Die Mehrheit wählt Demokraten, aber Republikaner regieren
Skurriles Wahlrecht: Für das Repräsentantenhaus bekamen die Demokraten 8 Millionen mehr Stimmen, für den Senat fast 12 Millionen mehr
Das US-Wahlsystem bevorzugt seit vielen Jahren die Republikaner. Hillary Clinton hatte 2016 nicht weniger als 2,8 Millionen mehr Stimmen erhalten als Donald Trump. Dank mehr Elektorenstimmen ("Wahlmänner") wurde Trump Präsident.
Das Gleiche im Jahr 2000. Al Gore bekam eine halbe Million Wählerstimmen mehr als George W. Bush. Trotzdem wurde Bush dank mehr sogenannter Elektorenstimmen Präsident.
Bei den jüngsten Zwischenwahlen in den Kongress erhielten Demokraten für das Repräsentantenhaus mit 57,7 Millionen Stimmen deutlich mehr als die Republikaner mit 49,7 Millionen (Stand vor wenigen Tagen). Trotzdem reichte es unter den insgesamt 435 zu wählenden Abgeordneten nur zu einer bescheidenen demokratischen Mehrheit.
Damit bewahrheitete sich, was Christopher R. Browning, pensionierter Professor für Geschichte an der University of North Carolina, in der neusten Ausgabe der "Blätter für deutsche und internationale Politik" vorausgesagt hatte: Wegen manipulativer Abgrenzungen von Wahlkreisen, erhöhten Hürden für die Registrierung als Wählerinnen und Wähler, welche vorwiegend viele Schwarzen, Arme und Minderheiten von den Wahlen ausschließt, müssten die Demokraten in den Zwischenwahlen diese Woche sieben bis elf Prozentpunkte mehr Stimmen erhalten als die Republikaner, nur um die Mehrheit der Sitze im Repräsentantenhaus zu erringen.
Browning spricht von "manipulativen Wahlkreiszuschnitten", sogenanntes "Gerrymandering", das den Republikanern einen "systemischen Vorteil" bringe. Die gezielten Verschiebungen von Wahlkreis-Abgrenzungen haben nach Berechnungen Brownings dazu geführt, dass ein republikanischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus oder im Senat durchschnittlich nur 2,51 Millionen Menschen vertritt, eine demokratische Abgeordnete oder ein demokratischer Abgeordneter dagegen 3,65 Millionen Menschen.
Im Senat, der dem Schweizer Ständerat oder dem deutschen Bundesrat entspricht, haben kleinere US-Bundesstaaten ein größeres Gewicht als große, weil jeder Bundesstaat zwei Sitze beanspruchen kann.
Laut New York Times erhielten die Demokraten bei den Wahlen in den Senat insgesamt sogar 12 Millionen Stimmen mehr als die Republikaner. Trotzdem verloren die Demokraten einen Sitz und die Republikaner gewannen einen dazu. Ein Drittel aller Senatssitze wurde neu vergeben.
Der Artikel von Urs P. Gasche ist zuerst bei Infosperber.ch, herausgegeben von der gemeinnützigen "Schweizerischen Stiftung zur Förderung unabhängiger Information", erschienen. Telepolis dankt für die Möglichkeit der Zweitveröffentlichung.