Die Sichtbarmachung des Gleichzeitigen

Die ehrgeizige "Synchronoptische Weltgeschichte" des Historikers Arno Peters wurde wieder aufgelegt

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Sicher, Rechner und Netzwerke können schon ziemlich viel. Aber letztendlich ist es doch immer eine einfache Idee, die uns überzeugt. Auf der Suche nach so einer einfachen Idee war in den 40iger Jahre in Deutschland der Historiker Arno Peters. Er wollte die "Gesamtheit des vergangenen Geschehens von allgemeiner, fortwirkender Bedeutung", kurz gesagt, die gesamte Weltgeschichte darstellen. Und Peters fand seine Idee, die so einfach wie genial ist: Er gab der Zeit und dem Geschehen eine räumliche Darstellung. Heraus kam dabei, Anfang der 50iger Jahre, ein Buch, besser gesagt ein wunderbarer Atlas in der Größe von 27 cm x 32 cm - die "Synchronoptische Weltgeschichte".

Jedes Jahrhundert erhielt hier eine Doppelseite (50 cm x 32 cm), schön chronologisch ab 3000 vor Christus geordnet (die wichtigsten Ereignisse der Vorzeit werden extra behandelt). Und das Weltgeschehen teilte Peters in 5 große Felder ein: Kriege & Revolutionen; Politik & Gesellschaftsordnung; weltgeschichtliche Persönlichkeiten; Kunst, Dichtung, Recht, Philosophie, Religion, Musik & Städtebau; Wirtschaft, Technik, Naturwissenschaften & Gemeinschaftsleben; alles in 6 unterschiedlichen Farben. Der Effekt ist verblüffend: Plötzlich lebt Kleomedes (griechischer Naturforscher) in der gleichen Epoche wie Mark Aurel (römischer Kaiser) und Montanus (kleinasiatischer Priester). So erschließen sich uns - auf einen Blick - Zusammenhänge zwischen Ereignissen und Menschen der Weltgeschichte, denn es wird sichtbar, was gleichzeitig geschah.

Diese Sichtbarmachung des Gleichzeitigen begrenzte Peters aber nicht auf die bekannten Geschichtsfelder und -räume - im Gegenteil. Mit Hilfe von über 50 Wissenschaftlern aus allen Wissensgebieten - ein "Who is Who" der deutschen Nachkriegswissenschaft - gelang Peters erstmals eine universelle Geschichtsschreibung. Neben den Kriegherren und Eroberern stehen die schöpferischen Persönlichkeiten, die Erfinder, Denker und Reformer, neben Feldzügen und Revolutionen kommen kulturelle, wissenschaftliche oder religiöse Ereignisse, wirtschaftliche Entscheidungen und die Dinge des Alltags zur Geltung: "1266- Deutschland verliert Sizilien an den Franzosen Karl von Anjou/Phagspa entwickelt eine mongolische Schrift (Quadratschrift)", nachdem ein Jahr zuvor der "mongolische Postdienst zur regelmäßigen Einrichtung" wurde und Tannhäuser den Gebrauch von Fremdwörtern "als Gelehrttuerei" verhöhnte. Im gleichen Jahr wurde übrigens Dante geboren, 1 Jahr vor Giotto und 5 Jahre nach Meister Eckhart ...

Weil nicht alle Personen, die im "Zeitatlas" vorkamen, dort auch beschrieben werden konnten, wie beispielsweise "Phagspa", hat Peters einige Jahre später einen "Indexband" (404 Seiten) mit 10 000 (!) Biografien und Kurzartikeln nachgeliefert! Dort können wir dann lesen: "Phagspa (um 1225 n - um 1290 n) mongolischer Schriftgelehrter aus Tibet. Berater des Kaisers Kublai-Khan für alle kulturellen und religiösen Fragen (Lehrer des Reiches) ..." Sicherlich ist "Phagspa " nicht die einzige Persönlichkeit, die in keinem anderen Lexikon zu finden sein wird. Auch dies unterscheidet die "Synchronopse" wohltuend von anderen lexikalischen Werken: Es wurde eine unike Arbeitsleistung eingebracht.

Für das Sichtbarwerden von - teilweise ungeahnten - Zusammenhängen gibt es wohl kein schöneres und gleichzeitig einfacheres Beispiel als die "Synchronoptische Weltgeschichte". Natürlich lassen heutzutage das Web und der Hypertext freundlich grüßen. Und sicherlich würde ein junger Arno Peters, der die "Synchronopse" im Alter von 25 Jahren begann, heute auch im Web mit solch einem Projekt beginnen. Ob dann - irgendwann einmal - ein Buch daraus würde, könnte man dann ja sehen.

Solange es jedoch die "Synchronopse" nicht im Web und in HMTL gibt, werden wir uns wohl mit der physikalischen Buchausgabe begnügen müssen. Viel zu lange war die "Synchronopse" überhaupt nicht lieferbar, als dass wir uns nun an dieser Kleinigkeit stören würden. Der bis ins Jahr 2000 ergänzte "Zeitatlas" und der - leider nicht korrigierte - "Indexband" wurden nun vom Verlag und Versandhaus Zweitausendeins nachgedruckt und statt mit einem hellblauen mit einem knallroten Leineneinband versehen (2 Bände, zusammen DM 99,-).