"Die CIA hat keinen einzigen Mitarbeiter in Syrien"

Ex-CIA-Agent Robert Baer über Syrien, die Lage der Medien und Geheimdienste und die US-Politik

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Die Bücher des ehemaligen CIA-Agenten Robert Baer sorgen in den USA regelmäßig für großes Aufsehen. Baers Werke "See No Evil" und "Sleeping with the Devil" lieferten die Vorlage für den Film "Syriana" (2005). Robert Baer diente der Person des Film-Charakters Bob Barnes - gespielt von George Clooney - als Vorlage (Die offene Sprache der Macht).

Herr Baer, lassen Sie uns bitte über den syrischen Bürgerkrieg sprechen. Angeblich soll es am 19. März zum Einsatz von Giftgas gekommen sein, in der Nähe von Aleppo. Können Sie das bestätigen?

Robert Baer: Falls noch irgendwelche Zweifel bezüglich der Unübersichtlichkeit im syrischen Bürgerkrieg bestanden haben sollten, dann dürften diese durch das von Ihnen erwähnte Beispiel beseitigt worden sein. Niemand kann feststellen, ob die Regierungstruppen oder die Rebellen dafür verantwortlich sind, noch ob dabei überhaupt Chemiewaffen zum Einsatz kamen.

Was lässt Sie daran zweifeln?

Robert Baer: Der Chemiewaffen-Experte, mit dem ich mich darüber unterhielt, bezweifelt sehr stark, dass dort irgendwelche Chemiewaffen zum Einsatz kamen. Es ist ja bekannt, dass das syrische Militär über Sarin und VX verfügt. Aber wenn eine der beiden Kampfstoffe dort zum Einsatz gekommen wäre, hätte es Tausende von Opfern gegeben. Andererseits halten es die gleichen Experten nicht für ausgeschlossen, dass dort Tränengas oder zur Aufruhrbekämpfung dienende Stoffe verwendet wurden. Aber wer kann das schon genau feststellen, wo doch keine eindeutigen Beweise aus Syrien zu uns gelangen.

Ihre Kontakte in Syrien konnten auch keine weiteren Informationen liefern?

Robert Baer: Ich fragte einen syrischen Rebellen, was er von diesem Vorfall zu berichten weiß. Er sagte mir: "Wir wissen gar nicht, wie man diese Kampfstoffe einsetzt." Dann fügte er aber noch rasch hinzu, dass es zahlreiche Rebellengruppen gibt, für die das nicht gelten muss. Er erklärte mir, dass sogar Jabhat al-Nusra, also jene salafistische Gruppierung, die auf der Terrorliste der USA steht, die Kontrolle über verschiedene Gruppen verloren hat, die noch in ihrem Namen kämpfen.

Sie erwähnten gerade die Schwierigkeiten, an Beweise zu gelangen, was wirklich im syrischen Bürgerkrieg geschieht. Woran liegt das, immerhin leben wir im Zeitalter der globalen Medien.

Robert Baer: Was die Medien angeht, so liegt es daran, dass nur sehr wenige seriöse Nachrichten aus Syrien zu uns gelangen, weil westliche Medien im Kampfgebiet kaum Vertreter vor Ort haben. Katars TV-Sender Al-Jazeera ist zwar an der Front präsent, aber die Regierung Katars, die im Besitz dieses Senders ist, versucht ja nicht einmal die Tatsache zu verschleiern, dass sie parteiisch in diesem Konflikt ist und auf der Seite der Assad-Gegner steht.

Al-Jazeera würde auch nicht behaupten, dort eine objektive Berichterstattung zu führen.

Robert Baer: Die westliche Berichterstattung ist sporadisch, im besten Fall, und hat deshalb gar nicht das Potential, um über mögliche Gasangriffe zu berichten.

Moderne Technologie ist in einem Land wie Syrien so gut wie nutzlos

Und wie schaut es mit den westlichen Nachrichtendiensten aus, zum Beispiel der CIA, für die Sie ja jahrelang im Nahen Osten operativ tätig waren?

Robert Baer: Fast genauso. Die CIA-Arbeit wird heute von bürokratischer Tätigkeit dominiert, von moderner Technologie, der Überwachung sozialer Netzwerke, der Steuerung von Drohnen, etc. Das alles spielt sich in den Hauptquartieren ab, wo kaum jemand die Sprachen der betreffenden Länder beherrscht oder ein Gefühl für die Nationen hat, die die nationalen Interessen der USA tangieren.

Ein Mitarbeiter des CIA in Washington beklagte sich mir gegenüber, dass die Abhängigkeit des Dienstes von moderner Technologie zu groß sei.

Robert Baer: Moderne Technologie mag bei der Steuerung von Drohnen unerlässlich sein. In einem Land wie Syrien allerdings, wo der Internetzugang und auch der Mobilfunkverkehr eingeschränkt ist, ist diese so gut wie nutzlos.

Sind denn heute keine CIA-Agenten vor Ort in Syrien, wie zu Ihrer aktiven Zeit?

Robert Baer: Ich kann Ihnen versichern, dass die CIA keinen einzigen Mitarbeiter in Syrien hat, schon gar nicht in der Nähe der Front, wie zum Beispiel im Umfeld der umkämpften Stadt Aleppo. Stattdessen wartet man auf die Flüchtlinge, wenn diese es bis nach Jordanien oder in die Türkei geschafft haben, befragt diese, wobei solche Informationen meistens nicht viel wert sind. Traumatisierte Menschen behaupten alles, um in Sicherheit zu gelangen oder ihre Angehörigen zu schützen. Das gleiche gilt für die Kämpfer der sogenannten Freien Syrischen Armee, die alles behaupten würden, damit der Westen eingreift, um ihren Feind Assad zu beseitigen.

: Stellen wir uns vor, Sie wären noch im Einsatz, als CIA-Agent in Syrien. Wie wären Sie vorgegangen, um zu überprüfen, ob am 19. März wirklich Giftgas zum Einsatz kam?

Robert Baer: Ganz einfach. Man hätte nur den Luftfilter eines Autos untersuchen müssen, das in der Nähe des angeblichen Tatortes umhergefahren ist. So einfach es klingen mag, dadurch lassen sich eindeutige Beweise liefern, ob Giftgas eingesetzt wurde oder auch nicht. Aber selbst das erscheint heute wohl zu schwierig

Ich möchte gerne noch einmal auf ihre Tätigkeit als CIA-Agent zu sprechen kommen. Ende 2011 sollen zwei Hisbollah-Doppelagenten CIA-Spione enttarnt haben. Damals war von einer Pizzeria in Beirut die Rede, wo es zu Treffen zwischen CIA-Agenten und Informanten gekommen sein soll. Gab es diesen Treffpunkt,oder Treffpunkte dieser Art schon zu Ihrer Zeit?

Robert Baer: Ich bitte Sie um Ihr Verständnis, aber darüber möchte ich mich nicht äußern.

: Aber vielleicht darüber, ob nachrichtendienstliche Tätigkeiten - im feindlichen Ausland oder in einem feindlichen Umfeld - sich wirklich so vollziehen? Zu Ihren Aufgaben gehörte es ja damals auch, Organisationen wie Hisbollah oder Al-Qaida zu infiltrieren.

Robert Baer: Lassen Sie es mich bitte so ausdrücken. Es war nicht immer wie bei James Bond, manchmal aber schon.

In Washington leidet man aber einer Budget-Panik und an einer starken Dschihad-Müdigkeit

Weshalb steht Syrien nicht im Fokus der US-Nachrichtendienste, wie Sie eben schon erwähnten? Es handelt sich doch immerhin um ein Land von einer erheblichen strategischen Bedeutung?

Robert Baer: Das liegt eindeutig daran, dass in den vergangenen 12 Jahren der Schwerpunkt der amerikanischen Nachrichtentätigkeit bei den Ereignissen in Afghanistan und im Irak lag. Wir haben in Washington D.C. jetzt unzählige Experten, die uns mehr über den Irak und Afghanistan berichten können, als wir wissen möchten, aber nichts zu Syrien

Ist es nicht ein strategischer Fehler des Westens, unter der Führung der USA, die syrischen Rebellen zu unterstützen, nur um den iranischen Einfluss dort zu zerstören?

Robert Baer: Absolut, das ist ein Fehler. In Washington leidet man aber einer Budget-Panik und an einer starken Dschihad-Müdigkeit. Außerdem ist Präsident Obama bewusst geworden, wie wenig er angesichts der Probleme im Nahen Osten tun kann. Dass man noch bei der massiven Bewaffnung der syrischen Opposition zögeret, liegt in der Tatsache begründet, dass man befürchtet, diese Waffen könnten nach dem Sturz Assads bei Massakern an Alawiten oder sogar langfristig gegen Israel eingesetzt werden. Experten verweisen in diesem Zusammenhang darauf, wie die Aufrüstung der libyschen Rebellen den ganzen Maghreb destabilisiert hat, der nun in Waffen ertrinkt.

Halten Sie die westliche Unterstützung für Saudi-Arabien langfristig nicht gefährlicher, als eine Verständigung mit dem Iran?

Robert Baer: Natürlich. Saudi-Arabien und Katar bewaffnen ja schon salafistische Gruppen in Syrien, die teilweise die Ideologie von Al-Qaida vertreten. Dadurch entsteht die Gefahr, dass Syrien in einen salafistischen Staat verwandelt wird, von dem sich möglicherweise alawitische und christliche besiedelte Gebiete abspalten werden, was natürlich nicht im Interesse des Westens sein kann. Immerhin kam es den letzten 40 Jahren - unter Assad- zu keiner direkten Konfrontation mit Israel.

Befürchten Sie, dass die USA den sogenannten "War against Terror" und damit auch ihre starke Position in der Region des Nahen und Mittleren Ostens verloren haben?

Robert Baer: So etwas wie einen "War against Terror" hat es nie gegeben. Es ging darum, nach 9/11 Vergeltung zu üben und die Lektion zu erteilen: "Legt Euch nicht mit uns an!" Hat sich die Lage dadurch verschlechtert oder verbessert? Dieses Urteil wird die Geschichte einmal fällen.

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