Die Maschine, die zuviel wusste
Die Vollstreckung der Geschichte und damit das Ende aller Freiheit: Jonathan Mostows "Terminator 3: Rebellion der Maschinen"
Mythos reloaded: Zwölf Jahre nach dem bahnbrechenden Erfolg von James Camerons "Terminator 2: Judgement Day" kehrt der Maschinenmensch jetzt ins Kino zurück. Bei Terminator 3: Rebellion der Maschinen (vgl. Killermaschine mit lästiger Programmschleife) führte nicht James Cameron, sondern Jonathan Mostow Regie, ansonsten bleibt vieles beim Alten: Eine sehenswerte, durchaus achtbare Fortsetzung seiner beiden Vorgänger, ein guter, klar überdurchschnittlicher Action-SF-Film, dabei klassischer, fast schon altmodisch, laut und schwer, materiell und körperlich. Doch maßstabsetzend für das Genre, wie es sein Vorgänger war, ist er nicht. Zugleich verschmilzt der Film die Weltuntergangsängste des ersten mit dem Cyber-Optimismus des zweiten Teils: Schon die ersten beiden "Terminator"-Filme waren geschichtsphilosophische Abhandlungen, und auch der dritte ist dies, und zwar wieder in neuer Weise: Ein Mythos des Fatalismus. Wo "Terminator 2" die Verhinderung des Vorbestimmten und der Geschichte vorführte und einen Raum der Freiheit eroberte, inszeniert der dritte Teil das Gegenteil: die Vollstreckung der Geschichte und damit das Ende aller Freiheit. "Terminator 3" ist der Gründungsmythos einer Vorkriegsgesellschaft.
Your father. This is all about your father! He is the key.
Wie bringt man eine Frau dazu, zur Waffe zu greifen? Es muss nur an die familiäre Substanz gehen, dann ist es schnell so weit. Das war schon bei den Atriden der griechischen Mythologie so, und im modernen Mythos um den "Terminator" funktioniert das Schema noch immer ungebrochen. In den ersten beiden Teilen der Geschichte war es eine Mutter, Sarah Connor, die ihren Sohn John beschützen wollte, hier nun - "Du erinnerst mich an meine Mutter." sagt John irgendwann zu ihr - ist es Kate Brewster (Claire Danes), die ihren Vater zu retten versucht und deren Name nicht zufällig an die heilige Katherina von Siena erinnert. Sie könnte auch Elektra heißen, und man darf gespannt sein, was wir von dieser neuen Heldin in der Zukunft noch zu erwarten haben. Ein Vorgriff auf ihre Entschlossenheit ist der Akt den guten, wenn auch veralteten Terminator in der Zukunft zu ihrer eigenen Rettung zu erschaffen, die im Fall von Kate, dem verlobten, aber nicht verliebten, eigentlich zu skeptischen Mädchen, auch eine Errettung aus der Spießigkeit des drohenden Vorstadt-Lebens ist.
Zum neuen Mann an ihrer Seite wird John Connor, jenes Muttersöhnchen der beiden früheren Filme. Der naseweise Möchtenichtgern-Messias hat sich schon in jungen Jahren zum Melancholiker gewandelt, und spätestens am Ende des dritten Teils versteht man, dass auch sein Name nie Zufall gewesen ist, sondern dem wichtigsten Propheten der Bibel entlehnt wurde, dem Apokalyptiker Johannes. Alpträume und Vorahnungen, die Toten einer fernen Zukunft quälen ihn, und dieser ganze dritte Teil kann daher auch als die Erzählung eines Paranoikers gelesen werden. "I feel the weight of the future." - "Ich spüre die Last der Zukunft." sagt er gleich zu Beginn eines Films, bei dem er fast die ganze Zeit "auf der Flucht" vor seiner eigenen dunklen Seite ist.
Und doch erfüllt sein Charakter zugleich alle Rituale, wenn nicht Klischees, in denen seit jeher die Bilder des Heroismus entworfen werden: Das Sträuben des Helden gegen seine Mission, der Zweifel an der Aufgabe, für die doch nur er und kein anderer ausersehen sind, seine Weigerung und schließliche Überredung durch übernatürliche - hier nicht göttliche sondern maschinelle - Kräfte sind ein klassischer Topos. Die Frage: Wie wird man zum Helden ist hier allerdings zugleich auch - und spätestens darin entpuppt sich dies auch als typisch amerikanische Konstellation - die Frage: Wie wird man zum politisch-gesellschaftlichen Führer?
Der dritte im Bunde und der eigentliche, zugleich ganz andere Held des Films ist der Terminator selbst, in seiner gutmütigen alten, sozusagen nostalgisch-fordistischen, von Arnold Schwarzenegger gespielten Variante. Wie fast alle Heldengestalten des Kinos steht er auf der Schwelle zwischen Barbar und Zivilisiertem, Mensch und Nicht-Mensch. Im ersten "Terminator" war er am deutlichsten noch eine andere Form des Alien, in der Tradition von Ridley Scotts Meisterwerk. Er blieb dies immer, obwohl es über zehn Jahre später dann anders aussah: Die Maschine war als neuer Mensch auch fast der bessere, opferbereit und leidensfähig. Ähnlich wie Winona Ryders Figur in "Alien 4: Ressurrection" ist der Android nicht die Widerlegung, sondern die posthumane Bestätigung und Vollendung des Menschen: Das bessere, weil menschlichere Gattungsexemplar. Zugleich ist die Maschine diesmal vor allem schicksalsergeben: Arnie der Fatalist. Stoisch protokolliert er, dass er der zukünftige Mörder John sein wird: "terminated 2032". Aus dem Jenseits der Zukunft kommend ist er in der merkwürdigen, verweltlichen Dreieinigkeit dieses Films ein allwissender Engel der Geschichte, sozusagen der säkularisierte und Metall gewordene Heilige Geist. Einen Gott gibt es dabei nicht mehr - doch ist dies nicht der entscheidende Haken an der Sache, sondern nur konsequent: In der Moderne ist die Utopie der Transzendenz verzeitlicht worden, die Welt-Geschichte an die Stelle der Heils-Geschichte getreten. War der Terminator im zweiten Teil noch Aufhalter der Weltendes, ist er nun, kreiert von einer Frau, Vollstrecker des (vor-)letzten Gefechts. Damit erreicht der Film eine völlig neue Dimension, dementiert und zerstört in gewissem Sinn die humane Substanz vor allem des zweiten Teils.
"Die Zukunft ist noch nicht geschrieben. Es gibt kein Schicksal, außer dem, was wir aus uns selber machen." - der erste Satz von "Terminator 3: Rebellion der Maschinen" gibt den Takt vor. Alles weitere, das in den folgenden 109 Filmminuten geschieht, lässt sich als eine Widerlegung dieser allerersten Sätze verstehen, als Relativierung der hier formulierten Idee selbst bestimmter Freiheit. Die humanistische Hoffnung, dass die Zukunft offen ist, die in "Terminator 2" geradezu rührend genährt wurde, wird in diesem Film mit Härte dementiert.
Im Pantheon der modernen Ikonen
"Terminator 3" ist ein Film über die Macht der Zukunft über die Gegenwart. Es ist aber auch zugleich ein Film über die Macht, die die Vergangenheit auf die Gegenwart ausübt. Denn zentnerschwer wiegt das Gewicht der Erwartungen auf diesem Film: Seit 12 Jahren warteten nicht nur eingefleischte Fans auf die Fortsetzung von "Terminator 2: Judgement Day" - schließlich gehört dieser zweite Teil fraglos zu den wichtigsten, stilbildenden Werken des 90erJahre-Kinos. Der Maschinenmensch "Terminator" steht im Pantheon der modernen Ikonen; "I'll be back!" versprach Schwarzenegger und weil das aus seinem Mund immer auch ein bisschen lustig klingt, wurden Sätze wie dieser berühmt, fanden Dialogpassagen Eingang in den Zitatenschatz der Gegenwart, und auch filmisch war hier vieles prägend für den anspruchsvollen, das heißt selbstreflexiven und durchs Stahlbad der Ironie gegangenen Teil des Actionkinos der letzten Dekade. Wo der erste "Terminator" 1984 ein schlichter B-Movie-Horrorfilm, war, der dunkel und vulgär, im typischen Stil der frühen 80er Ängste des Augenblicks in präzise, zwingende Bilder fasste, ohne irgendwie über sich selbst hinauszureichen, und wesentlich mehr zu leisten als zu unterhalten, da gelang "Terminator 2" großes Kino: Epische Bilder, Coolness, die zeitgemäße Verarbeitung und Verabschiedung der Weltuntergangsängte der 80er Jahre. Die Story dementierte das "No Future" des vorangegangenen Jahrzehnts, ohne sich an die plumpen Optimismen der neuen Yuppies zu verkaufen. Er nahm Angst ernst, ohne ihr nachzugeben und sie zu zelebrieren.
Nun also "Terminator 3: Rebellion der Maschinen". Anstelle von James Cameron, der keinen weiteren Film der Serie drehen wollte, übernahm Jonathan Mostow ("U-571") die Regie. Erkennbar zweite Wahl, nutzt er seine Chance. Dabei hatte Mostow mit dem Dilemma zu kämpfen, dass der Film eine Story aus eigenem Recht bieten, aber gleichzeitig seinen beiden Vorgängern gerecht werden muss, sie zitieren muss, um alle Fans zufrieden zu stellen, und am besten dabei "Terminator 2" noch übertrumpfen sollte. Nur an dieser letzten Aufgabe scheitert der Film. "Terminator 3" ist eine sehenswerte, durchaus achtbare Fortsetzung seiner beiden Vorgänger, ein guter, klar überdurchschnittlicher Action-SF-Film. Doch maßstabsetzend für das Genre wie es sein Vorgänger war, ist er nicht, zu sehr lebt er von Selbstzitaten, statt aus eigenem Recht.
Die Wüste, das Auto, und die Freiheit
"Terminator 3" bietet die Wiederholung der Ausgangslage von "Terminator 2" mit kleinen Abweichungen: Zwei Maschinen wurden aus der Zukunft entsandt, um in der Gegenwart um die Herrschaft in der Zukunft zu kämpfen. Die gute, eine Synthese aus Achilles und Erzengel, ist ein moderner Christopherus, aber der anderen, bösen Maschine hoffnungslos unterlegen. Zehn Jahre sind seit dem zweiten Teil vergangen, John Connor, zukünftiger Führer des menschlichen Widerstandes gegen die Herrschaft der Maschinen, ist ein junger Mann geworden. Der neue, ihn bedrohende Killer-Cyborg ist ein Modell T-X mit dem Aussehen einer Frau: Kristanna Loken spielt das mörderische Wesen, dass ausgerechnet im Schaufenster einer Boutique aus einer Kugel wie aus einem Ei geboren wird. "I like your car", "I like your gun.": Mit konsumistischem Begehren beginnt ihre Sozialisation im Zeitraffer, bei der kurz darauf auch ihr Busen größer wird - Anpassung an irdische Verhältnisse, Lernen durch Hinschauen und anschließende Evolution. Dann leckt sie Blut, ein Gentest im Schnellverfahren - zugleich eine kalte und tödliche Geste. In ihrem Aussehen erinnert Loken an die Kühle eines klassischen Hollywood-Stars, mit dem mörderischen Herz einer Femme Fatale, mehr Joan Crawford als Veronica Lake.
Ihr Gegenspieler Terminator T-101, wieder verkörpert von einem unnachahmlichen, inzwischen in seinem hölzernen Charisma längst selbstreflexiv gewordenen Schwarzenegger, wird in der Wüste geboren, seine Kleidung besorgt er sich - Anlass zu einigen zynischen Scherzen - diesmal in einem Männerstrip-Lokal, in dem gerade die "Ladies Night" angesagt ist. Der Humor, der beiden Maschinen-Figuren eigen ist, beruht vor allem auf der Lakonie der Gesten und Sprüche. Alles ist cool und rein effizient, die Mimik aufs Minimum reduziert. Das alles kennt man aber schon aus Teil 2, und die neue T-X fügt dem nur weniges hinzu - mit etwas mehr Drehbuch-Fantasie hätte man der Weiblichkeit der Maschine gewiss noch vieles mehr abgewinnen können.
Auch die Menschen, könnte man sagen, folgen wie die Maschinen eigentlich nur ihrer Programmierung. Moral ist nicht mehr möglich. Jeder tut, was er tun muss. Die einzige Freiheit, die ihnen noch bleibt, ist die nihilistisch-dämonische des Selbstmordes. Ansonsten gilt: Das Schicksal ist eben vorbestimmt, die Menschmaschine dient dessen Exekution. "Judgement Day haben wir verhindert", glaubt John, "Nur hinausgezögert. Judgement Day ist unausweichlich." korrigiert ihn die Maschine vorausschauend. Bevor es zum Finale und der eigentlichen Story-Überraschung kommt, erlebt man, was Actionkino nun mal so bietet: Autoverfolgungsjagden, Explosionen jeder Art - alles ist dabei technisch state of the art und wirkt zugleich nostalgisch, klassisch, wie aus den großen Actionfilmen der 80er. An "Terminator 3" gefällt, dass er auf sichtbare Computereffekte und den modischen comic-artigen Inszenierungsstil fast völlig verzichtet, photorealistisch ist. Nicht so prätentiös wie "Matrix", nicht so seicht und desinteressiert wie "Charlies Angels 2" und nicht so disney-kindisch wie "Hulk". Für einen Augenblick wird der Film schließlich noch zum Road-Movie, der die Wüste, das Auto, und die Freiheit zusammenbringt, den amerikanischen Traum noch einmal träumt, um ihn dann in einer dunklen Höhle zu verschlucken.
Beschleunigung der Geschichte
Das Ende ist düster und apokalyptisch. Es trägt viel zu der Nachwirkung von "Terminator 3", seinem bleibenden Eindruck bei. Auch wenn die Angst vor einem Computernetz, das sein eigenes Bewusstsein entwickelt, vielleicht etwas schlicht wirkt, lässt der Schluss einen lange rätseln, was dieser Film uns eigentlich erzählt über die Gesellschaft, in der er entstanden ist, eine Gesellschaft, die ihr eigenes Ende im Kino imaginär vorweg nimmt. Und die an eine Freiheit offenbar nur dann noch glauben will, wenn sie die alte Philosophenforderung "Werde, der Du bist" zu wörtlich nimmt.
Denn der entscheidende Unterschied zu "Terminator 2" liegt im - vielleicht weil es nur eine Wiederholung des Bekannten gewesen wäre - fast völlig ignorierten Motiv der Lernfähigkeit der Maschine. Diesmal ist der T-101 die Maschine, die immer schon zuviel wusste. Es geht in diesem Film nicht mehr um die Rettung der Menschheit, und der Terminator lernt hier nichts mehr, auch nicht wie einst in Teil 2, Menschen nicht zu töten. Es wäre auch egal, weil ein paar Stunden später alle, die gerade noch überlebt haben, allemal im Feuersturm untergehen. Die Menschen kommen diesmal zu spät, um den Untergang ihrer Welt zu verhindern. Warum hat sie der Terminator (bzw. diejenigen, die ihn programmierten) nicht aber früher von der drohenden Gefahr informiert? Es geht hier gar nicht um die immanente Filmlogik, die offenkundig etwas hakt, sondern um den dahinter stehenden Geschichtsfatalismus: "Unsere Bestimmung war nie, Judgement Day zu verhindern. Sie war, ihn zu überleben." - das ist die eigentliche, überaus bittere und ethisch wie politisch fragwürdige Botschaft, die der Film seinem Publikum vermittelt. Erst der Untergang wird zur Voraussetzung eines zukünftigen Sieges. Aber dieser Sieg ist nur relativ, nur einer, der auf offenkundiger Niederlage basiert. Wo "Terminator 2" die Verhinderung des Vorbestimmten und der Geschichte vorführte und einen Raum der Freiheit eroberte, inszeniert "Terminator 3" die Beschleunigung der Geschichte, die Vollstreckung der Vorbestimmung des Judgement Day (Tag der Abrechnung wie Tag des Jüngsten Gerichts) und damit genau das Gegenteil humaner Politik, das Ende aller Freiheit.
Der neuen Lust an dieser Katastrophe, die auch in den übrigen düsteren Kino-Epen der jüngsten Zeit zu spüren ist, sollte intensiver nahe gegangen werden. Der Filmautor Georg Seeßlen hat in diesem Zusammenhang einmal an den Satz von Adorno erinnert, dass, wer sich die Katastrophe so angelegentlich ausmalt, sie irgendwie auch will. Dass wir es, wenn man so möchte, "immer schon gewusst" haben, was schließlich geschehen muss, ist eine Erklärung, aber keine ausreichende. Man muss nicht die WTC-Attentate und ihre Folgen bemühen, an das Bedürfnis, Katastrophen noch einmal zu durchleben, um sie zu verarbeiten - das gewiss im Kino immer auch ausgelebt wird - erinnern. Und "die Krise" als solche dürfte wohl auch nicht ausreichen. Eher schon das grundsätzliche Gefühl, Bürger eines Ancien Regime zu sein, der in jeder Zukunft nur verlieren kann - und doch weiß, dass die Revolution unter Oberfläche sich längst schon vollzieht. Dann wäre "Terminator 3" möglicherweise doch eine neoliberale Mythologie, ein bildkräftiges Einüben in den Abschied vom Heute.
Gewiss: Es gibt auch eine Poesie der Apokalypse, eine Schönheit der Vernichtung, die im Kino legitim ist. Aber die moralische Folgerung: "Hört nie auf, zu kämpfen. Die Schlacht hat gerade erst begonnen", geht darüber, wie über die Befriedigung der Bedürfnisse des Unterhaltungskinos weit hinaus. Allzu deutlich bricht sich in ihr das kollektive Unbewusste Bahn. Durch sie wird "Terminator 3" zum Gründungsmythos einer Vorkriegsgesellschaft.