforschungen in Kreisen der CIA sparen, da mit Allen Dulles ausgerechnet der Mann in seinem Team saß, der sowohl die Öl- und Rüstungsindustrie als auch die US-Geheimdienste aufgebaut hatte (Die CIA und das Öl). Dulles markierte mit derart großem Eifer Oswald als den Einzeltäter, dass man hinter vorgehaltener Hand von der "Dulles-Kommission" sprach.
Zum 50. Jahrestag räumte selbst der offizielle CIA-Historiker ein, dass die CIA den Ausschuss etwa darüber belogen hatte, dass die CIA professionell politische Morde ausführte, mit der Mafia kooperierte und falsche Spuren legte. Und auch bei späteren Untersuchungen wandte die CIA große Energien auf, ihre Bezüge zum Attentat zu vertuschen und ihr Personal zu schützen.
Wichtigster Beitrag der CIA zum Warren-Report war die Behauptung, sie habe in Mexiko Oswald dabei beobachtet, wie er sich um ein Visum für Kuba bemüht habe. Der Wahrheitsgehalt ist allerdings zweifelhaft.
Richard Helms
"Habt ihr meinen Bruder umgebracht?", fragte Robert Kennedy CIA-Vizepräsident Richard Helms unmittelbar nach den Schüssen von Dallas. Helms war seit den Tagen des Kriegsgeheimdienstes OSS in Europa die rechte Hand von Schattenmann Allen Dulles gewesen und hatte mit ihm die CIA-Abteilung für spezielle Pläne aufgebaut.
Während Kennedy nach dem Desaster in der Schweinebucht die meisten Führungspersönlichkeiten austauschte und einen neuen Direktor von außen holte, beließ er Helms als stellvertretenden CIA-Direktor. Der jedoch traf sich weiterhin privat mit Dulles.
Unter Johnson 1966 wurde Helms selbst CIA-Direktor. Der Warren-Kommission hatte er die Mordprogramme und andere Details verschwiegen, welche den Dienst und dessen Umfeld in Verdacht bringen konnten, räumte einiges jedoch 1976 vor dem Kongress ein. Teils geschah dies öffentlich, teils hinter verschlossenen Türen.
Zu den noch gesperrten Akten des Kennedy-Attentats gehören neben einigen Aussagen von Helms Dokumente über die CIA-Leute William King Harvey, E. Howard Hunt, David Attlee Phillips, David Sánchez Morales und George Joannidess.
William King Harvey
Robert Kennedys Hauptverdächtigter dürfte William King Harvey gewesen sein, der ein Jahr vor der Tat noch als Leiter des "Secret Teams" der CIA für die Planung von schmutzigen CIA-Operationen wie Morden missliebiger ausländischer Politiker, Regierungsumstürze und Wahlfälschungen verantwortlich war. Harvey hatte einst die Abhörtunnel in Wien und Berlin graben lassen.
Gegen das Castro-Regime führte die CIA einen subversiven Kampf mit unkonventionellen Methoden, etwa Mordversuch mit vergifteten Zigarren oder Kooperation mit der Mafia. 2020 wurde eine Zusammenfassung der Operation Mongoose (Springmaus) freigegeben.
Harvey geriet mit den Kennedys aneinander, weil er während der Kubakrise eigenmächtig Mordkommandos auf die Zuckerinsel gesandt und damit einen Nuklearkrieg riskiert hatte. Um nach einem Wutausbruch gegenüber Kennedy seine Entlassung abzuwenden, hatte Helms sofort seinen Mann fürs Grobe nach Italien abkommandiert, wo Harvey u.a. die verdeckten Gladio-Krieger kontrollierte und mit Mafiosi konspirierte.
Von Harvey stammte die Strategie, CIA-Morde als solche von Kommunisten erscheinen zu lassen. Dementsprechend benötigte man einen vermeintlichen Täter, dem man das Verbrechen in die Schuhe schieben konnte, sowie eine Medienstrategie, um das gewünschte Narrativ zu etablieren.
Harvey hatte während des Kennedy-Attentats ein handfestes Alibi, denn er war zu diesem Zeitpunkt in Rom. Gesichert ist allerdings, dass der Mordplaner einen Monat zuvor eine Reise in die USA unternahm und andeutete, er arbeite an etwas ganz Großem. Was dieses Projekt war, ist unbekannt. Harveys Reisedokumente gehören noch immer zum gesperrten Material der JFK-Akten.
Zwei enge Mitarbeiter Harveys waren bereits seit Anfang der 1950er Jahre leitend bei schmutzigen Operationen wie etwa dem Staatsstreich in Guatemala befasst, hatten die Invasion in der Schweinebucht vorbereitet und die von ihnen rekrutierten Exilkubaner dort verenden sehen: David Attlee Phillips und E. Howard Hunt.
David Attlee Phillips
Meine endgültige Auffassung über den Anschlag ist, dass es sich um eine Verschwörung handelte, möglicherweise einschließlich eigenmächtiger US-amerikanischer Geheimdienstleute.
Diese Einschätzung äußerte gegenüber dem Untersuchungsausschuss HSCA 1976 kein geringerer als David Attlee Phillips – der vielen selbst als ein Hauptverdächtiger gilt.
Nach seinen CIA-Abenteuern in Guatemala und Chile hatte Desinformations-Spezialist Phillips in der CIA-Station in Mexico City gearbeitet, bis ihm schließlich die Leitung der Miami-Station "JMWAFE" übertragen wurde. Diese für Operationen gegen Castro-Cuba zuständig Einheit war personell die mit Abstand größte ihrer Art.
Phillips hatte vor Ausschüssen und in der Öffentlichkeit vehement seine Identität mit einem CIA-Schattenmann "Maurice Bishop" bestritten, der gemeinsam mit Hunt die Exilkubaner für die Konterrevolution rekrutiert, trainiert und in die Schweinebucht geschickt hatte.
Pikanterweise war "Bishop" in Begleitung von Lee Harvey Oswald gesehen worden. 2013 räumte Antonio Veciana Blanch, Gründer der CIA-nahen Exilkubanergruppe Alpha 66, Philips Identität als Bishop ein. Auch Veciana sah die Drahzieher des Kennedy-Mords in Kreisen hochrangiger Militär- und Geheimdienstbeamter.
Desinformations-Spezialist Philips steht im Verdacht, über seine persönlichen Kontakte zur CIA-Station in Mexiko fehlleitende Spuren über Oswalds angeblichen Aufenthalt gelegt zu haben.
Philips hinterließ ein Manuskript, in dem er sich durchaus als einer der Verbindungsleute von Oswald zu erkennen gab. Philips habe Oswald mit der Ermordung von Castro beauftragt, Oswald jedoch habe sein Training auf Kennedy angewandt. Es ist anzunehmen, dass auch er seinen Abgang zur Desinformation nutzte.
Everette Howard Hunt
Yale-Absolvent E. Howard Hunt (nicht mit H. L. Hunt verwandt) war ein enger Vertrauter von Allen Dulles. Für die CIA hatte Hunt die Trickverfilmung von Orwells "Farm der Tiere" organisiert, um unterschwellig gegen Kommunismus zu agitieren. Hunt hatte bei verdeckten CIA-Staatsstreichen mitgewirkt.
Um Revolutionen als authentisch erscheinen zu lassen, bediente man sich Funktäuschungen und zeigte Pressevertretern Flugzeuge vermeintlicher Deserteure, die man mit falschen Hoheitszeichen versah. Zur Manipulation der öffentlichen Meinung beauftragte die CIA PR-Firmen und betrieb eigene PR-Agenturen. Die großen Verlage und Rundfunksender in den USA waren patriotisch eingestellt und gehörten konservativen Industriellen, mit denen Allen Dulles zu speisen pflegte.
Hunt war Planungschef der Invasion in der Schweinebucht gewesen und hatte vergeblich auf militärische Unterstützung spekuliert, die Kennedy in der Not verweigerte. Mit den verprellten Kubanern hielt Hunt persönliche Freundschaft. Aus seinem Hass auf Kennedy machte er nie einen Hehl und rechtfertigte das Attentat stets mit Kennedys eigenem CIA-Auftragsmord an Ngô Đình Diệm.
Marita Lorenz berichtet, sie habe Hunt und Ruby in einem Motel in Dalles gemeinsam mit Oswald gesehen. Hunt hatte sogar vor Gericht seine Anwesenheit in Dallas bestritten, bis er sie schließlich einräumen musste. Manche wollen ihn auch auf der Daeley Plaza gesehen haben.
Hunt war auch privat mit Richard Helms befreundet, der ihn als späterer CIA-Direktor auf erstaunliche Weise protektionierte, etwa mit einem Sabbatical und einem Job in der PR-Agentur, die bereits die Oswald-Story lanciert hatte, in Wirklichkeit eine CIA-Tarnfirma.
Seine tatsächliche Aufgabe bestand in der Leitung von Richard Nixons Team für schmutzige Tricks. Hunt leitete u.a. die Einbrüche ins Watergate-Hotel, um die Wahlkampfzentrale der Republikaner zu verwanzen.
Autoren wie Russ Baker vermuten, dass Parteifreunde Nixon mit einem erstaunlich dilettantischen Einbruch eine Falle stellten, um ihn mit dem Watergate-Skandal vor der Wahlaufstellung abzuservieren.
U.a. auf seinem Sterbebett bestätigte ausgerechnet Hunt indirekt eine Verwicklung der CIA in das Kennedy-Attentat, verwirrte jedoch ebenfalls mit weiterer Desinformation.
George Joannidess
Als die CIA Mitte der 1970er-Jahre genauer untersucht wurde, reaktivierte man George Joannidess aus dem Ruhestand, um den Untersuchungsbeamten als Verbindungsmann zu dienen. Später erhielt er die höchste Auszeichnung der CIA, ohne dass je ein Grund hierfür bekannt wurde.
Inzwischen stellte sich heraus, dass Joannidess seine eigene Rolle und Kenntnisse über CIA-Kontakte mit Oswald verschwiegen hatte. Ein Großteil der Joannidess betreffenden Akten gehört zum noch gesperrten Material.
Joannidess war Desinformationsspezialist gewesen, der für David Philips in der Miami Station die "psychologische Kriegsführung gegen Kuba" leitete. Joannidess arbeitete undercover und steuerte die Exilkubaner u.a. mit Geld. Es waren zwei von Phillips/Joannidess Agenten in Miami gewesen, die sofort nach den Schüssen in Dallas auf Oswald als den angeblichen Fair-Play-for-Cuba-Aktivisten in New Orleans hinwiesen, der in eine seltsame Prügelei verstrickt gewesen sei.
Die Kolportage wurde noch am selben Tag von einer PR-Agentur lanciert, die in Wirklichkeit eine Frontorganisation der CIA war. Diese Agentur fungierte während der Watergate-Einbrüche als offizielle Arbeitgeberin von Hunt.
Phillips und Joannidess hatten in Miami einen Handlanger fürs Grobe: David Morales.