Die Mission des Religionspolizisten

Verbotene Kameraaugen und Blicke: Der erste saudische Blogger

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"Ja, ist denn heut schon der Tag der saudischen Würdenträger", mag sich das intelligente Mobiltelefon noch intern zugefunkt haben, als es den Vorsitzenden der Kommission für die Förderung der Tugend und der Verhütung des Lasters, Turki asch-Schamri, in seinem Kameraauge auf sich zukommen sah. Die höchste Autorität der lokalen Religionspolizei war eigens in die Highschool bei Riad gerufen worden, um sich höchstselbst mit dem verbotenen Gerät zu befassen. Das Handy hatte keine Chance gegen den großen Holzschläger, den der Hobby-Angler asch-Schamri zur Hilfe nahm, um den Studenten einen "disziplinarischen Akt" vorzuführen und "eine Lektion", damit "andere daraus lernen".

Nur was die anderen daraus lernen, könnte etwas fundamental anderes sein. Verläuft die Geschichte im saudischen Königreich nämlich so, wie es der "Religions-Polizist" prophezeit, der diese Tage als erster saudischer Blogger feierlich begrüßt wurde, dann wird dieses Ereignis eines von vielen sein, die Teil einer großen Revolution sind:

Wenn sich das saudische Volk endlich zu einer Revolte erhebt und gegen das 'Haus der Sauds' vorgeht, dann wird es nicht für demokratische Reformen sein. Es wird um mobile Telefone gehen.

Wie anderswo auch sind die neueren Handys in Saudi-Arabien mit einer Kamera ausgerüstet, weswegen sie eigentlich verboten sind, aber gleichwohl leicht zu bekommen. Selbst die Werbung scheint sich von dem Verbot nicht einschüchtern zu lassen, so soll an einer Geschäftsstrasse in Jeddah ein großes Plakat ein Samsung E 700-Mobiltelefon unverhüllt zeigen - mit der kleinen Linsenöffnung.

Das Problem sei der technische Fortschritt. In fünf bis zehn Jahren, spekuliert der Blogger, würden alle Handys mit einer Kamera ausgerüstet sein, standardmäßig. "Wird die 'muttawa' (die staatliche Religionspolizei) also alle derartigen Telefone verbieten?", fragt der "Religions-Polizist".

Dies würde dem Versuch gleichkommen, einem Amerikaner die Waffe wegzunehmen oder einem Engländer den Hund. Araber im Allgemeinen und die Saudis im Besonderen leben für ihre Mobiltelefone, auf eine Weise, die man in anderen Teilen der Welt nicht verstehen würde. Und wir sind physisch nicht dazu fähig, unser Telefon zu ignorieren, wenn es klingelt.

Selbst dann nicht, so die dazu erzählte Anekdote, wenn Geschäftsleute mitten in einer Präsentation stecken und das Telefon des Vortragenden klingelt.

Es war seine Mutter! Wir saßen da und hörten ihm fünf Minuten lang dabei zu, wie er ihr erklärte, warum er sie die letzten beiden Tage nicht besucht hatte. Seine Ausflüchte waren genial, ich werde sie künftig auch benutzen. Er beendete seine Präsentation ohne ein Wort der Entschuldigung.

Ach, launige auferzählte Einblicke also in die Alltagswelt der Saudis? Nein, der Eintrag über die "Handy-Revolution" ist nur ein Ausschnitt dessen, was der selbsternannte "Religions-Polizist" bislang über seinen Satelliten-Internet-Link ins Netz gestellt hat. Die Mission, die er über die Einträge gestellt hat, rückt die Geschichten in eine ernsthaftere Perspektive:

Das tägliche Journal eines saudischen Mannes aus dem Leben im "magischen Königreich", wo die Religionspolizei dafür sorgt, dass alles so bleibt wie im Mittelalter. Im Gedenken an das Leben von 15 mekkanischen Schülerinnen (vgl. Die toten Mädchen von Mekka), die beim Brand ihrer Schule am Montag, den 11.März 2002 umkamen. Die Religionspolizei erlaubte es ihnen nicht, das Gebäude zu verlassen und auch nicht den Feuerwehrmännern es zu betreten, um sie zu retten.

Die meisten Einträge des "Religions-Polizisten" haben folglich auch mit den Aktivitäten der echten Religionspolizei zu tun, denen er genau auf die Finger sieht, und mit dem Tun (und Unterlassen) der saudischen Ermittlungsbehörden, auch dies mit spitzzüngigen Kommentaren gewürzt.

Ob er wirklich aus Saudi-Arabien bloggt? Der übliche Vorbehalt ist natürlich immer angebracht; aber vieles spricht für die Echtheit des saudischen Bloggers.

Der letzte Eintrag gestern lautete:

Sah den Rauch aufsteigen aus einiger Distanz, in der Nähe der Fernsehtürme. Lass uns hoffen, dass es keine Toten gab...

Wie die BBC kurz darauf meldete sind bei einem Sprengstoffanschlag auf das Hauptquartier der Sicherheitskräfte in Riad mindestens neun Menschen ums Leben gekommen.