Die Osterbotschaft und die Nato
Zu Ostern demonstrieren viele Menschen für Frieden. Doch der Ukraine-Krieg spaltet die Bewegung. Welche Fragen drängen – und welche Antworten nötig sind.
Die Nato hat durch den Beitritt Finnlands seit dem 4. April dieses Jahres 31 Mitglieder. Generalsekretär Jens Stoltenberg, die deutsche Bundesregierung und die Mehrheit der Deutschen begrüßen, dass der Nordatlantikpakt immer stärker wird. Nach Ende des Kalten Krieges hatte das Militärbündnis 16 Mitglieder, heute sind es 31.
Aber kaum jemand im Westen fragt sich, wie diese Entwicklung auf die Russen und auf den Kriegsherren Putin wirken muss.
Stellen wir uns doch mal die umgekehrte Entwicklung vor: Wie würden die USA reagieren, wenn Russland ein Militärbündnis mit den Nachbarstaaten Kanada oder Mexiko schließen würde? Würden die USA wirklich anders reagieren als Russland heute gegenüber der Ukraine?
Zumindest 1962 haben die USA mit Atomkrieg gedroht, als die Sowjetunion Atomraketen auf Kuba stationiert hatte. Die Welt stand damals am Rande eines nuklearen Krieges. So wie heute wieder. Diese Lektion wird aber heute von vielen verdrängt.
US-Präsident Joe Biden hat vor kurzem gesagt, dass wir heute so nah am atomaren Abgrund stehen wie bei der Kuba-Krise. Wenn das jemand weiß, dann der US-Präsident.
Der Sinn haben Osterdemonstrationen?
An diesem Osterfest wird auch die deutsche Friedensbewegung wieder zehntausendfach auf den Straßen für Frieden, Waffenstillstand und Friedensverhandlungen demonstrieren. Der Adressat ist in erster Linie der Aggressor Putin, aber nicht nur. Welchen Sinn machen solche Demonstrationen? Bewirken sie etwas? Gibt es Alternativen zum Massenmord in der Ukraine, den Putin gegen jedes Völkerrecht und gegen jede Moral begonnen hat?
Die Geschichte und unsere Lebenserfahrung lehren, dass jede Beilegung eines Streits oder eines Krieges damit beginnt, dass man versucht, sich in den anderen hineinzuversetzen. In der Bergpredigt formuliert Jesus dieses Grundgesetz aller Versöhnung so: "Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?"
Die Welt kann man nicht nur in Gute und Böse einteilen, wobei man sich selbst natürlich immer für gut hält. Auch der Papst sprach vom "Bellen der Nato vor den Toren Russlands".
Die permanente Nato-Osterweiterung und jetzt auch noch die Nato-Norderweiterung macht den Russen und Putin Angst und Sorge. Das ist natürlich niemals eine Berechtigung, die Ukraine zu überfallen und Massenmord zu begehen, füge ich hinzu, um nicht missverstanden zu werden. Doch wer versucht, sich in den anderen hineinzuversetzen, kann die russische Sorge verstehen.
Bisher versucht jede Seite, ihre eigene Angst dadurch zu besänftigen, dass sie der anderen Seite durch immer mehr Rüstung noch mehr Angst macht. Dieser Teufelskreis hat uns jetzt wieder an den atomaren Abgrund und an den Rand eines dritten Weltkriegs geführt.
#Vor 35 Jahren hat der Friedenspolitiker Michail Gorbatschow durch mutige Verhandlungen einen Ausweg aus der Krise gezeigt und den Weg zur friedlichen deutschen Wiedervereinigung vorbereitet. Auch gegen seine eigenen Hardliner.
Westliche Politiker sollten jetzt Putin signalisieren, dass auch sie bereit sind, in Zukunft Russlands Sicherheitsinteressen mehr als bisher zu berücksichtigen. Nicht nur Michail Gorbatschow hat in einem Buch, das wir gemeinsam geschrieben haben – "Kommt endlich zur Vernunft – Nie wieder Krieg".
Auch Helmut Kohl und Helmut Schmidt haben oft darauf hingewiesen, dass der Westen nach 1990 die russischen Sicherheitsinteressen sträflich vernachlässigt hat, vor allem die USA. Die Mahnungen dieser drei Politiker müssten uns doch zu denken geben!
Soeben haben auch Frankreichs Präsident Macron und Chinas Staatschef Xi gemeinsame Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine gefordert und vor einer atomaren Eskalation gewarnt.
Macron sagte, ein dauerhafter Frieden sei für China genauso wichtig wie für Frankreich und Europa. "Ich weiß, dass ich auf Sie zählen kann, (…) um Russland zur Vernunft und alle wieder an den Verhandlungstisch zu bringen", sagte Macron zu Xi: "Wir müssen einen dauerhaften Frieden finden."
Westliche Lieferungen von Verteidigungswaffen an die Ukraine halte ich als Christ und Pazifist in der heutigen Situation für berechtigt und notwendig.
Doch zugleich ist es jetzt höchste Zeit für Verhandlungen. Nur gemeinsame Sicherheit für die Ukraine und für Russland schafft einen gerechten Frieden und eine neue europäische Friedensordnung.
Daran sollten Deutsche und Russen und alle Europäer gemeinsam interessiert sein. Das ist die Osterbotschaft 2023: Frieden für die Ukraine – Freiheit für Russland!
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