Die Pleite-Ukraine erhält neues IWF-Geld

Der französische Außenminister Jean-Marc Ayraul und Frank-Walter Steinmeier beim Treffen mit dem ukrainischen Regierungschef Volodymyr Groysman. Bild: Ukrainische Regierung

Das Land braucht dringend frisches Geld und eine neue Milliarde wird gegen alle Kriterien in das Fass ohne Boden gepumpt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dass es um die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine alles andere als gut bestellt ist, dürfte weitgehend bekannt sein. Dabei behauptet das Land zwar das Gegenteil, doch es braucht dringend frisches Geld. In Kiew drängte man deshalb darauf, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) endlich eine weitere Tranche aus dem IWF-Kreditprogramm im Umfang von 17,5 Milliarden US-Dollar (Erneut fließen 40 Milliarden in die Ukraine) freigibt. Denn das sollte nur ein "Signal" an andere Geldgeber sein. Und über alle Kriterien hinweg fließt nun erneut eine Milliarde US-Dollar des IWF. Der Weg wurde darüber freigemacht, dass Kiew nun bereit ist, mit Russland über die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von drei Milliarden Dollar zu sprechen, um die extra für die Ukraine aufgeweichten neuen Statuten auf dem Papier zu erfüllen.

Die dramatische Lage auf allen Ebenen im Land (Kiewer Fernseh-Kanal Inter wegen "Russlandfreundlichkeit" in Brand gesteckt) hatte sich in der letzten Zeit zugespitzt, da auch die Kämpfe in der Ostukraine wieder deutlich stärker aufgeflammt sind. Die sind ebenfalls nicht zuträglich dafür, die prekäre wirtschaftliche Situation im Land zu stabilisieren. Dafür wäre, neben einer realen Korruptionsbekämpfung, auch eine Friedenslösung im Konflikt mit den abtrünnigen Regionen in der Ostukraine notwendig. Für die hat sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nun einsetzt.

Er ist mit seinem französischen Kollegen Jean-Marc Ayrault am Mittwoch nach Kiew gereist und zeigte sich im Vorfeld optimistisch, dass es möglich sei, sich "ohne Vorbedingungen" auf "einen belastbaren Waffenstillstand zu verständigen". Berlin und Paris würden an einer politischen Lösung festhalten, weshalb man an die Verantwortung der Konfliktparteien appelliert. Und tatsächlich ist nun eine siebentägige Feuerpause vereinbart worden, die um Mitternacht in Kraft trat.

Für Steinmeier ist die Ukraine der Schlüssel dazu, die Beziehungen zu Russland wieder normalisieren zu können. Er hält nichts von einem "Säbelrasseln" der Nato (Nato-Gipfel in Warschau: Weiter Säbelrasseln Richtung Russland), wirbt für eine Deeskalation und strebt deshalb auch "Transparenz, Risikovermeidung und Vertrauensbildung" an. Es war kein Zufall, dass der Bundesaußenminister ausgerechnet mit Ayrault nach Kiew gereist ist. Denn beide setzen sich vor allem aus wirtschaftlichen Interessen in einer Eurozone, in der das Wachstum weiter schwächelt, dafür ein, dass die ökonomisch schädlichen Sanktionen gegenüber Russland aufgeweicht oder ganz aufgehoben werden.

Der Franzose Ayrault hatte den Russen schon offen eine schrittweise Lockerung der Sanktionen in Aussicht gestellt, wenn es zu Fortschritten bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen komme (Minsk 2: Friedensfahrplan mit vielen Stolpersteinen...). Insgesamt werden die Stimmen in Europa lauter, die eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland fordern. Damit verschlechtert sich die Position der Ukraine zusehends, die sich im Stich gelassen sieht. Inzwischen ist sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel von der Maximalforderung abgerückt, dass die Abkommen zuerst völlig umgesetzt sein müssten, bevor an eine Lockerung der Sanktionen zu denken sei.

Die Ukraine, deren Pleite nur durch internationale Geldgeber abgewendet werden kann, hat auf diesem Hintergrund auf eine Entscheidung des IWF gewartet, endlich eine weitere Tranche aus dem Kreditprogramm des IWF zu erhalten. Der IWF hatte im Rahmen eines Gesamtprogramms im Umfang von 40 Milliarden, an dem auch die EU beteiligt ist, 17,5 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Davon waren bisher gut 7,5 Milliarden geflossen und nun soll eine Milliarde nachgeschoben werden.

Zuletzt hatte Präsident Petro Poroschenko erklärt, man sei nahe an einer Übereinkunft mit dem IWF. Nach einem Telefonat mit der IWF-Chefin Christine Lagarde hatte er vergangene Woche bestätigt, dass die Entscheidung über die nächste Tranche aus dem Kreditprogramm des IWF am gestrigen Mittwoch fallen sollte. "Ich rechne mit einem positiven Bescheid", fügte Poroschenko schon frohlockend an. Zuvor musste aber noch ein wenig gemauschelt werden. Denn auch der IWF hat zusehends Probleme damit, neue Auszahlungen an die Ukraine zu rechtfertigen, auch wenn durch diverse Manöver immer wieder Extrawürste für sie gebraten wurden. Jetzt sagte er nach der Entscheidung des IWF, die nächste Tranche auszuzahlen, dass der IWF damit die Umsetzung der Reformen bestätige und dass das Land auf dem richtigen Weg sei.

Eigentlich dürfte kein Geld an ein Land ausbezahlt werden, das sich im Bürgerkrieg befindet. Und so ist es kein Zufall, dass Steinmeier und Ayrault ausgerechnet jetzt in die Ukraine gereist sind. Mit der neuen Waffenruhe wird so getan, als sei man auf dem Weg raus aus dem Bürgerkrieg. Ausdrücklich hatte sich von dort auch der Bundesaußenminister auch für die nächste Zahlung an die Ukraine ausgesprochen. Das kann durchaus auch als Beruhigungspille angesichts der Befürchtungen gesehen werden, die die Ukraine angesichts Steinmeiers Annäherungskurs hegt. Im Gespräch mit dem ukrainischen Regierungschef Volodymyr Groysman ging es auch vor allem um Investitionen.

IWF-Reformen für die Ukraine

Zudem hatte man schon private Gläubiger zu einem Schuldenschnitt gedrängt, um den Schuldenstand des Landes zu senken, der in den letzten Jahren auf mindestens 67 Milliarden Dollar explodiert ist. Auch mit geschönten Zahlen wurde bisher stets dazu beigetragen, eine angebliche Schuldentragfähigkeit zu konstruieren, ohne die der IWF ebenfalls kein Geld ausreichen darf (Ukraine: IWF stellt Pseudo-Schuldentragfähigkeit her).

Doch in der Washingtoner Finanzorganisation ging man sogar soweit, eilig zum Jahreswechsel eine Änderung der Statuten zu beschließen (IWF: Extrawurst für Pleite-Ukraine). Bisher durfte der IWF einem Staat auch keine neuen Kredite mehr gewähren, wenn der seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber anderen Staaten nicht mehr nachkommt. Genau diese Regelung wurde im vergangenen Dezember geschleift. Denn die Ukraine hat einen fälligen Kredit an Russland nicht bis zum 21. Dezember zurückgezahlt. Klar, angeblich hatte die Statutenänderung aus Sicht des IWF nichts mit der Ukraine zu tun.

Schon seit 2013 habe man sich darüber Gedanken gemacht, wie man verhindern könne, dass Gläubiger die Umschuldung eines ganzen Landes blockieren könnten. Man wolle nur verhindern, dass es zu "höheren Verlusten für Gläubiger und Schäden am internationalen Finanzsystem" komme, behauptete der IWF. Aus seiner Sicht fielen die Statutenänderungen rein zufällig mit der offiziellen Ukraine-Pleite zusammen. Schließlich habe man sich die Gedanken sogar schon gemacht, bevor es den russischen Kredit an die Ukraine überhaupt gegeben habe, ließ man aus Washington verlauten:

The need for this reform has been evident for some time now. IMF staff first raised concerns about the risks inherent in the institution’s policy on non-toleration of arrears to official bilateral creditors back in 1989, when IMF rules with regard to private creditors were amended. These concerns were reiterated in the May 2013 paper, before the Russian loan to Ukraine even existed. On both occasions, staff argued that protections under the policy should not automatically extend to non-contributing creditors and that the policy needed to be reformed to strengthen incentives for collective action among official bilateral creditors.

IMF

Trotz allem war auch dem IWF klar, dass sich Problem mit den ukrainischen Schulden bei Russland nicht so einfach wegwischen lässt. Und bekannt ist auch, dass die Finanzorganisation weder in Argentinien noch in Griechenland nachsichtig ist. Doch mit Hilfe des IWF hatte die Ukraine schon einen Trick versucht. Sie wollte die Staatsschulden bei Russland in den Schuldenschnitt mit den privaten Gläubigern einbeziehen. Doch das war sehr durchsichtig und Russland lehnte das vehement ab. Eigentlich dürfte man sich auch beim IWF darüber bewusst sein, dass man trotz der Veränderungen der Statuten nun einen weiteren Tabubruch begeht.