Die Jugend stimmt für Populisten
Seite 2: "Wird Macron das Volk finden?"
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Für Macrons Wahlkampfteam stellt sich die Frage nach einem Wählerreservoir, das er noch in petto hat, mit einer gewissen Bangigkeit. 2017 konnte er auf den Topf von etwa 20 Prozent lossteuern, die für den Kandidaten der Les Républicains votierten. "Wird Emmanuel Macron das Volk ("le peuble") finden?", fragt Charlie Hebdo heute.
Der Stimmenpool, der von seinem Team nun beäugt wird - nachdem er sich zuvor bei der bürgerlichen Rechten bis hin zu deren Existenzminimum bedient hat -, sind die Wählerinnen und Wähler Mélenchons. Man charakterisiert sie oft als dem "populistischen Pol" zugehörig.
Von diesem Pol kam allerdings schärfste Kritik am Präsidenten. Macron hat sich, was soziale Gerechtigkeit anbelangt, und anderseits durch sein autoritäres und selbstgefälliges Gehaben gegenüber sozialen Bewegungen wahrhaftig keine Lorbeeren bei Linkswählern geholt, sondern ganz im Gegenteil: starke Abneigung.
Mélenchon rief seine Wählerschaft, die diesmal noch größer war als bei den letzten Präsidentschaftswahlen, nicht dazu auf, Macron zu wählen, sondern Le Pen "nicht die Stimme zu geben". Was Mélenchons Wählerinnen und Wähler aus dieser Empfehlung am 24. April machen werden, wird den Wahlkampf der nächsten zwei Wochen prägen.
Für Macron und sein Team wird es schwierig werden, ein "bindendes Element" zu finden, das glaubwürdig ist und stark genug, um Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, die in Le Pen nicht mehr die rechtsextreme, antidemokratische Gefahr für die Republik sehen, sondern die größere Gefahr in der "Elitenherrschaft", mit der Macron etikettiert wird. Le Pen, die aus einem reichen Clan stammt, konnte sich erfolgreich zur Vertreterin der Interessen der Bevölkerung stilisieren.
Der Jupiter-Präsident, der mehrmals durch seinen Hang zur autoritären Machtausübung aufgefallen ist, wird sich damit schwertun, verlorenes Gelände - durch seinen arroganten Umgang mit den Protesten der Gelbwesten, bei denen die Polizei mit einer überdimensionierten Gewalttätigkeit auffiel, seinen Kürzungen im Sozialbereich und der Begünstigungen der finanziell Bessergestellten und Reichen - wiedergutzumachen.
"Bindende Momente" - in einer polarisierten Gesellschaft
Dazu kommt, dass das gegenwärtige politische Klima stärker denn je auf Konfrontation ausgerichtet ist, auch die Corona-Diskussionen in Frankreich polarisierten - "bindende Momente", worauf Macron zur Erschließung neuer Wähler setzen muss, sind da nicht so leicht aufzutun.
Einer Studie aus Allensbach zufolge, die heute in deutschen Medien vielfach aufgenommen wird, sind 31 Prozent der Teilnehmer der Ansicht, dass sie in einer "Scheindemokratie" leben, "in der die Bürger nichts zu sagen haben". Das ist freilich nicht eins zu eins auf Frankreich zu übertragen, zumal sich im Osten Deutschlands noch markantere Werte zeigten (45 Prozent, die diese Einschätzung äußerten). Doch spricht vieles dafür, dass ein ganz ähnlicher Überdruss auch im westlichen Nachbarland politisches Gewicht hat.
Gegen diesen Überdruss hat Macron in den letzten fünf Jahren wenig Punkte gesammelt. Man kann in der Stimmabgabe der jüngeren Wähler bei der ersten Runde das Signal von platzenden Blasen hören. Macron hat es in seiner Amtszeit nicht geschafft, den Populisten substanziell etwas abzugraben. Sie blieben auf ihrem Posten der grundlegenden Systemkritik und haben anscheinend mehr Erfolg denn je.
Eine ganze Menge von Französinnen und Franzosen fühlen sich von einem bestimmten Politik-Modus nicht mehr repräsentiert oder angesprochen und wenden sich ab. Das trifft nicht nur Macron, sondern auch die Modelle der Parteien der bürgerlichen Mitte.