Die Zeitbombe der faulen Kredite

Bild: Petr Kratochvil/CC0

Griechenlands Banken benötigen Geld

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Die Krise in Griechenland ist - glaubt man EU-Kommission und griechischer Regierung - seit dem August 2018 vorbei. In einer Zeit, in der alle auf die Vorgänge um den Staatshaushalt in Italien blicken, fällt nicht auf, dass Griechenland trotz des Endes des dritten Kreditprogramms noch nicht an die internationalen Kapitalmärkte zurückgekehrt ist. Ein Grund für die weiterhin hohen Zinsen, die Griechenland für Staatsanleihen zahlen müsste, ist der Streit zwischen Italien und Brüssel um den italienischen Staatshaushalt. Die dadurch höheren Zinsen für italienische Anleihen, machen auch die griechischen Papiere unattraktiver.

Tipps von Tsipras an die Regierung in Rom

Dies wiederum bewegte den griechischen Premier Alexis Tsipras dazu, die Italiener aufzurufen, seinem Beispiel zu folgen und sich Brüssel zu unterwerfen. Nach dem Motto, je früher desto besser sollen die Italiener sich dem Sparkurs-Credo unterwerfen, meint Tsipras.

Daheim hat er jedoch trotz der treuen Erfüllung der Vorgaben der Kreditgeber eigene, schwerwiegende Probleme. Die Banken Griechenlands benötigen dringend Geld. Allein die vier "systemischen Banken" des Landes sitzen auf knapp 88 Milliarden Euro faulen Krediten. Die Probleme der Banken mit den faulen Krediten sind so groß, dass drei von ihnen, die National Bank of Greece, die Piräus Bank und die Eurobank aus dem Leitindex MSCI Standard Greece flogen. Bankaktien werden in Griechenland nur noch auf Ramschniveau gehandelt.

Das ist insofern verständlich, weil zum Beispiel die Piräus-Bank einen dringenden Kapitalbedarf von knapp einer halben Milliarde Euro hat, der allein am Aktienmarkt oder durch Anleihen nicht gedeckt werden kann.

Faule Kredite als Ladenhüter

Eigentlich sollten die faulen Kredite, die in Griechenland als "rote Kredite" bekannt sind, an ausländische Fonds verkauft werden. Damit sollten sie aus den Büchern der Banken verschwinden und diesen gestatten, neue Kredite zum Aufbau der Wirtschaft zu gewähren. Der Plan ging nicht auf. Auch mit erheblichem Rabatt auf den Nennwert bleiben die Kreditpakete unverkäuflich.

Schließlich ist kaum damit zu rechnen, dass die griechischen Verbraucher, deren reale Einkommen in der Krise stark gesunken sind, schnell an Kapital gelangen, um die Kredite, die sie wegen der Krise nicht mehr bedienen konnten, abzuzahlen.

Denn trotz sinkender Einkommen bleibt das übrige Preisniveau im Land weiterhin hoch. Schlimmer noch, die Preise für Grundnahrungsmittel sind stark gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren im Oktober Kartoffeln 38,8 Prozent teurer, Gemüse kostete 13,2 Prozent mehr und Sprit und Heizöl verursachen wegen der Entwicklung auf den Weltmärkten ebenfalls höhere Kosten.

Der Plan der Kreditgeber, mit sinkenden Löhnen für eine höhere Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands zu sorgen, ging ebenfalls nicht auf. Schuld sind die Lohnnebenkosten, sowie steigende Steuern.

Für einen vergleichbaren Nettolohn müssen griechische Arbeitgeber bis zum Doppelten dessen zahlen, was ihre Konkurrenten in Zypern und Bulgarien ausgeben müssen.

Diese Entwicklung trägt auch dazu bei, dass qualifizierte Arbeitskräfte lieber Griechenland verlassen, als sich in Griechenland am Wirtschaftsaufbau zu beteiligen. Die Fonds, die Griechenland als Käufer für faule Kreditpakete anlocken wollte, wetten nun viel lieber auf einen erweiterten Crash der Geldhäuser. An die Kapitalmärkte kann das Land erst dann, wenn die einheimischen Banken saniert sind.

Der Pfändungsschutz fällt weg

Die faulen Kredite in Griechenland betreffen größtenteils Immobilienkredite. Sie sind durch Hypotheken abgesichert. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass der Pfändungsschutz für die einzige Wohnung der Griechen, eine zu Anfang der Krise von Giorgos Papandreous PASOK-Regierung eingeführte Schutzmaßnahme für die mit sinkenden Einkommen kämpfenden Arbeitnehmer und Rentner, immer mehr ausgehöhlt wurde.

Das nach seiner Schöpferin genannte "Katseli-Gesetz" sah vor, dass Wohnungen, die zur Zeit der Immobilienpreise für überhöhte Preise an den Kunden gebracht wurden vor Pfändung sicher sind, wenn es sich um die einzige Wohnung des Kreditnehmers handelt und wenn dieser nachweisen kann, dass sein Einkommen in der Krise wesentlich gesunken ist. Die Banken wurden im Gegenzug für ihre Verluste sowohl aus der Kreditblase als auch wegen der Haircuts der Staatsobligationen mit mehreren Rekapitalisierungen entschädigt.

Das gesamte Verfahren wurde über zwei Gerichtsverfahren abgewickelt. Schnell zeigte sich, dass die Banken an der Kreditblase nicht schuldlos waren. Denn viele Kredite waren bereits vor der Krise, bei Abschluss der Kreditverträge, kritisch. Die Banken hatten leichtfertig Kreditvolumen vergeben, zu deren Abzahlung die Kunden mehr als die Hälfte ihres damaligen Einkommens aufbringen musste.

Nachdem die internationalen Kreditgeber entdeckt hatten, dass durch das Katseli-Gesetz der Großteil der privaten Kreditnehmer geschützt war, drängten sie auf eine Aufweichung des Gesetzes. Ohne, dass es offiziell eine derartige Vorgabe gab, entschieden die Zivilgerichte im Land nun reihenweise, dass die Kreditnehmer für leichtfertig von Banken vergebene Kredite verantwortlich seien. Die ihrer Prüfungspflicht nicht nachgegangenen Banken seien Opfer betrügerischen Verhaltens ihrer Kunden, liest es sich in den einschlägigen Urteilen. Das wiederum brachte zahlreiche Immobilien zur Versteigerung, die wiederum auf Druck der Kreditgeber über Internet, also elektronisch durchgeführt werden.

Darüber hinaus pfändet der Staat selbst das Vermögen, auch Wohnungen, von Steuerschuldnern, die mehr als 500 Euro an Steuern und Abgaben schuldig sind. Diese Entwicklung hat das Preisniveau für den ohnehin unter der Krise leidenden Immobilienmarkt weiter sinken lassen. Ein dieser Entwicklung entgegengesetzter Trend, der Preisanstieg für Wohnraum in touristisch interessanten Gegenden, führt wegen deren Nutzung über Kurzvermietungsplattformen wie AirBnB und Booking zu steigenden Mieten auch in Athen. Den Immobilienmarkt selbst rettet dies nicht. Die sinkenden Werte der Immobilien belasten jedoch die Bücher der Banken. Denn der Wert der hinterlegten Sicherheiten sinkt - und damit die Kapitaldecke der Geldhäuser.

Ende 2018 läuft das Katseli-Gesetz aus. Die Kreditgeber, vor allem die Europäische Bankenaufsicht drängen die griechische Regierung darauf, das Gesetz nicht noch einmal zu verlängern. Eine Privatinsolvenz wie in Deutschland ist in Griechenland unbekannt. Die griechische Regierung bemüht sich nun, ein noch einmal abgeschwächtes Nachfolgegesetz zu schaffen. Damit soll sie auch das Problem der faulen Kredite endgültig lösen.

Prügel in der Chefetage

Derweil spielen sich in griechischen Banken abenteuerliche Szenen ab. Die Zeitung Proto Thema berichtete am Wochenende von einer Prügelei in der Chefetage der Attika-Bank. Grund war ein von einem Präsidiumsmitglied abgesegneter Kredit über 100.000 Euro.

Die Banken können erst wieder Kredite vergeben, wenn sie mindestens die Hälfte ihrer faulen Kredite aus ihren Büchern entfernt haben.

Das zypriotische Modell

Als Lösung aus dem Dilemma schwebt der griechischen Regierung nun die Schaffung einer Bad-Bank vor. Diese soll die faulen Kredite absorbieren. Darüber hinaus möchte der Staat den Kreditnehmern einen Abschlag bescheren und einen Teil der monatlichen Raten übernehmen, so wie es auch auf Zypern bereits praktiziert wurde.

Im Gegenzug sollen die mit diesem Programm auf eine Laufzeit von 25 Jahren ausgelegten Kredite auch zu Hypothekeneintragungen zu Gunsten des Staats führen. Das Procedere stößt auf zwei Probleme. Zum einen stellt es eine genehmigungspflichtige Finanzierung der griechischen Privatbanken durch den Staat dar. Dies dürfte den Wettbewerbshütern der Kommission nicht gefallen. Darüber hinaus kostet die erneute Bankenrettung Geld und somit neue Staatsschulden.

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