Die Globalisierung des Rechtsextremismus
National war gestern - die Neue Rechte strebt ideologisch wie praktisch nach globaler Vereinheitlichung und Vernetzung
Wie klein die globalisierte rechtsterroristische Welt doch ist. Der mutmaßliche rechte Massenmörder von Christchurch, der bei seinem Amoklauf mindestens 50 Menschen tötete, hatte ersten Erkenntnissen zufolge europäischer Vorbilder.
Neben dem rechten Amokläufer Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Kinder und Jugendliche ermordete, scheinen auch rechtsextreme Bundeswehrsoldaten den mutmaßlichen Täter von Christchurch fasziniert zu haben. Laut Medienberichten hat er in sozialen Netzwerken auf Artikel der Deutschen Welle verlinkt, die sich mit dem Phänomen des Rechtsextremismus in der Bundeswehr beschäftigten.
Angetrieben wurde der Täter bei seinem Massenmord durch eine charakteristisch postmodern zusammengewürfelte Frankenstein-Ideologie, bei der Versatzstücke unterschiedlicher rechter Ideen und Anschauungen zu einem individuellen Wahngebäude zusammengefügt wurden, das von dem Rechtsterroristen - hier dem Vorbild Breivik nacheifernd - in einem Manifest festgehalten wurde. Das Machwerk wurde kurz vor dem Amoklauf per Mail verschickt.
Verfangen in dem rassistischen Fiebertraum einer "Weißen Rasse", bildete der mutmaßliche, in Australien geborene Amokläufer eine europäische Identität aus, die auf seinem - so wörtlich - "europäischen Blut" beruhen sollte. Als selbsterklärter Europäer hat der Attentäter, der sich als soldatischer Märtyrer eines kommenden Rassenkrieges versteht, die Grundzüge der rechten Ideologie verinnerlicht, wie sie von der Neuen deutschen Rechten von AfD bis Pegida propagiert wird.
Der in Europa ausgebrütete Ethnopluralismus, der die "Vermischung" von angestammten Nationen und Kulturen als "zersetzend" imaginiert, wurde in das Manifest des australischen Amokläufers ebenso eingebaut, wie die Idee eines durch eine finstere Verschwörung gezielt betriebenen Bevölkerungsaustausches in den "weißen" Ländern, insbesondere in Europa. Hierfür machte der Attentäter - analogr Neuen deutschen Rechten - Angela Merkel höchstselbst verantwortlich.
Hinzu kommt eine übersteigerte soldatische Männlichkeit, die Verehrung des Opfertodes in Kriegen, die auch für den nationalsozialistischen Todeskult so charakteristisch war. Die charakteristische postmoderne "Individualisierung" des faschistischen Wahns, der keine ideologische Konsistenz mehr ausbilden kann, wird an Bezügen zu nordischer Mythologie ("Walhalla") und dem Templer-Ordern in dem Manifest des Täters offensichtlich.
Neurechte deutsche Wahnbegriffe wie "Bevölkerungsaustausch", der Glaube an eine Merkel-Verschwörung, der europäische Ethnopluralismus, die Machenschaften rechtsextremer Netzwerke in der Bundesrepublik - sie fanden aufgrund der Globalisierung ihren Widerhall in der australischen Kleinstadt Grafton in New South Wales, aus der der mutmaßliche rechte Massenmörder stammte.
Uniter als Duterte-Hilfstruppe?
Ähnlich absurd scheinen die globalen Aktivitäten von Uniter zu sein - jenes Vereins, der im Verdacht steht, die organisatorische Keimzelle eben jener rechtsextremen Netzwerke in der Bundeswehr und dem "tiefen Staat" der Bundesrepublik zu bilden, von denen der Attentäter von Christchurch so fasziniert war. Laut Recherchen von Focus und der Tageszeitung sollen im Umfeld des Veteranenvereins Putschpläne und Massenerschießungen politischer Gegner ausgearbeitet worden sein. Laut Medienberichten sind Vertreter des Vereins - in dem sich Soldaten, Polizisten und Unternehmer der Sicherheitsbranche vernetzen - dabei, die Sicherheitskräfte des philippinischen Machthabers Rodrigo Duterte auszubilden.
Mitte Februar fand südlich der philippinischen Hauptstadt Manila ein Treffen zwischen Uniter und Vertretern des Polizei und des Militärapparates Dutertes statt, bei dem die Grundzüge eines "militärtaktischen Trainings" für die berüchtigte Nationalpolizei besprochen wurden. Zudem sollen hochrangige Militärs und Mitarbeiter staatlicher Dienste dem Treffen beigewohnt haben, das auch dazu beitragen sollte, "neue Mitglieder für das internationale Netzwerk zu gewinnen".
Duterte, der sich selber gerne als Diktator bezeichnet, hat die Sicherheitskräfte seines Landes zu offenem Rechtsbruch, zu extralegalen Hinrichtungen von "Kriminellen" aufgefordert. Tausende von Menschen sind von den korrupten Polizeikräften bislang in den Gettos des Landes im Rahmen des angeblichen "Krieges gegen die Drogen" getötet worden. Oftmals reicht es aus, die üblichen Schmiergeldzahlungen an die Uniformträger nicht zu entrichten, um sich auf deren Todeslisten wiederzufinden.
In einem "zwei- bis vierjährigen Training" sollen die Mitglieder der philippinischen "Sicherheitskräfte" nun von Uniter privat darin geschult werden, adäquat in "Extremsituationen" zu reagieren. An den Modulen des deutschen Veteranenvereins könne "jedermann teilnehmen", seien keine "Erfahrungen mit Waffen" notwendig.
Die Alpen-Connection
Österreichische Medien thematisieren wiederum die Verbindungen des deutschen Veteranenvereins in die Alpenrepublik. Wer Uniter folge, der lande "bald in Österreich", hieß es in einem Resümee. Die infantile Vorliebe für dubiose Ritterorden, die einen roten Faden postmoderner rechter Ideologie zu bilden scheint, kommt auch im Falle der österreichischen Konnexionen des deutschen Veteranenvereins voll zu Ausdruck.
Uniter sei als Verein Mitglied einer "Lazarus Unon", eines Pseudo-Ritterordens, von dem der führende Uniter-Mann André S. ("Hannibal") zum "Ritter" geschlagen wurde - im Beisein von ÖVP-Politikern. Inzwischen distanzieren sich Vertreter der Lazarus-Union von Uniter. Man habe jegliche Kooperation eingestellt, bis die Vorwürfe gegen den Verein entkräftet seien, André S. lasse seine Funktion als Vizepräsident bis auf weiteres ruhen, so Vertreter des Ordens gegenüber österreichischen Medien. Laut weiteren Recherchen soll Uniter Verbindungen zu österreichischen Firmen aus der Sicherheitsbranche unterhalten.
Schon der mutmaßliche potenzielle Rechtsterrorist Franco A., der eine falsche Identität als syrischer Flüchtling annahm und Todeslisten von politischen Feinden für terroristische Aktionen anlegte, wurde auf dem Wiener Flughafen verhaftet, als er seine Schusswaffe aus einem Versteck holen wollte. Die österreichische Zeitschrift Der Standard sieht diesen Vorfall nun in Zusammenhang mit dem "rechtsextrem Netzwerk" im tiefen Staat der Bundesrepublik, das Fäden bis ins österreichische Ausland ziehe:
Was damals noch niemand ahnt: Franco A. ist nur ein Teil eines rechtsextremen Netzwerks aus aktiven und ehemaligen Soldaten und Polizisten, die sich in Chatgruppen miteinander über den Tag X austauschen - jenen Tag, an dem die staatliche Ordnung zusammenbricht. Folgt man ihren Spuren, landet man bei einem Verein für ehemalige Elitesoldaten, beim deutschen Verfassungsschutz, einem merkwürdigen Ritterorden in Österreich - und beim heimischen Verteidigungsministerium.
Standard
Auch in der Schweiz will der umtriebige Verein Fuß fassen, berichteten dortige Medien. Inzwischen scheint das Uniter-Netzwerk sogar über einen formellen Umzug in die Alpenrepublik nachzudenken. Der stellvertretende Vorsitzende von Uniter, ein deutscher Ausländer, der im schweizerischen Kanton Luzern wohnt, hat gegenüber der Neuen Züricher Zeitung erklärt, dass sein Verein "perspektivisch" seinen Hauptsitz in die Schweiz verlegen möchte.
Ein erster Organisationsansatz sei gescheitert, nachdem der Verein zunehmend ins Zweilicht geriet, so die NZZ:
Hausdurchsuchungen, Befragungen, Bodybuilder - manchen Uniter-Mitgliedern in der Schweiz wurde es zu bunt. Zumal keine Rede mehr war von grenzüberschreitender Lobby-Arbeit für Polizisten wie noch 2015. Bis Mitte 2018 verliessen alle Distriktleiter den Verein. Die kritischen Artikel deutscher Medien kamen erst noch.
NZZ
Nach diesen ersten Rückschlägen sei am 1. März ein abermaliger Anlauf zur Festigung der Strukturen von Uniter in der Schweiz gestartet worden, berichtete die Zeitung. Mindestens ein "halbes Dutzend" Männer könne dem Netzwerk zugeordnet werden.