Die erste Macht im Staate
Seite 2: Land der unbegrenzten Medien-Macht-Möglichkeiten
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Die Eigentumsstruktur der Massenmedien in den Vereinigten Staaten stellt hingegen das Paradebeispiel für einen Mediensektor dar, auf dem die Konzentrationsprozesse des Kapitals auf die Spitze getrieben wurden. Es sind nur noch sechs Mediengiganten, die rund 90 Prozent dessen kontrollieren, was die Menschen in den USA sehen, lesen oder hören - und diesen somit eine "Illusion der Wahlmöglichkeit" verschafften, meldete Business Insider Mitte 2012.
Die "großen Sechs" des amerikanischen Medienmarktes bestehen - in der Reihenfolge ihres Jahresumsatzes - aus Comcast/NBCU, The Walt Disney Company, News Corp., Viacom, CBS und Time Warner. Dabei handelt es sich auch hier um eine Verzerrung, da Viacom und CBS erst 2005 in formell unabhängige Unternehmen aufgesplittet wurden, aber weiterhin von Medienmogul Summer Redstone geführt werden. Ein Rückblick ins Jahr 1983 verschafft uns eine Ahnung der ungeheuren Konzentrationsprozesse auf den US-Medienmarkt in den vergangenen Jahrzehnten: Damals kontrollieren noch 50 unabhängige Medienkonzerne 90 Prozent des Marktes.
Diese marktbeherrschenden US-Konzerngiganten gehören mit ihren Jahresumsätzen zwischen 40 Milliarden Euro (Comcast) und 20 Milliarden Euro (Time Warner) auch zu den weltweit größten Medienunternehmen. Auf dieser Weltrangliste des Medienkapitals kommt erst auf Platz sieben mit Sony Entertainment ein japanischer Konzern. Auf Platz acht folgt der größte deutsche Medienriese, Bertelsmann (Umsatz 2012: 15,2 Milliarden Euro). Platz neun belegt das französische Unternehmen Vivendi.
Der drittgrößte europäische Medienkonzern, Lagardère Media, kommt mit einem Umsatz von 7,6 Milliarden Euro ebenfalls aus Frankreich und weist eine äußerst "praktische" Unternehmensstruktur auf. Neben zahlreichen Zeitungen, Verlagen, Fernsehkanälen und Radiostationen ist der Konzern auch in der Rüstungsindustrie aktiv: Lagardère Media hält 7,5 Prozent an dem Rüstungskonzern EADS. Eine dominante Rolle auf dem italienischen Medienmarkt spielt selbstverständlich Mediaset SpA (Nr. 29 auf der Weltrangliste), das Fernsehimperium des ehemaligen Ministerpräsidenten Berlusconi, in dem drei italienische und zwei spanische Fernsehsender vereinigt sind. Berlusconi besitzt überdies unter dem Dach seiner Holding Fininvest das größte Verlagshaus Italiens (Mondadori), die Filmproduktionsfirma Medusa und den Fußballklub A.C. Milan.
Muster für eine Welt-Medien-Macht: Murdoch
Die geballte Konzentration von Medienmacht ermöglicht die umfassende Formung der "öffentlichen Meinung". Diesen Machtfaktor kann wiederum kein Politiker ignorieren, der gewählt werden will. Bislang sind es zumeist die Chefs der "traditionellen" Medienkonzerne, die ihre Machtfülle einsetzten, um Kapitalinteressen durchzusetzen oder Politik zu machen.
Ein fast schon klischeehaftes Paradebeispiel für den machtgierigen und rücksichtslosen Medienmogul, der in der Politik die Puppen nach seiner Pfeife tanzen lässt, bietet der erzreaktionäre Milliardär und Boss der News Corp., Rupert Murdoch. Mit einem Umsatz von umgerechnet knapp 24 Milliarden Euro stellt das weitverzweigte Medienimperium Murdochs einen der wichtigsten Machtfaktoren bei der Formung der "öffentlichen Meinung" in den Vereinigten Staaten, in Australien und in Großbritannien dar. Die News Corp. publiziert weltweit 175 Zeitungen, inklusive der als "Meinungsführer" fungierenden Blätter "New York Post", "Wall Street Journal" und der "Times" (London). In den USA ist Murdoch mit 35 TV-Sendern präsent, die rund 40 Prozent des Landes abdecken. Das Flaggschiff seiner Kabelsender bildet der berüchtigte "Nachrichtensender" Fox-News, der eine zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus oszillierende Realsatire objektiver Berichterstattung darstellt, die selbst lockerste journalistische Mindeststandards mühelos unterschreitet. Zu jeder Nacht- oder Tageszeit sei "eine von fünf amerikanischen Familien" dabei, von der News Corp. produziertes Medienmaterial zu konsumieren, berichtete die Zeitschrift "Businessweek".
In Großbritannien besitzt Murdoch neben der "Times" mit der auflagenstärksten Boulevardzeitung "The Sun" das inzwischen einflussreichste Boulevard-Blatt der westlichen Welt, das mit durchschnittlich 2,9 Millionen verkauften Exemplaren eine größere Auflage als die deutsche Bild-Zeitung hat. Seine Dominanz im Pay-TV konnte die News Corp. 1990 mit dem Aufbau des Bezahlsenders BSkyB erringen, der 11 Millionen Haushalte im Vereinigten Königreich und Irland erreicht. Ähnlich gut aufgestellt sind Murdochs Bezahlsender in Deutschland (Sky Deutschland) und Italien (Sky Italia), wo sie ebenfalls die Marktführerschaft innehaben.
Rupert Murdoch hatte es sich schon früh zur Gewohnheit gemacht, die Medienmacht seines Konzerns zur Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen und Interessen zu missbrauchen, wie der ehemalige New Yorker Bürgermeister Ed Koch ausführte. Während des Bürgermeisterwahlkampfs von 1978, nur kurze Zeit nach dem Aufkauf der "New York Post", ließ Murdoch alle drei aussichtsreichen Kandidaten bei sich vorsprechen. Er befragte einen jeden Kandidaten, wie er die aufmüpfigen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst zu zerschlagen gedenke, die damals mit Streiks drohten.
"Ich habe gesagt, dass ich den Streik brechen würde. Wenn sie streiken, wird der Streik für illegal erklärt und sie werden verlieren", erinnerte sich Koch gegenüber dem Magazin "The New Yorker". Murdoch soll von diesem Zugeständnis "beeindruckt" gewesen sein, doch galt der als Law-and-Order-Populist auftretende Koch als ein Underdog im Rennen um das Bürgermeisteramt, dem gegen seine bekannten Kontrahenten kaum Chancen eingeräumt wurden. Dennoch erhielt Koch wenige Tage später einen Anruf von Murdoch, der ihm mitteilte, dass die New York Post eine Wahlempfehlung für ihn aussprechen und ihn im Wahlkampf unterstützen werde. Ed Koch, der über drei Amtsperioden bis 1989 den Bürgermeisterposten in New York okkupieren sollte, erinnerte sich noch an seine erste Reaktion auf diese Mitteilung des Medienmoguls: "Du hast mich gerade gewählt, Rupert."
Murdoch in Großbritannien
Mit der Expansion seines Medienimperiums wuchs auch der machtpolitische Ehrgeiz Murdochs immer weiter an. Aus den Bürgermeistern, die durch serviles Verhalten sein Wohlwollen erkaufen wollten, wurden Staatsoberhäupter und Regierungschefs. Der scheidende englische Ministerpräsident Tony Blair hat seine Beziehung zu Murdoch bei der 2006 gehaltenen Eröffnungsrede der alljährlichen Konferenz des Konzerns News Corp. folgendermaßen umrissen: "Rupert, als ich dich das erste Mal traf, war ich mir nicht sicher, ob ich dich mag, aber ich fürchtete dich. Jetzt, da die Tage meiner Wahlkämpfe vorbei sind, fürchte ich dich eigentlich nicht mehr, aber ich mag dich."
Auf diesen Konferenzen lässt Murdoch gerne die Eliten aus Politik und Kapital antanzen und einen "Erfahrungsaustausch" durchführen. Die hochrangige Gästeliste des Events im Jahr 2006 umfasste so einflussreiche Politiker wie Bill Clinton, John McCain, Al Gore, Arnold Schwarzenegger oder Shimon Peres, die dort in einen Austausch mit den Spitzenmanagern der News Corp. und anderen Größen des Medienbusiness traten. Die Lobhudelei Blairs gegenüber Murdoch ist nur aus Augenzeugenberichten überliefert, da während der gesamten Konferenz dieses Meinungsmachers der unabhängigen Presse der Zutritt verwehrt wurde und die dort gehaltenen Gespräche zwischen Kapital und Politik nicht aufgezeichnet werden durften.
Dabei gaben auch die häufigen privaten Besuche Murdochs in der Downing Street Nr. 10, in der Residenz des Ministerpräsidenten Blair, Auskunft über die innige Freundschaft zwischen Medienmogul und Regierungschef. Murdochs Massenmedien wirkten sei 1980 als wichtige Unterstützer der Konservativen unter der "eisernen Lady" Margaret Thatcher, die den neoliberalen Umbau der britischen Gesellschaft mit aller Gewalt durchsetzte. Es gilt unter Beobachtern beispielsweise als gesichert, dass es die wütenden Attacken der Murdoch-Presse waren, die 1992 den unterwarteten Sieg der Konservativen unter dem Thatcher-Nachfolger John Mayor gegen Labour unter Neil Kinnock ermöglichten. Murdochs Revolverblatt "The Sun" titelte etwa am Wahltag: "Wenn Kinnock heute gewinnt, soll die letzte Person, die Großbritannien verlässt, bitte das Licht ausmachen." Erst diese Niederlage der britischen Sozialisten machte den Weg frei für Tony Blair, der Labour ab 1994 einer umfassenden neoliberalen Transformation unterzog - und somit faktisch diese Partei als eine sozialistische oder als eine den Gewerkschaften verbundene Arbeiterpartei abschaffte.
Neokoloniale Welle
Nach einem ersten Treffen zwischen Blair und Murdoch im September 1994, bei dem der neue Labour-Chef dem Medienmogul versicherte, unter seiner Regierung die Mediengesetze nicht zu ändern, fand die entscheidende Zusammenkunft 1995 bei der News Corp-Konferenz statt. Hier habe Blair sich als einen "radikalen Modernisierer" dargestellt, der das Erbe von Margaret Thatcher antreten werde, schrieb der ehemalige "Sunday Times"-Chefredakteur Andrew Neil in seinen Memoiren. Gegen Ende 1995 hätten "Murdochs Chefredakteure kaum Zweifel gehabt, dass Blair ihr Mann ist", so Neil. Bei den Wahlen 1997 stützen dessen Massenblätter "The Sun" und "News of the World" den Vorsitzenden von "New Labour", der prompt den Urnengang für sich entscheiden konnte.
In den Vereinigten Staaten gehörte Murdoch zu den fanatischsten Anhängern und Unterstützern des neoliberalen Präsidenten Ronald Reagan, um sich später von dessen Nachfolger George H. W. Bush zu distanzieren, der ihm aufgrund einiger Steuererhöhungen suspekt wurde - und der schließlich die Wahlen gegen Bill Clinton verlor. Während der Regierungszeit der Clinton-Administration unterstützte Murdoch den rechten, zum Extremismus tendierenden Flügel der Republikaner, wie etwa den damaligen Clinton-Gegenspieler und Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich. Zudem hob die News Corp. 1995 die neokonservative Zeitschrift "Weekly Standard" aus der Taufe, die zum publizistischen Sprachrohr der Neocons avancierte, die während der Regentschaft des republikanischen Präsidenten George W. Bushs (des Sohns von George H. W. Bush) zu der einflussreichsten politischen Kraft in Washington aufstiegen und maßgeblich den Angriffskrieg der USA gegen den Irak forcierten.