Die Juche-Ideologie und der Dotcom-Kimmunismus

Nordkorea präsentiert seinen stählernen Charme im WWW

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Was tut man als selbstbewußte Nation, die längst in den Kreis der zivilisierten Länder dieser Welt aufgestiegen ist (also Atomwaffen herstellen kann und die entsprechenden Trägersysteme besitzt), aber andauernd von der mächtigsten Trägersystemzivilisation der Welt der "Achse des Bösen" zugerechnet wird?

Militärparade zum 55.Jahrestag der Partei der Arbeit Koreas, Bilder: kdvr.de und chollima-group.com

Ein umstandsloser Beitritt zur heranwachsenden Achse der Besten (Paris, Berlin, und - mit Abstrichen - Moskau) ist ja bei allen Interessenüberschneidungen aufgrund gewisser ideologischer Differenzen für die nähere Zukunft auszuschließen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Russland und Deutschland zu den wichtigsten Außenhandelspartnern der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik zählen - in ihren neuen imperialistischen Privatclub steigt man deswegen noch lange nicht auf. Verschärft wird die Problemlage durch den zu erwartenden Ausfall der Geschäftsgrundlage mit den bisherigen arabischen Freunden. Dass die Amerikaner nordkoreanische Raketen an den Jemen jetzt aus taktischen Gründen noch durchgehen lassen, heißt nicht, dass sie das auch noch tun, wenn der Irak erst einmal massakriert ist.

Groß ist die Not der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik mit dem mangelnden Verständnis in der Welt für ihre Belange. In dieser Situation hilft ihr vorderhand auch nicht die Tatsache, dass sie über die viertgrößte Armee der Welt verfügt. In dieser Situation hilft eigentlich nur noch eines: das Internet. Ein herausragendes deutschsprachiges Beispiel für die revolutionären Anstrengungen Nordkoreas auf dem Gebiet der Internet-Kommunikation stellt jene Website dar, die heißt wie das Land und von einer Vereinigung betreut wird, die den Namen "Freundeskreis der Juche-Ideologie in der Kommunistischen Partei Deutschlands" für angemessen hält. Was die Juche (sprich: Dschutsche) - Ideologie ist, ist schwer zu sagen, auch wenn die hervorragenden Führer Nordkoreas es mannhaft versucht haben.

Angeblich hat es etwas mit Marx, Lenin und dem Sozialismus zu tun. Das sei dahingestellt. Auch ob es sich bei der betreffenden KPD um diejenige unter kpd.de, oder die unter kpd.net handelt, kann hier nicht geklärt werden. Auf jeden Fall geht es bei der Website über Nordkorea um Wahrheit. Und so erfahren wir zum Beispiel unter dem Abschnitt "Lügen", dass es einen Personenkult um Kim Il Sung, den großen Führer der koreanischen Revolution, niemals gegeben hat.

Er ist halt einfach nur omnipräsent. Und das ist auch nur gerecht so, wenn ihm doch schon von seiner eigenen Partei 1992 der Titel "Generalissimus" verliehen wurde.

Wer dabei an Franco denkt, denkt ganz verkehrt, denn in Nordkorea herrscht der Sozialismus, wenn auch in seiner speziell nordkoreanischen Transformation, der Juche-Ideologie.

Sein Sohn Kim Jong II ist ein ebenso hervorragender, wenn nicht gar ein noch hervorragenderer Führer, der seine Landeskinder regelmäßig mit Grundlagentexten zur Juche-Ideologie beglückt, und ein Herz für die Armee hat. Demgemäß wurde letztes Jahr, an seinem 60. Geburtstag, viel marschiert.

Außerdem ist er ein fürsorglicher und hingebungsvoller Anwalt des Volkes. Die Versorgungslage in der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik ist hervorragend, auch wenn es seit Mitte der Neunziger Jahre aufgrund erhöhter Regenfälle zu Problemen mit der Reisernte kam

Eine Straßenbahnkarte in Nordkorea kostet nur 2 Won (= 1,3 ct). Dies ist zu erfahren für alle Menschen ehrlichen Herzens, die mit offenen Augen nach Nordkorea kommen, vermittelt und angeleitet durch den Freundeskreis der Juche-Ideologie in der Kommunistischen Partei Deutschlands. Zugegeben, die Prozedur ist ein wenig langwierig, man darf in Nordkorea keine Brücken und Bahnhöfe fotografieren, und das offizielle Besuchsprogramm könnte ein wenig Auflockerung vertragen - ob außer einem Besuch von Kim II Sungs Geburtshaus und des Kim II Sung-Mausoleums auch noch ein Abstecher zur "Ausstellung der internationalen Freundschaft" und zum "Monument des Vaterländischen Befreiungskrieges" unbedingt nötig ist, ist diskussionswürdig. Aber Tourismus in die Koreanische Demokratische Volksrepublik ist möglich, und das ist alles, worauf es ankommt.

Wen das nicht lockt, der kann sich Nordkorea neuerdings auch nachhause holen. Zum Beispiel mit Hilfe der Chollima Group.

Auch sie vertraut beim Vertrieb nordkoreanischen Porzellans, nordkoreanischer Kunst und anderer Produkte der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik auf die Marketingpower des Internets. Zwar ist aufgrund der Neuheit des Angebots noch nicht der ganze Katalog des Versands online, aber die Appetithappen, die die Chollima Group jetzt schon präsentiert, können sich sehen lassen. Zum Beispiel die Kunst.

Dass bei manch neoimpressionistischem Werk die Perspektiven noch ein wenig verrutschen, und die Pferde bisweilen wie Pitbulls aussehen fällt nur Pedanten auf, entscheidend ist allein, dass hier Motive gewählt wurden, die dem Gemüt der Konsumenten bekommen und dem Bedürfnis nach einer maßvollen Verschönerung des Alltags entsprechen.

Für die Zukunft verspricht die Chollima-Group Ginseng-Gesichtscreme, antiimperialistische Poster und Kleidung, sowie echte Briefmarken, alles aus original nordkoreanischer Produktion.

Es scheint, Nordkorea hat die Zeichen der Zeit erkannt. Als drittes Beispiel dafür kann die Eröffnung des ersten nordkoreanischen Internet-Cafés in Pjöngjang gelten, das vorerst nur von Ausländern benutzt werden kann, einen rudimentären E-Mail-Service für ausländische, in Nordkorea tätige Firmen, gab es ja bereits seit Ende 2001.

Wie man weiß, birgt solcher reformerischer Elan aber auch Gefahrenpotenziale. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Verweichlichung der Juche-Ideologie durch ausländische Einflüsse nicht nur im Inneren für Instabilität sorgen, sondern auch letztendlich die glühenden westlichen Verehrer des Landes, zum Beispiel den Juche-Freundeskreis und so erprobte antiimperialistische Querfront-Kameraden wie Michael Kloth enttäuschen und abschrecken könnte.

Allein, das sind Zweifel, die man sich angesichts der Parteilinie, die in der Vergangenheit noch immer richtig war, eigentlich gar nicht gestatten sollte. Mit dem Taepodong-Trägersystem, der Juche-Ideologie und in Öl gemalten Indianern wird der Kimmunismus siegen. Ganz bestimmt.

Den Begriff "Kimmunismus" und den Hinweis auf die Pitbull-Pferde verdanke ich Günter Hack.