Die Krise in Niger begann in Libyen – nach der Nato-Intervention
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Das Ereignis wurde als Triumph gewertet. "Wir kamen, wir sahen, er starb", scherzte Clinton gegenüber einem Reporter, als sie die Nachricht hörte. Analysten sprachen von einem "Erfolg", der Obama zu verdanken sei.
"Nun, da die Operation Unified Protector zu Ende geht, können das Bündnis und seine Partner auf eine außerordentliche, gut gemachte Arbeit zurückblicken", schrieben der damalige Ständige Vertreter der USA bei der Nato, Ivo Daalder, und der damalige Oberste Alliierte Befehlshaber in Europa, James Stavridis, im Oktober 2011.
Vor allem aber können sie an der Dankbarkeit des libyschen Volkes sehen, dass die Anwendung begrenzter Gewalt – präzise ausgerichtet – einen echten, positiven politischen Wandel bewirken kann.
Im selben Monat reiste Clinton nach Tripolis und erklärte den "Sieg Libyens", während sie ein Friedenszeichen zeigte.
"Es war richtig, das zu tun", sagte Obama vor der Uno und stellte die Operation als ein Modell dar, bei dem die Vereinigten Staaten "stolz darauf waren, eine entscheidende Rolle zu spielen".
Schon bald wurde darüber diskutiert, dieses Modell auch in andere Länder zu exportieren, z. B. nach Syrien. Der damalige geschäftsführende Direktor von Human Rights Watch, Kenneth Roth, lobte die Uno dafür, dass sie "endlich ihrer Pflicht nachgekommen ist, Massengräueltaten zu verhindern", und rief dazu auf, "die für Libyen übernommenen Menschenrechtsprinzipien auf andere Menschen in Not auszudehnen", wobei er andere Teile des Nahen Ostens, die Elfenbeinküste, Myanmar und Sri Lanka nannte.
Andere stimmten dem nicht zu. "Libyen hat [dem Mandat der Schutzverantwortung] einen schlechten Ruf eingebracht", beschwerte sich der indische UN-Botschafter Hardeep Singh Puri und gab damit die Meinung anderer Diplomaten wieder, die sich darüber ärgerten, dass ein UN-Mandat zum Schutz von Zivilisten auf einen Regimewechsel ausgedehnt worden war.
Es wurde bald klar, warum. Der Sturz Gaddafis führte nicht nur dazu, dass Hunderte von Tuareg-Söldnern, die unter seinem Kommando standen, in das nahe gelegene Mali zurückkehrten, sondern löste auch einen Waffenexodus aus dem Land aus, der Tuareg-Separatisten dazu veranlasste, sich mit dschihadistischen Gruppen zusammenzutun und eine bewaffnete Rebellion im Land zu starten.
Schon bald löste diese Gewalt einen eigenen Staatsstreich und eine separate französische Militärintervention in Mali aus, die sich schnell zu einer ausgedehnten Mission in der gesamten Sahelzone ausweitete und erst neun Jahre später endete, wobei sich die Situation nach einer Reihe von Einschätzungen noch gegenüber der zu Beginn des Einsatzes verschlimmert hatte.
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Nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen sind die meisten der mehr als 400.000 Flüchtlinge in die zentrale Sahelzone geflogen sind wegen der Gewalt in Mali.
Mali ist bei Weitem nicht die einzige Auswirkung. Dank seiner reichlich vorhandenen und ungesicherten Waffendepots wurde Libyen in Anlehnung an die britische Supermarktkette als "Tesco" des illegalen Waffenhandels bezeichnet. Gaddafis Sturz "öffnete die Schleusen für ein weitverbreitetes extremistisches Chaos" in der gesamten Sahelzone, schrieb der pensionierte leitende Beamte des Auswärtigen Dienstes Mark Wentling im Jahr 2020, wobei libysche Waffen an Kriminelle und Terroristen in Niger, Tunesien, Syrien, Algerien und Gaza geliefert wurden, darunter nicht nur Schusswaffen, sondern auch schwere Waffen wie Flugabwehrkanonen und Boden-Luft-Raketen.
Im vergangenen Jahr waren Extremismus und Gewalt in der gesamten Region weitverbreitet, Tausende von Zivilisten wurden getötet und 2,5 Millionen Menschen vertrieben.
Heute sieht es im "befreiten" Libyen kaum besser aus. Das entstandene Machtvakuum führte genau zu dem, was Kritiker des Irak-Kriegs vorausgesagt hatten: ein langwieriger (und immer wieder aufflammender) Bürgerkrieg, an dem rivalisierende Regierungen, Nachbarstaaten, die sie als Stellvertreter benutzen, Hunderte von Milizen und gewalttätige Dschihadisten beteiligt sind.
Dazu gehörte auch der Islamische Staat, eine von mehreren extremistischen Gruppen, die Clintons Befürchtung vor der Intervention, dass Libyen "ein riesiges Somalia" werden könnte, wahr werden ließen. Bis zum Waffenstillstand 2020 waren in Libyen Hunderte von Zivilisten getötet worden, fast 900.000 Menschen benötigten humanitäre Hilfe, die Hälfte davon Frauen und Kinder, und das Land war zu einem lukrativen Hotspot für den Sklavenhandel geworden.
Heute geht es den Libyern eindeutig schlechter als vor der Nato-Intervention. Im UN-Index für menschliche Entwicklung lag das Land 2010 weltweit auf Platz 53 und in Afrika auf dem ersten Platz. 2019 war das Land um fünfzig Plätze zurückgefallen.
Vom Pro-Kopf-BIP über die Zahl der voll funktionsfähigen Gesundheitseinrichtungen bis hin zum Zugang zu sauberem Wasser und Strom sind alle Bereiche drastisch zurückgegangen. Weit davon entfernt, das Ansehen der USA im Nahen Osten zu verbessern, lehnte der Großteil der arabischen Welt die Nato-Operation Anfang 2012 ab.
Nur fünf Jahre später distanzierte sich Clinton, die einst eifrig die Lorbeeren für sich beanspruchte, von der Entscheidung, einzugreifen. "Es hat nicht funktioniert", gab Obama unverblümt zu, als er sich auf sein Ausscheiden aus dem Amt vorbereitete, und bezeichnete das Land öffentlich als "ein Chaos" und privat als eine "shit show".
Die New York Times versammelte die vernichtenden Urteile der Beteiligten: "Wir haben es schlimmer gemacht"; "Gaddafi lacht uns alle aus seinem Grab aus"; "mein Gott, wenn man bei einer solchen Aktion keinen Erfolg haben kann, sollte man sich wirklich überlegen, ob man sich das noch einmal antut."
Libyen enthält zahlreiche Warnungen für gut gemeinte US-Militärinterventionen: angefangen bei der Art und Weise, mit der sie schnell über ihre ursprünglichen Ziele und ihren begrenzten Charakter hinaus eskalieren können, bis hin zu unvorhersehbaren Folgewirkungen, die schwer zu kontrollieren sind und katastrophale Ausmaße annehmen können.
Nun, da Obamas "Erfolg" in Libyen einen regionalen Krieg in Niger auszulösen droht, der sogar die Vereinigten Staaten in die Kämpfe hineinziehen könnte, sollten wir uns daran erinnern, dass die Folgen von Militäraktionen, während Verhandlungslösungen abgelehnt werden, viel länger andauern als die anfängliche Phase des Triumphs. Jahre danach sehen die Dinge ganz anders aus.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und findet sich dort im englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.