Die Grand Dame der nationalsozialistischen Filmästhetik ist tot

Zwei Wochen nach ihrem 101. Geburtstag verstarb die umstrittene Regisseurin Leni Riefenstahl

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Am 22. August feierte sie gesundheitlich angeschlagen ihren 101. Geburtstag, in der Nacht zum Dienstag ist Leni Riefenstahl verstorben. Ihre künstlerische Hinterlassenschaft ist so zwiespältig wie ihr Leben.

Leni Riefenstahl überprüft eine Kamera-Einstellung während der Dreharbeiten zu "Triumph des Willens", 1934. Bild: Leni Riefenstahl, HdG

Der Nationalsozialismus sollte ihr Leben bestimmen: Leni Riefenstahl gelangte als Regisseurin des den Reichsparteitag in Nürnberg 1934 porträtierenden Filmes "Triumph des Willens" zu Weltruhm. Die Ästhetik der Bilder ist für damalige und heutige Verhältnisse überwältigend - der Effekt einer Glorifizierung des Nationalsozialismus umso stärker. Eine persönliche Bekanntschaft mit Adolf Hitler hatte ihr die Aufträge zur Inszenierung verschiedener, für die Propaganda der Nationalsozialisten wichtiger Ereignisse eingebracht. So drehte Riefenstahl mit ihrem Dokumentarfilm über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin ein vor allem international die Nazi-Diktatur repräsentierendes Werk, dem die Ästhetik auch heute kaum jemand abzusprechen wagt.

Die filmisch nahezu perfekt ausgeführten Aufträge wurden Leni Riefenstahl nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zum Verhängnis: Ihre Filme wurden als Unterstützung der Nationalsozialisten gewertet. Riefenstahl steuerte zu den Diskussionen ihren Teil bei, indem sie immer wieder die Rolle ihrer Propagandafilme herunterspielte, Prozesse um die Zwangsverpflichtung von KZ-inhaftierten Sinti und Roma zu ihrem Film "Tiefland" zogen sich bis 1987 hin.

Viele Auszeichnungen (u. a. ein Emmy Award, Ehrenmedaille des IOC) säumten die 101 Lebensjahre des künstlerischen Schaffens Leni Riefenstahls - davon nur ein Teil als Filmregisseurin: In den 70ern wandte sich Riefenstahl dem Genre der Fotografie zu. Ihre Bilder des sudanesischen Stamm der Nuba und die Unterwasserfotografien Riefenstahls wurden beinahe so bekannt wie ihre Filme und erschienen unter anderem in "Life" und "Stern". Das Tauchen sollte ihre letzte große Leidenschaft sein: Ihr letzter Film "Impressionen unter Wasser" wurde 2002 in der Öffentlichkeit wieder einmal als ästhetisches Meisterwerk gefeiert, 48 Jahre nachdem sie ihren letzten Film drehte und 68 Jahre nach ihrem Regiedebüt.

An künstlerischem Können mangelte es Leni Riefenstahl bis zum Ende ihres Lebens nicht, wohl aber an selbstkritischer Haltung. Noch in einem Interview mit der Welt vor einem Jahr sah sie sich als Opfer des Nationalsozialismus. Das Stigma der "Leibregisseurin Hitlers" wurde sie - auch aufgrund ihrer steten Wiederholung nur Auftragsarbeiten angefertigt zu haben - zeitlebens nicht mehr los.