Die Energiewende muss dezentral werden
Die Zeit der zentralen thermischen Großkraftwerke geht unaufhaltsam ihrem Ende entgegen. Die Zukunft liegt woanders - ohne übergreifendes Blackout-Risiko
Strom wird zwar auch in Zukunft aus der Steckdose kommen. Der Verbraucher wird sich aber intensiver mit seiner Stromversorgung befassen dürfen, denn die seit dem deutschen Wirtschaftswunder grundsätzlich von den Höchstspannungsnetzen bis zu den Verteilnetzen kaskadierte Struktur der Stromversorgung hat sich überlebt. Für den Bereich der Haushaltskunden, wo immer mehr Einspeisung in der Niederspannungsebene erfolgt, gilt das nicht zuletzt, weil die wechselseitige Umspannung in beide Richtungen nicht ohne Verluste zu erreichen ist.
Mit der Änderung der Erzeugungsstruktur in der deutschen Stromversorgung hin zu dezentralen, verbrauchernahen erneuerbaren Erzeugern wird auch der Umbau der Netzstruktur hin zu zellulären Netzen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Lediglich die Off-Shore-Windparks ahmen künftig noch die Struktur der Versorgung über zentrale Großkraftwerke nach. Für die Versorgung der Industrie, die zwischen 75 und 80 Prozent des deutschen Strombedarfs ausmacht, erscheint dies auch sinnvoll.
Änderung der Struktur der Stromversorgung für Privathaushalte und Gewerbe
Bei der Deckung des insgesamt etwa 20 bis 25 Prozent des Gesamtstrombedarfs ausmachenden Bedarf der privaten Haushalts- und Gewerbekunden ist es sinnvoll, die Stromquellen stärker zu regionalisieren. So lassen sich viele Gebäude mit photovoltaischer Stromversorgung ausstatten. Teilweise lässt sich Photovoltaik auch mit agrarischer Nutzung kombinieren, was die Verdienstmöglichkeiten der Landwirte erhöht.
Dass sich hierbei in erster Linie der Pflanzenanbau mit der Solarnutzung kombinieren lässt, ist ein Systemvorteil. Die Agri-Photovoltaik reduziert durch die Nutzungskombination den Flächenverbrauch der PV-Anlagen und schützt die landwirtschaftliche Nutzfläche vor übermäßiger Sonneneinstrahlung.
Die dezentrale Stromerzeugung für dezentral angesiedelte Verbraucher war übrigens schon üblich, als die Stromversorgung in ihren Anfangsjahren stand. Häufig waren mit Wasserkraft oder Wind betriebene Mühlen und Sägewerke der Ausgangspunkt der lokalen Stromversorgung. Erst mit dem Aufkommen der zentralen thermischen Großkraftwerksblöcke änderte sich die Struktur der Stromversorgung und führte zu mehreren Netzebenen, die von der Höchstspannung bis zu den Verteilnetzen reichten.
Die dezentralen Anlagen konnten mit den Zentralkraftwerken nicht erfolgreich konkurrieren und wurden in der Zeit zwischen den 1920ern und den 1970er außer Betrieb genommen. Erst als die Nachteile der thermischen Kraftwerke durch ihre Auswirkungen auf den Klimawandel stärkere Beachtung erfuhren, kamen die im internationalen Maßstab vergleichsweise kleinen Kraftwerke wieder zu Bedeutung.
In den Mittelgebirgen wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Kleinwasserkraftwerke reaktiviert oder grundlegend neu gebaut. Systembedingt gibt es bei Wasserkraftwerken keine Dunkelflaute und somit entfällt hier die Forderung nach einem Kurzzeitspeicher.
Speicher werden immer wichtiger
Je stärker sich die Stromversorgung auf erneuerbare, aber volatile Stromquellen stützt, desto wichtiger werden Speicher, mit denen die Lücken bei der Stromerzeugung geschlossen werden können. Wenn jetzt Gas nicht zuletzt aus politischen Gründen zunehmen knapper und teurer wird, Kohle- und Kernkraft-Grundlast-Kraftwerke zunehmend vom Netz genommen werden, müssen dringend zusätzliche Speicherkapazitäten aufgebaut werden.
Was technisch schon lange möglich ist, leidet an den unzureichend geregelten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Bislang hat die deutsche Politik den Speicherbedarf offensichtlich noch nicht wirklich realisiert und den für den Speicherausbau benötigten Rechtsrahmen noch immer nicht geschaffen.
Kommt der Strom mithilfe von Wärmepumpen verstärkt im Wärmemarkt zum Einsatz, werden neben Stromspeichern verstärkt auch Wärmespeicher genutzt werden, die deutlich preiswerter zu erstellen und zu betreiben sind als chemische oder physikalische Energiespeicher.
Regionalisierung der Stromerzeugung
Die Energiewende benötigt neue, zusätzliche Anreize, um endlich den Erfolg zu erreichen, der für eine sichere Stromversorgung benötigt wird. Dies wird umso wichtiger, da Strom in Zukunft auch im Wärmemarkt die fossilen Energiequellen wie Mineralöl und Erdgas ablösen soll.
Damit die Regionalisierung der Stromerzeugung vorangetrieben werden kann, sollten etwa 40 Prozent des lokalen Strombedarfs der Haushalts-/Privatkunden auch innerhalb der jeweiligen Gemarkungsfläche aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden und über lokale Speicher abgesichert werden. Welche erneuerbaren Energien dabei zum Einsatz kommen, muss den regionalen Gegebenheiten überlassen werden.
Auch bei der Organisation der Stromerzeugung sollte das regionale Engagement der Einwohner berücksichtigt werden. Von lokalen privaten Investoren bis zu kommunalen Einrichtungen wie Stadt- oder Gemeindewerke steht die ganze Bandbreite an möglichen Betreibern zur Verfügung. Lokale oder regionale Sparkassen und Genossenschaftsbanken können die Finanzierung absichern.
Mit der Regionalisierung der Stromerzeugung und -versorgung kommt die Energiewirtschaft wieder näher zum Bürger und der Strom wird zwar weiterhin aus der Steckdose kommen, seine Erzeugung wird jedoch deutlich bürgernäher als zuletzt umgesetzt werden.
Auch der Aufbau lokaler Speicherstrukturen wird für die Stromkunden als Vorteil erfahrbar. Eine Schwarzstartfähigkeit des lokalen Verteilnetzes wäre ein weiterer Vorteil der örtlichen Strukturen.