Die atomare Verlobung Frankreichs mit China und der Krieg in Mali
Frankreich versucht, seine Nukleartechnologie an China zu verkaufen, und steht mit dem Land in Konkurrenz, wenn es um Rohstoffe in Afrika geht
Die französische Regierung hat einer Zusammenarbeit zwischen dem Stromkonzern EDF, dem Atomspezialisten Areva und dem chinesischen Nuklearlieferanten CGNPC zugestimmt. Vorausgesetzt natürlich, dass kein technologischer Transfer an die Chinesen stattfindet. Derweilen geifern sowohl Frankreich wie China nach Uran. Abkommen hin oder her: Uran muss her!
Das Nuklearabkommen Frankreichs mit China hat in französischen Medien die Sorge hochkommen lassen, dass dieser geheimnisvolle Vorvertrag, von dem man kaum etwas weiß, zu viel Zugang zu französischen Kenntnissen in der Nukleartechnologie für China einräumen könnte. Die mediale Kritik wurde so laut, dass sie bis nach China vordrang und einen Staatsbesuch des Wirtschaftsministers Pierre Moscovici, Anfang Januar, reichlich kühl ablaufen ließ.
Frankreich versucht zur Zeit, seine Nukleartechnologie an China zu verkaufen, und hat unter Atomfan Präsident Hollande am 11. Januar in Mali einen Krieg gegen den Terrorismus eingeläutet. Anfangs verlief die Sache glorreich und Präsident Hollande, oberster Kriegsherr seines Zeichens, wurde nach erfolgreichen Einsätzen der französischen Streitkräfte Anfang Februar im vom "Terrorismus" bedrohten Mali von der Bevölkerung mit offenen Armen empfangen und sogar "Papa Hollande" gerufen. Dies sei der schönste Tag in seinem politischen Leben gewesen, meinte der französischen Präsident.
Dieser französische Krieg im Mali ist natürlich vorderhand ein Krieg gegen den Terror. Ein Krieg, der allerdings nicht ohne die Mithilfe Algeriens stattfinden könnte. Denn Algerien hat den französischen Kampfjets ein Überflugsrecht erteilt. Algerien hat übrigens seine Grenze zu Mali dicht gemacht und Tausende von Maliern können nun das Land nicht mehr verlassen. Als ob der Krieg und die Bedrohung durch die bewaffneten Islamisten nicht schon genug wären.
Derweilen melden sich auch die USA zu Wort: Der Krieg gegen den Terror ist diesseits des Atlantiks natürlich wohlbekannt. Vizepräsident Joe Biden hat die französische Intervention in Mali als entscheidend bezeichnet. Die Soldaten hätten Mut und beeindruckende Kompetenzen bewiesen. Die Amerikaner haben ihrerseits Drohnen in die umkämpfte Wüste entsandt.
Derzeit sind etwa 4.000 französische Soldaten in Mali in Einsatz. Die afrikanische Union, vor allem der Tschad, hat 4.300 Soldaten im Einsatz. Frankreich habe das Maximum seiner eingesetzten Streitkräfte erreicht, wie Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian angab. Der Minister wünscht sich eine progressive Übergabe der Streitkraft an die malische Armee, die es allerdings erst noch auszubilden gilt. In einigen Wochen solle Frankreich mit dem Rückzug des Militärs beginnen. Falls möglich, denn das Chaos, das in Mali herrscht (Gegenoffensive der Dschihadisten), lässt das nicht wirklich absehen.
Ein französischer General erklärte im Februar, dass die französische Armee "in einem verwundbaren Zustand" sei. Nachschub komme zu langsam, die Distanzen in Mali seien zu groß und die permanenten Attacken der Islamisten sollen die Armee geschwächt haben. Mittlerweile wurden bereits vier französische Soldaten getötet.
Präsident Hollande meinte Ende Februar trotzdem, dass für Frankreich nun die letzte Phase des Krieges beginne. Die letzte Phase? Mit Selbstmordattentaten und Entführungen von Franzosen durch islamistische Interristen in Westafrika scheint die letzte Phase noch nicht wirklich erreicht zu sein. Die islamistischen Fundamentalisten erklären in einem Video , dass die französischen Geiseln bedroht seien, so lange der militärischen Einsatz Frankreichs in Mali währt. Danach nicht? Versprochen?
Krieg gegen den Terror oder/und für das Uran?
Denn geht es in diesem Krieg doch für Frankreich nicht nur um die Bekämpfung der terrorisierenden Islamisten im Norden Malis und dem Schutz der Zivilbevölkerung, sondern höchstwahrscheinlich auch um die Bodenschätze der Sahelzone. Vor allem das Uran natürlich, ohne das die französische Nuklearriesen EDF und AREVA nicht auskommen könnten. Auch wenn sowohl Präsident Hollande wie auch die Atomunternehmen beschwören, dass Frankreich keine ökonomischen Interessen in Mali verfolge.
Laut AREVA sei in Mali nur schwer zugängliches Uran entdeckt worden, sprich uninteressant, angeblich. So uninteressant scheint wiederum die Sache mit dem malischen Uran nicht zu sein. Hat doch bereits das kanadische Minenunternehmen Rockgate ein Recht zur Exploration des unterirdischen Bodens von Mali erhalten. Vorläufigen Berechnungen des kanadischen Unternehmens zufolge soll Mali in der Region von Faléa 12.000 Tonnen Uran in seinem Untergrund bergen. Was vier Mal mehr Uran darstellen würde, als AREVA in seiner "Hausmine" im Niger, in Arlit, zu Tage fördert. Holde Atomträume?
Tatsache bleibt jedenfalls, dass im benachbarten Niger 2010 vier AREVA Mitarbeiter von AQMI in der Uranmine des Nuklearunternehmens verschleppt wurden und seither festgehalten werden. Die ehemalige US-Botschafterin in Mali, erklärte, dass Frankreich 17 Millionen Dollar Lösegeld für deren Befreiung bezahlt haben soll. Die französische Exekutive hat dieser Aussage der US-Botschafterin natürlich widersprochen. Niemals werde mit Geiselnehmern verhandelt, erklärte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian,
Geiseln des Urans
Insgesamt 8 französische Geiseln werden von AQMI im Sahelgebiet festgehalten. Dieses Wüstengebiet soll laut dem internationalen Politmedium "Courrier international" die neue Festung der Al-Qaida im Maghreb sein. Blöderweise stammt das so begehrte Uran aus eben diesem Gebiet. Führt Frankreich nun seinen Krieg im Mali auch für Areva?
Dem Unternehmen wird ein enges Verhältnis zum französischen Präsidenten nachgesagt. Wie man auf seinem Staatsbesuch in Indien wieder einmal feststellen konnte. Areva war mit von der Partie und konnte sechs EPR-Kernkraftwerke an Indien verkaufen.
Dieses "Naheverhältnis" Arevas zur Staatsführung gilt übrigens für alle französischen Präsidenten. Ob konservativ oder sozialdemokratisch - Areva weicht den französischen Präsidenten nicht von der Seite. Könnte der Krieg in Mali nun atomare Hintergedanken haben? Oder führt Frankreich seinen Krieg in der Sahelzone tatsächlich zum Schutz der malischen Bevölkerung, wie von der Exekutive so gerne behauptet wird ? Beides dürfte wohl der Fall sein.
Der Krieg kostete Frankreich schon Anfang Februar 70 Millionen Euro. Präsident Hollande konnte sich zumindest in den ersten Wochen mit der militärischen Intervention in Mali zum Kriegsherren aufplustern, so verkündete er am Anfang stolz: "Wir haben die Schlacht gewonnen!" Aber nicht den Krieg, wohlgemerkt. Der steckt mittlerweile in einer anderen, schwierigeren Phase.
Warnung! Finger weg vom französisch- chinesischen Abkommen!
Der französische Krieg gegen den Terror und wahrscheinlich auch für Areva und dessen Bedarf an Uran dürfte so schnell nicht zuende sein. Stammt doch ein großer Anteil des Urans, das die 58 französischen Nuklearreaktoren antreibt, aus der umkämpften Sahelzone. Aber nicht nur der ehemalige Kolonialherr Frankreich und nun auch Kanada beschaffen sich hier ihr wertvolles Uran: Nein, auch China, das trotz des geheimnisvollen Nuklearabkommens Frankreichs mit China, im Niger nichtsdestotrotz in direkte Konkurrenz mit Areva tritt. Chinesische Unternehmen hätten Konzessionen für das Schürfen nach Uran vom Niger erhalten. Damit ist laut afrikanischen Medien das Monopol Arevas auf das nigrerische Uran beendet worden. Kein Glück für Frankreich, das nun auch an der Uranfront herausgefordert wird.
China rät den Nigerianern ihr Uran besser zu verkaufen, denn das teure radioaktive Material würde der Niger an den französischen Konzern viel zu kostengünstig verkaufen. China darf nun nicht nur Uran, sondern auch Erdöl im Niger für sich beanspruchen. Im Gegenzug hat China 2008 die erste Raffinerie des Landes gebaut. Ob China allerdings das nigerische Uran besser bezahlen wird als das Unternehmen aus Frabkreich, sei dahingestellt. Areva hatte es offenbar mit der Angst zu tun bekommen und vorgeschlagen, 50 Prozent mehr für das nigerische Uran zu berappen.
Derweilen gehen abseits der Öffentlichkeit die Verhandlungen um das Nuklearabkommen Frankreichs mit China klammheimlich weiter. Wer soll sich da noch auskennen? Ein französisch-chinesisches Nuklearabkommen und gleichzeitige Konkurrenz um das Uran? Sichtlich ist es beiden Nationen mit dem Abkommen nicht so ernst. Hauptsache, es zahlt sich aus und man kommt ans Uran ran und kann seine Nukleartechnologie verkaufen.
China oder Frankreich? Wer wahrt das Geheimnis besser?
Der französische Konzern hat das mysteriöse Abkommen Anfang des Jahres zumindest einmal seine Gewerkschaft sehen lassen. Am Rande sei bemerkt, dass am 17.Dezember letzten Jahres eine Gewerkschafterin, die bei Areva beschäftigt war, in ihrem Heim von unbekannten Aggressoren überfallen wurde. Sie wurde vermummt, geknebelt und bekam Handschellen angelegt. Die Dame hatte sich offenbar zu sehr für dieses französisch-chinesische Nuklearabkommen interessiert.
Die unbekannten Aggressoren der glücklosen und offenbar zu neugierigen Gewerkschafterin hatten ein "A" auf den Körper der Areva-Gewerkschafterin gezeichnet. Eine Unterschrift und Warnung? Finger weg vom französisch-chinesischen Atomabkommen? Noch ist unklar wer hier seine seltsam-beängstigende Unterschrift hinterlassen hat. A wie Areva wäre doch zu offensichtlich. Oder ist eben diese Offensichtlichkeit der Trick, um Verwirrung zu stiften? Oder waren es Chinesen, um das rätselhafte Nuklearabkommen zu verteidigen? Die Polizei und die Geheimdienste haben sich zumindest nicht öffentlich zu diesem Angriff auf die Gewerkschafterin geäußert.
Die Gendarmerie ihrer Heimatstadt hat ein Verfahren eingeleitet. Auch im Falle dieser Aggression wird wohl kaum etwas ans Licht der Öffentlichweit dringen. Denn, wie man weiß, sobald die Atomkraft ins Spiel kommt, herrscht das Geheimnis. Wenn in diesem Fall schon nicht das Militärgeheimes, so gilt für dieses Abkommen zumindest das Wirtschaftsgeheimnis, wie eine Mitarbeiterin von Greenpeace, Spezialistin der Kernenergie, gegenüber Telepolis erklärte: "Wir wissen auch nicht mehr als die französischen Medien über dieses nukleare Abkommen mit China."
Es sei denn, dass ein EPR (nun umgetauft zu Evolutionary Power Reactor) dritter Generation mit einer Kapazität von 1.000 MW in China mit Hilfe Frankreichs gebaut werden soll, wie nun in den Medien zu lesen steht. In China komme die Angelegenheit um die Hälfte billiger als in der Mutternation der Radioaktivität (siehe Marie Curie), wie ein anderer Mitarbeiter der grünen NGO Telepolis gegenüber erklärte.
China zeigt Frankreich die kalte Schulter
Denn nicht nur die Gewerkschafterin, sondern auch die französischen Medien hatten sich offenbar zu kritisch und zu neugierig zum französisch-chinesischen Abkommen geäußert. Ein zu gewagter Technologietransfer wurde befürchtet. Vor allem das gewöhnlich gut informierte Satire- und Politmagazin Le Canard enchaîné hatte letzten Dezember davon berichtet, dass der EDF-Chef Henri Proglio Ende 2011 ein Abkommen mit dem chinesischen Kernenergiekonzern CGNPC (China Guangdong Nuclear Power Company) unterzeichnet hatte.
Das Abkommen wurde damals ohne Kenntnis Arevas unterzeichnet. 2011 hatte der Wirtschaftsminister Sarkozys, François Baroin, das Abkommen blockiert. Er kreidete einen zu großzügigen Technologietransfer nach China an. Oder wurde eher der Umstand kritisiert, dass der Konzern vom Abkommen ferngehalten wurde? Mit dem Machtwechsel in Frankreich sah es dann besser für das Abkommen der beiden Länder aus, denn der EDF-Chef Proglio kann mit den regierenden Sozialisten besser, als es bei der Vorgängerregierung der Fall war. Und dann wurde Areva doch noch an den französisch-chinesischen Verhandlungstisch eingeladen, von dem das Unternehmen seltsamerweise zuvor ferngehalten worden war. Mit der sozialistischen Machtübernahme scheint das nun kein Problem mehr zu sein.
Und die Beziehungen zwischen Frankreich und China, die ob der französischen Kritik der Medien an einem möglicherweise zu großzügigen Transfer des französischen nuklearen Know-Hows Anfang Januar merklich abkühlten - was Wirtschaftsminister Pierre Moscovici bei seinem Besuch in Peking deutlich zu spüren bekam?
Jedenfalls hat das Scharmützel letztlich dazu geführt, dass Areva dann doch zu den Verhandlungen eingeladen wurde. Was wiederum zum nächsten Konfliktfeld führte, weil sich das Unternehmen dann dazu entschloss, den Inhalt des geheimnisumwitterten Abkommens, wenn schon nicht den Medien, so zumindest seiner Gewerkschaft zukommen zu lassen.
Die Gewerkschafter waren nämlich ziemlich wütend darüber, vom Inhalt dieses Abkommens nicht auf dem Laufenden gehalten worden zu sein Es herrschte Sorge um die Arbeitsplätze. Denn die herrschenden Dumpingpreise in China könnten zurecht französische Arbeiter verunsichern, so hochqualifiziert sie auch sein mögen. Auch ein Kompetenztransfer von Frankreich nach China wurde befürchtet. Die Gewerkschafter hatten sogar den Geschäftsführer des Konzerns, Luc Oursel, mit einem Prozess gedroht, falls sie nicht den Text dieses sagenumwobenen Abkommens zu Gesicht bekämen, um die Folgen dieses Abkommens für die französische Nuklearindustrie analysieren zu können.
Derweilen gehen die nuklearen Ambitionen der Grande Nation munter weiter - China hin oder her, Frankreich investiert weiterhin in seine Nuklearunternehmen. Die Regierung hat 153 Millionen Euro locker gemacht, um in Unternehmen des Sektors investieren zu können. Die Nuklearbranche kennt offenbar keine Krise. Schon gar nicht in China: Medien berichteten davon, dass China nukleare Technologie "online verkaufen" würde und illegale Exporte damit betreibe.