Die Wahrheit liegt irgendwo da drinnen

US-Justizministerium schreibt unabhängige Überprüfung der Carnivore-Überwachungsbox aus

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Die Behörde veröffentlichte letzten Donnerstag Richtlinien für eine unabhängige Prüfung seines umstrittenen Email-Überwachungssystems "Carnivore". Die Maßnahme soll sicherstellen, dass das Programm wie vorgesehen arbeitet.

Die Untersuchung war durch Kritik ausgelöst worden, dass Carnivore (deutsch: "Fleischfresser") eine potentielle Bedrohung für die Privatsphäre sei und das Internet verlangsame. "Carnivore" ist ein kleiner versiegelter Kasten, den das FBI auf Anordnung eines Gerichts bei einem Internet Provider am Netzwerk installiert, um den Emailverkehr von verdächtigen Personen zu kontrollieren. Schätzungen zufolge sind derzeit etwa 20 solcher Geräte in den USA in Betrieb.

Laut Justizministerin Janet Reno werden die unabhängigen Experten vollständigen Zugang zum System und zu allen für die Untersuchung notwendigen Informationen erhalten. Ihr Ministerium ließ außerdem verlautbaren, dass technische Kompetenz und Kosten die entscheidenden Kriterien bei der Auswahl der Kandidaten sind. Weiterhin soll das Gutachten sich auf technische Stellungnahmen beschränken und frei von politischen Einflüssen sein. Universitäten gelten deshalb als die aussichtsreichsten Bewerber. Anträge können bis 6. September eingereicht werden. Die Entscheidung soll dann am 25. September fallen. Erste Ergebnisse der Untersuchung sollen am 17. November abgegeben und dann öffentlich diskutiert werden. Das fertige Gutachten soll schließlich am 8. Dezember veröffentlicht werden.

Unter anderem vermuten das Electronic Privacy Information Center (EPIC), die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) und einige Kongreßabgeordnete, dass Carnivore den vierten Verfassungszusatz, der Amerikaner vor willkürlichen Zugriffen der Justiz schützt, verletzt. Das EPIC will außerdem Einsicht in die FBI-Daten nach dem Freedom of Information Act verlangen.

Der umstrittene kleine Kasten macht nach Auskunft des FBI nichts anderes, als das, was jeder Router eines Providers sowieso erledigt: Er sieht sich jedes Datenpaket an, bestimmt welcher Typ von Paket es ist, woher es kommt und wohin es geht. "Carnivore" ist also eigentlich ein überflüssiges Gerät. Beide denkbaren Varianten hinsichtlich des Funktionsumfangs dieses Geräts lassen die amerikanische Bundesregierung in keinem vorteilhaften Licht erscheinen: Entweder ist Carnivore ein Ausfluß der Redundanz durch bürokratische Ineffizienz und Verschwendung von Steuergeldern, oder es dient noch allen möglichen anderen Zwecken. Spekulationen amerikanischer Bürger in diese Richtung gehen bis zur Vermutung der möglichen Abschaltung des Internets durch eine Carnivore-Box bei jedem Provider (Vgl. " Meet Eater"). Wie so oft öffnet auch im Fall Carnivore die Grauzone aus bürokratischer Ineffizienz und Geheimnistuerei auf staatlicher Seite den Raum für Verschwörungstheorien.