Die Zukunft des Geldes
Das alte Geld stirbt, das neue wird verschlüsselt, sicher, dezentral und nutzerfreundlich sein
No Future an den Finanzmärkten des alten Jahrtausends. Das Geld der Zukunft basiert auf Dezentralbanken und Open Source, ist frei konfigurierbar und jeder Nutzer darf an verschiedenen Systemen gleichzeitig teilnehmen.
Das alte Geld stirbt. Es war vorhersehbar, dass ein Wirtschaftssystem, dessen Zweck es nur noch war, Geld auf Geld zu häufen, irgendwann ein Problem bekommen musste: Wer glaubt schon, dass der Zweck des Wirtschaftens Geldmacherei ist? Geld kann man nicht essen, es leistet nichts, es ist ein bloßes Werkzeug. Der Glaube ans Geld bricht mit den Milliardenverlusten, die derzeit von Privatseite zum Staat verlagert werden. Und der Staat bricht mit seinen Schulden, noch nie seit Beginn des Google-Zeitalters war der Begriff „Staatsbankrott“ so populär.
Die Dematerialisierung des Geldes
Wir wissen, was die Erfindung von mp3 und Tauschbörsen mit der Musikindustrie angestellt hat. Die Entkoppelung der Musik von einem (Ton-)Träger erleichterte die Verteilung so sehr, dass die Industrie, die sich rund um die Verteilung entwickelt hatte, nicht mehr in diesen Maße benötigt wurde.
Man stelle sich vor, was mit der heutigen Bank- und Finanzbranche passieren würde, wenn deren Produkt dasselbe Schicksal ereilt: Wenn Geld digital handhabbar, dezentral verwaltbar und von jedermann machbar wäre – wer bräuchte dann noch Banken herkömmlicher Form?
Die Dematerialisierung des Geldes begann spätestens mit dem Vietnamkrieg, dessen Kosten die USA dazu zwangen, den Dollar vom Gold zu lösen. Seitdem ist Geld eigentlich nichts anderes als Bits und Bytes in einem Computer. Denken wir an Geld, so sehen wir vor unserem geistigen Auge meist die bunt bedruckten Scheine, aber wir alle wissen, dass man „mit Karte“ ebenfalls gut zahlen kann und die meisten Menschen nennen ein Konto ihr eigen.
Das heutige Geld ist eine Information. Das Geldsystem ist ein Informations- und Verrechnungssystem. Nichts liegt näher, als dieses Prinzip auf die moderne Informationsinfrastruktur zu übertragen: das Internet. Anarchisch, wie das Medium ist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis echte dezentrale Systeme es jedermann erlauben, eigenes Geld zu machen. Verschlüsselt, sicher, dezentral und nutzerfreundlich.
Geld ist eine Vereinbarung in einer Gemeinschaft, etwas als Zahlungsmittel zu nutzen – Geldmacher brauchen also nicht nur ein Softwaresystem sondern auch die Gemeinschaft von Menschen, die mit solch einem System untereinander verrechnet. Die ersten Entwürfe sind vorhanden: Ripple, Cyclos, ePointSystem, opencoin und so weiter.
Die Demokratisierung des Geldes
Parallel entsteht ein Prozess, der das Finanzsystem und damit das Wirtschaftssystem demokratisiert. Ein Prozess, in dem Macht transferiert wird, weg von wenigen großen Akteuren hin zu vielen kleinen Spielern. Mit einem internetbasierten, dezentralen Finanzsystem wäre jede Gruppe in der Lage, ihr eigenes Zahlungsmittel zu schöpfen und es den eigenen Vorstellungen entsprechend anzupassen. Jene, die von der Golddeckung nicht lassen können, wären frei, solch eine materielle Unterlegung ihres Geldes vorzunehmen, andere würden eine Energiedeckung vorziehen, wieder andere bauen auf den Warenkorb, den die Vielzahl der Akteure in das System einbringen.
Weltbürger könnten eine oder mehrere globale Währungen aufsetzen, regional orientierte Wirtschaftsakteure könnten sich für ein regionales System entscheiden. Jeder wäre frei, an einem oder mehreren Währungssystemen teilzunehmen, je nach weltanschaulichem oder ökonomischem Hintergrund. Und wir wären frei zu sagen: Wenn Schindluder mit einem System getrieben wird, wenn es Auswüchse gäbe oder zu krasse Reichtumskonzentrationen, wären wir frei und in der Lage, ein neues System nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Wir müssten nicht am alten hängen, weil es keine Alternativen gäbe, wir könnten jederzeit die eigene Alternative aufbauen und gestalten. Und die Nutzer des alten Systems spielen eben mit ihrem Geld und ihren Regeln weiter, wie weit auch immer sie damit kommen.
Da wir nicht wissen, wie „das ideale Geld“ aussieht und konstruiert ist, würde eine anfänglich enorme Vielfalt von Geldern einem gewissen Konzentrationsprozess unterliegen, in dem die einzelnen Systeme die kritische Masse an Teilnehmern gewinnen können – oder untergehen. Die Menge, Vielfalt und Leistungsfähigkeit derjenigen, die eine Währung akzeptieren, ist entscheidend für ihren Erfolg. Geld kann man bekanntlich nicht essen, weshalb es für jedes Geld entscheidend ist, was man dafür eigentlich kaufen kann.
„In God We Trust“
Geld ist Vertrauen. Spätestens seit der jüngsten Weltfinanzkrise wissen wir, wie wichtig Vertrauen für den Geldfluss ist. Die vor uns liegende Inflationsphase aller großen Währungen wird das Vertrauen in diese zumindest reduzieren, wenn nicht gar zerstören. Rational begründbar ist dies so: Viel zu viel Geld steht einem viel zu geringen Leistungsoutput gegenüber. Explodierende Preise sind die logische Folge, wenn dieses Geld nachfragewirksam wird, weil seine Besitzer merken, dass man es nicht essen kann.
Wie kommt Geld zu Vertrauen? Zum Beispiel durch Transparenz. Dem Gegenteil des Bankgeheimnisses. Denkbar wäre, dass Gemeinschaften füreinander nicht nur Statistiken über ihr System, sondern sogar Kontostände und Transaktionen offenlegen. Ein offenes Geldsystem würde natürlich auf OpenSource basieren.
Ein Bewertungssystems für abgeschlossene Transaktionen (eBay lässt grüßen), kann die individuelle Reputation der Akzeptanten abbilden. Durch Mitbestimmungsrechte der Geldnutzer, die via Internet vergleichsweise einfach realisierbar sind, wird Demokratie im Geldsystem möglich. Für die Zentralbanken dieser Welt ist Mitbestimmung bislang kein Thema. Eine Welt aus Dezentralbanken würde unsere Wirtschaftsweise reformieren.
Geld und Markt als planende Rechenmaschine
Wie würde sich unsere Wirtschaftsstruktur wohl selbst organisieren, wenn die Größe des Währungsraumes nicht zentral vorgegeben würde (wie dies beispielsweise bei der Euro-Einführung der Fall war), sondern wenn nebeneinander stehende oder sich überlappende Währungssysteme unterschiedlicher Größe geschaffen werden könnten, die sich bei Bedarf ausweiten oder deren Nutzungsgebiet auch schrumpfen könnte?
Im Informationszeitalter verschmelzen Geld und Markt miteinander, wenn sie nicht nur Informationen über Guthaben und Schulden, Zahlungs- und Leistungsflüsse sondern auch Angebote und Gesuche abbilden. Die unrealistische Annahme der Klassik und Neoklassik, der Wirtschaftsakteur verfüge jederzeit über „vollständige Information“ bezüglich Preisen, Angeboten und Gesuchen könnte durch neue Marksysteme zumindest technisch realistischer werden. Wenn bekannt ist, wer was braucht und wer was bietet, ist es schnell und einfach möglich, Angebote und Gesuche zusammenzuführen. Die Grenze zum „Plan“ weicht auf, wenn diese Zusammenführung durch Computerunterstützung realisiert wird - es wäre eine Marktmaschine denkbar, die von allen Wirtschaftsakteuren nur noch durch Informationen darüber gefüttert wird, was sie brauchen und anzubieten hätten.
In einer solchen Welt wäre Geld nicht mehr der limitierende Faktor. Davon ließe sich jederzeit genug machen. Der Flaschenhals der Wirtschaft wären Leistungsfähigkeit und Leistungswille der Wirtschaftsakteure sowie die Verfügbarkeit von Wissen, Kreativität und Ressourcen. Die Bedeutung des Geldes würde sinken, im Vordergrund stünde vermutlich eher die Verrechnung von Leistungen, nicht mehr das Sammeln von Geldeinheiten. Möglicherweise würde das Verrechnungsmittel durch die Verschmelzung mit Marktinformationssystemen gar nicht mehr so explizit auftauchen, wie wir es heute kennen und damit eine andere Utopie in die Welt des Möglichen bringen: Wirtschaft ohne Geld.