Die Sorge wächst - die Sorglosigkeit auch

Bild: Kilian Seiler/unsplash

Laut ARD-DeutschlandTrend steigt sowohl der Anteil derjenigen, die sich vor einer Corona-Infektion sorgen, als auch derjenigen, die sich nicht davor sorgen

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An den Finanzmärkten ist es ein bekanntes Phänomen: Wenn die Kurse steigen, werden viele Menschen auf steigende Gewinne aufmerksam. Vielleicht wartet man noch ab, um sicherzustellen, dass die Richtung stimmt. Dann steigt man ein, wenn die Preise noch höher sind - und oft kurz bevor sie wieder nachgeben.

Und umgekehrt: Wenn die Kurse fallen, bauen sich aufgrund der zunehmenden Verluste Schmerzen auf. Obwohl man sich vorgenommen hatte, die Baisse durchzustehen, liquidiert man schließlich die Verlustpositionen - vielleicht sogar noch kurz bevor die Preise wieder anziehen. Dadurch verliert man systematisch.

Längst gibt es ein ganzes wissenschaftliches Fachgebiet, die Behavioral Finance, das sich mit solchen typischen "Verhaltensanomalien" beschäftigt. Viele Anleger verhalten sich prozyklisch, und letztlich irrational, indem sie einsteigen, wenn die Kurse hoch sind und aussteigen, wenn die Kurse niedrig sind. Interessanterweise scheint das Verhalten vieler Menschen in der Corona-Krise einem ähnlichen Muster zu folgen.

Ältere Menschen und Frauen sind für stärkere Beschränkungen

Laut ARD-DeutschlandTrend vom 21.08.2020 wächst in der Bevölkerung derzeit die Angst vor einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus. 34 Prozent der Befragten geben an, sich große oder sehr große Sorgen darüber zu machen, dass sie oder ihre Familienmitglieder infiziert werden könnten. Am 06. August lag dieser Wert noch bei 28 Prozent.

37 Prozent machen sich geringe Sorgen um die eigene Gesundheit - 11 Prozent weniger als noch Anfang August. 29 Prozent erklären, sich überhaupt keine Sorgen zu machen - 6 Prozent mehr als noch Anfang August. Anscheinend ist eine Polarisierung zu beobachten, weg von der Mitte der wenig Besorgten und hin zu den Polen der Sorgenvollen und der Sorglosen.

Angesichts wieder steigender Corona-Fälle scheint eine Mehrheit wieder restriktivere Corona-Maßnahmen zu befürworten. 60 Prozent der Befragten sind dafür, die Gästezahl bei privaten Feiern wieder stärker zu beschränken. 37 Prozent halten dies für nicht notwendig. 3 Prozent machen keine Angaben.

Die Einstellungen divergieren nach Alter und nach Geschlecht. Ältere Menschen über 65 Jahren sprechen sich zu 73 Prozent für eine stärkere Beschränkung der Gästezahl aus, bei Personen unter 40 sind es nur 49 Prozent. Frauen sind zu 63 Prozent für eine stärkere Beschränkung, bei den Männern sind es 57 Prozent.

Zunehmende Lockerheit nach dem Lockdown

Vermutlich liegt man nicht ganz falsch, wenn man hier eine Korrelation vermutet: Solange die Corona-Zahlen sehr niedrig waren, war auch die Sorge der Menschen gering. Jetzt wo die Fallzahl kontinuierlich ansteigt und damit auch die Wahrscheinlichkeit einer Infektion, macht sich wieder Angst vor einer Ansteckung breit.

Interessant ist der steigende Anteil derjenigen, die sich trotz steigender Corona-Zahlen überhaupt keine Sorgen zu machen scheinen. Sie haben anscheinend für sich entschieden, dass ihr Ansteckungsrisiko gering ist oder dass eine Ansteckung für sie keine gesundheitlichen Konsequenzen haben wird. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich dieser Wert entwickelt, sollten die Infektionen im Herbst weiter zunehmen.

Ein Grund für die in Deutschland seit etwa einem Monat wieder ansteigenden Corona-Zahlen ist sicherlich in der verstärkten Reiseaktivität während der Ferienzeit zu sehen. Verbunden war dies nicht nur mit einer Lockerung von Corona-Maßnahmen, sondern auch mit einer Lockerheit im Verhalten vieler Menschen, die sich prozyklisch verhalten haben und unachtsamer wurden, als die Zahlen niedrig lagen.