Die Krise in Niger begann in Libyen – nach der Nato-Intervention

Die damalige Außenministerin Hillary Clinton erzählt Präsident Barack Obama und Valerie Jarrett eine Geschichte vor der Sultan-Hassan-Moschee in Kairo, Ägypten, 4. Juni 2009. Bild: Weißes Hauses, Pete Souza / Public Domain

2011 wurde Gaddafi in Libyen mit Nato-Hilfe gestürzt. Obama und Clinton wurden dafür gefeiert. Die Menschen der Sahelzone bezahlen seither die Rechnung – und beginnen zu rebellieren.

Die Ereignisse in Niger in den letzten Monaten sind alarmierend. Was als Militärputsch begann, droht sich nun zu einem größeren Krieg in Westafrika auszuweiten, da sich eine Gruppe von Juntas zum Kampf gegen eine regionale Macht formiert hat, die damit droht, in Niamey einzumarschieren und die demokratische Herrschaft wiederherzustellen.

Branko Marcetic schreibt für Jacobin, Washington Post und Guardian.

Die Junta rechtfertigte ihren Putsch ausdrücklich als Reaktion auf die "kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitslage" in Niger und beklagt, dass auch andere Länder in der Sahelzone "seit mehr als zehn Jahren mit den negativen sozioökonomischen, sicherheitspolitischen und humanitären Folgen des gefährlichen Nato-Abenteuers in Libyen zu kämpfen haben". Sogar einfache Nigrer, die die Junta unterstützen, bringen das vor.

Die Libyen-Episode erinnert uns also an eine eiserne Regel bei ausländischen Interventionen: Selbst militärische Einmischungen, die bei seiner Durchführung als erfolgreich gelten, haben unbeabsichtigte Auswirkungen, die noch lange nach dem offiziellen Ende der Missionen nachwirken.

Beim Libyen-Abenteuer 2011 starteten die Regierungen der USA, Frankreichs und Großbritanniens eine zunächst begrenzte humanitäre Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung, die sich schnell zu einem Regimewechsel ausweitete und eine Flut von Gewalt und Extremismus in der Region auslöste.

Zu dieser Zeit gab es kaum Widerspruch. Während die Truppen des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi gegen regierungsfeindliche Rebellen kämpften, zeichneten Politiker, die Presse und libysche Gaddafi-Gegner ein allzu simples Bild von unbewaffneten Demonstranten und anderen Zivilisten, denen ein Völkermord drohte, wenn er nicht sogar schon im Gange war.

Erst Jahre später wurde in einem Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des britischen Unterhauses öffentlich festgestellt, dass die Anschuldigungen über ein bevorstehendes Massaker an der Zivilbevölkerung "nicht durch die verfügbaren Beweise gestützt", "die Bedrohung der Zivilbevölkerung überbewertet wurde und sich unter den Rebellen islamistische Gruppierungen befanden", die selbst zahlreiche Gräueltaten verübten.

Die Senatoren John McCain (Republikaner aus Arizona), Joe Lieberman (Unabhängiger aus Connecticut) und John Kerry (Demokraten aus Massachusetts) forderten alle eine Flugverbotszone. "Ich liebe das Militär ..., aber sie scheinen immer Gründe zu finden, warum man etwas nicht tun kann, anstatt sich zu bemühen herauszufinden, wie man es tun kann", beschwerte sich McCain.

Danielle Pletka vom American Enterprise Institute sagte, es wäre "ein wichtiger humanitärer Schritt". Die inzwischen aufgelöste Denkfabrik Foreign Policy Initiative (FPI) versammelte ein Who's Who der Neokonservativen, um wiederholt dasselbe zu fordern. In einem Brief an den damaligen US-Präsidenten Barack Obama zitierten sie Obamas Friedensnobelpreisrede, in der er argumentierte, dass "Untätigkeit an unserem Gewissen zerrt und später zu kostspieligeren Interventionen führen kann".

Die damalige Außenministerin Hillary Clinton, die Berichten zufolge maßgeblich daran beteiligt war, Obama zum Handeln zu bewegen, ließ sich selbst von ähnlichen Argumenten überzeugen. Ihr Freund und inoffizieller Berater Sidney Blumenthal versicherte ihr, dass nach dem Sturz Gaddafis eine "begrenzte, aber gezielte militärische Unterstützung des Westens in Verbindung mit einer sichtbaren Rebellion" zu einem neuen Modell für den Sturz von Diktatoren im Nahen Osten werden könnte.

Unter Hinweis auf die ähnliche, sich verschlechternde Situation in Syrien behauptete Blumenthal, dass "das wichtigste Ereignis, das die syrische Gleichung verändern könnte, der Sturz Gaddafis wäre, der ein Beispiel für eine erfolgreiche Rebellion liefern würde". (Trotz des Sturzes von Gaddafi dauert der syrische Bürgerkrieg bis heute an, und sein Führer Bashar al-Assad ist immer noch an der Macht).

Ebenso forderte die Kolumnistin Anne-Marie Slaughter Clinton auf, an den Kosovo und Ruanda zu denken, wo "selbst ein kleiner Einsatz das Töten hätte stoppen können", und bestand darauf, dass ein Eingreifen der USA "das Image der Vereinigten Staaten über Nacht verändern" würde. In einer E-Mail wies sie Gegenargumente zurück:

Die Leute werden sagen, dass wir dann in einen Bürgerkrieg verwickelt werden, dass wir nicht in ein anderes muslimisches Land gehen können, dass Gaddafi gut bewaffnet ist – es wird eine Million Gründe geben, nicht zu handeln. Aber all unser Gerede über globale Verantwortung und Führungsstärke, ganz zu schweigen von der Achtung universeller Werte, ist völlig leer, wenn wir tatenlos zusehen, wie das geschieht, ohne eine andere Reaktion als Sanktionen.

Trotz schwerwiegender und oft geäußerter Vorbehalte erhielten Obama und die Nato die UN-Genehmigung für eine Flugverbotszone. Clinton wurde privat mit E-Mail-Glückwünschen überhäuft, nicht nur von Blumenthal und Slaughter ("Bravo!"; "Flugverbot! Brava! Du hast es geschafft!"), sondern sogar vom damaligen Chefredakteur von Bloomberg View, James Rubin ("Ihre Bemühungen ... werden lange in Erinnerung bleiben").

Kriegsbefürworter wie Pletka und der Architekt des Irakkriegs, Paul Wolfowitz, begannen sofort, die Zielpfosten zu verschieben, indem sie Gaddafis Sturz diskutierten, eine Eskalation vorschlugen, um eine "Niederlage" der USA zu verhindern, und kritisierten diejenigen, die behaupteten, Libyen sei nicht von vitalem Interesse für die USA.

Die nicht näher definierten Kriegsziele der Nato änderten sich schnell. Regierungsvertreter plauderten aus dem Nähkästchen. Einige betonten, das Ziel sei kein Regimewechsel, während andere sagten, Gaddafi müsse weg.

Es dauerte weniger als drei Wochen, bis der Geschäftsführer von der Foreign Policy Initiative, Jamie Fly, der den Brief der Neokonservativen an Obama verfasst hatte, von der Behauptung, es handele sich um eine "begrenzte Intervention", die keinen Regimewechsel mit sich bringe, zu der Aussage überging: "Ich weiß nicht, wie wir uns aus dieser Situation befreien können, ohne dass Gaddafi geht."

Nach nur einem Monat erklärten Obama und die Nato-Verbündeten öffentlich, dass sie den Kurs beibehalten würden, bis Gaddafi weg sei, und lehnten den von der Afrikanischen Union vorgeschlagenen Ausstieg auf dem Verhandlungswege ab. "Es gibt keine schleichende Ausweitung der Mission", betonte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zwei Monate später.

Vier Monate später war Gaddafi tot – gefangen genommen, gefoltert und getötet, was zum großen Teil einem Nato-Luftangriff auf den Konvoi zu verdanken war, in dem er unterwegs war.