Die Senioren und die Corona-Krise
Seite 2: Wenn aus einer gesellschaftlichen Frage ein Generationskonflikt gemacht wird
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Tatsächlich könnte man hier fragen, ob die unbefangene Herangehensweise jüngerer Leute an die Politik des Notstands wirklich damit zu tun hat, dass sie nicht mehr viel über die Bewegung gegen die Notstandsgesetze wissen?
Ist es nicht das Schwinden einer generellen Macht- und Staatskritik, die auch durch die Internetkultur und die damit verbundene Datenfreigabe gefordert wird? Ist dieses Vertäuen in Staats- und Machtapparate nicht das Kennzeichen einer Epoche, in der eine Linke schwach ist? Selbst große Teile der Datenschutzbewegung kritisieren lediglich den Missbrauch von Macht, aber stellen gar nicht in Frage, ob es überhaupt Macht und Herrschaft geben muss.
In der Umweltbewegung wurden dann die Staatsapparate regelrecht aufgefordert, den Notstand auszurufen und sich zu ermächtigen. Da war es dann nur ein weiterer Schritt, auch den Corona-Notstand als notwendiges Übel hinzustellen. Schäfer zeigt die Gefahren auf und weist darauf hin, dass die Frage, wie eine Gesellschaft nach Corona aussieht, eine Folge von Klassenkämpfen ist.
Wenn sie nicht von den unteren Klassen geführt werden, bestimmen die oberen Klassen und siegen im Klassenkampf. Sie brauchen dazu keine Streiks und Demonstrationen. Beim Klassenkampf von unten ist das aber sehr wohl der Fall. Der wird durch die Einschränkung von Versammlungs -und Organisierungsfreiheit tatsächlich behindert. Er wird auch dadurch erschwert, dass aus einer gesellschaftlichen Frage ein Generationskonflikt konstruiert wird.
Hier werden Spaltungslinien aufgebaut, die schon lange vor der Corona-Krise angelegt waren. Das Gerede von den alten weißen Männern, die endlich verschwinden sollen, war noch vor wenigen Wochen auch in linken und linksliberalen Medien zu lesen. Es trägt genauso zur Propagierung eines Generationskonflikts bei, wie die Egotour des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer, die wiederum aufgebauscht und moralisiert wurde.
Stattdessen sollte besser über die Frage diskutiert werden, die Velten Schäfer in den schon erwähnten ND-Artikel stellt: "Wie lässt sich bewirken, dass sich die solidarische und nicht die neoliberale Deutung der Corona-Erfahrung durchsetzt?"
Schäfer spricht drei Politikfelder an. Die Reichen sollen für die Krise zahlen, das Gesundheitssystem und die Rente müssen Markt- und Kapitalgesetzen entzogen werden.
Zudem könnte die Parole "Leave no one behind" zur handlungsleitenden Maxime werden. Nicht nur Geflüchtete sollen nicht zurückgelassen werden, auch nicht die Rentnerin, die weder eine Armutsrente noch einen Minijob hat, oder der Senior, der Flaschen sammeln muss, um überleben zu können. Der Kampf darum sollte eine Aufgabe für Menschen jeden Alters sein.