Die kleinen Dinge des griechischen Alltags
Einzelheiten aus dem politischen und wirtschaftliche Leben
Im Alltag Griechenlands gibt es nicht nur die großen Themen über Premierminister Alexis Tsipras und seinen wundersamen Wandel vom radikalen Linken zum neoliberalen Realpolitiker. Es sind aber die kleinen Dinge des täglichen Lebens, welche das politische und wirtschaftliche Leben im Land bestimmen. Manche sind aber auch nur lustig - bei anderen bleibt das Lachen im Hals stecken.
Betrunkener Priester randaliert
In Heraklion auf Kreta fiel einer Polizeistreife ein Geisterfahrer auf. Ein Pickup-Transporter raste durch die Straße 1821 und die Dikaiosynis Avenue. Offenbar touchierte der Fahrer mit seinem Auto auch weitere Autos, schenkte den Unfällen jedoch keiner weitere Beachtung, sondern fuhr einfach weiter bis ihn die Motorradpolizisten der DIAS-Streife endlich stoppen konnten.
Die Beamten staunten nicht schlecht, als sie einen augenscheinlich schwer angetrunkenen, orthodoxen Geistlichen aussteigen sahen. Der Priester verhielt sich zunächst kooperativ. Auf der Wache stellte sich schließlich heraus, dass er so viel Alkohol konsumiert hatte, dass er nicht einmal wusste, in welcher Stadt er sich befand.
Ein Verwandter wurde informiert, um den Betrunkenen abzuholen. Kurz vor dem Verlassen des Polizeipräsidiums erfuhr der Priester zufällig beim Gespräch der Polizisten mit dem Verwandten, die ihm vorgeworfenen Vergehen. Er erboste sich darüber so sehr, dass er dem Katalog noch einige weitere Straftaten zufügte. Der Seelsorger stieß reihenweise unheilige Flüche aus, biss einen der Beamten in die Hand und streckte einen weiteren mit einem kräftigen Faustschlag ins Gesicht nieder.
Zum Fahren unter Alkoholeinfluss, Störung der Verkehrssicherheit, Unfallflucht und Fahren entgegen der Fahrtrichtung kommt nun Beamtenbeleidigung, Beamtenbedrohung, Widerstand und Körperverletzung. Der Priester wird voraussichtlich am Dienstagvormittag von einem Schnellgericht verurteilt.
Polizeischutz für Gewerkschaftsbonzen
Gewerkschaften und Kriminalpolizisten, dass ist in Griechenland, in dem die Erinnerungen an die Militärdiktatur (1967-74) noch relativ frisch sind, ein Reizthema. Schließlich wurden Gewerkschaftler nach dem zweiten Weltkrieg bis in achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts offiziell vom Staatschutz überwacht und Akten wurden angelegt.
Grund war die Angst der Herrschenden vor "kommunistischen Einflüssen". Inoffiziell haben die Beobachtungen nie aufgehört. Am vergangenen Donnerstag wurde in Thessaloniki bei einer Tagung der kommunistischen Gewerkschaft PAME ein Kriminalpolizist enttarnt. Er hatte versucht, sich als Arbeiter einzuschleichen.
Im Widerspruch zum allgemeinen Aufschrei der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer steht jedoch das Anliegen der Bonzen der allgemeinen Angestelltengewerkschaft GSEE. Diese hat sich in den Augen der Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren unter der aktuellen Führung immer offener zu einer sparkurs- und regierungsfreundlichen Organisation gewandelt. Die großen Streiks der ersten Krisenjahre und der Widerstand gegen den Sparkurs wurden auch durch das Wirken der Gewerkschaftsführung der GSEE entscheidend begrenzt.
Die Führung der GSEE hat in der vergangenen Woche bei einem Treffen mit der politischen Führung des Ministeriums für Bürgerschutz nach Polizeischutz für die Veranstaltungen der Gewerkschaftsführung verlangt.
Kein Aufzug in der Polizeiwache
Eine 65-jährige Bewohnerin des Athener Stadtteils Kypseli war Opfer von Trickbetrügern geworden. Diese hatten sich unter dem Vorwand, sie seien vom Elektrizitätsunternehmen, Einlass in ihre Wohnung verschafft. Einmal in der Wohnung, raubten sie die Dame aus. Sie sahen davon ab, auf ihr Opfer einzuschlagen, offenbar auch weil die Herzkrankheit der Frau und die daraus resultierende Schwäche auf dem ersten Blick für jeden aufmerksamen Beobachter erkennbar sind.
Die Dame suchte nach dem Überfall die Polizeiwache von Kypseli auf. Dort erfuhr sie, dass sie kein Einzelfall ist. Die Polizisten erklärten ihr, dass sie schon lange hinter der Bande her sind. Die Dame, hatte die Täter lange genug gesehen und konnte sie gut beschreiben.
Daher wurde die Frau aufgefordert, sich in den vierten Stock zu begeben, um dort ihre Beschreibung zu Protokoll zu geben. Es gab jedoch ein Problem, der Aufzug der Polizeiwache ist außer Betrieb. Er wird aus Gründen des Sparzwangs erst im März 2019 repariert. Der Verweis auf ihre angegriffene Gesundheit half der Frau nicht, sie musste zur Erfüllung ihrer Bürgerpflicht die vier Stockwerke hoch gehen.
Der Minister und der Taxifürst
Am vergangenen Donnerstag stand in Athen mit Thymios Lyberopoulos, der "König der Taxifahrer", der Chef des Taxifahrerverbands vor Gericht. Lymberopoulos hatte die Firma Taxi-Beat öffentlich der Steuerhinterziehung bezichtigt. Taxi-Beat, ein mittlerweile von Daimler-Benz aufgekauftes griechisches Start-Up Unternehmen hatte daher Verleumdungsklage eingereicht.
Zu Lyberopoulos - "ich repräsentiere 80.000 Wählerstimmen" - Hilfe war Infrastrukturminister Christos Spirtzis als Entlastungzeuge zum Verfahren gekommen. Drei Stunden harrte der ansonsten viel beschäftigte Minister vor Ort aus. Zu den Unterstützern Lyberopoulos gehörten zudem der frühere Syriza-Vizefinanzminister Tryfon Alexiadis und der Syriza-Abgeordnete Thanassis Papachristopoulos. Über Twitter hatte zudem Verteidigungsminister Panos Kammenos seine Solidarität mit Lyberopoulos beschworen.
Beweise für die Steuerhinterziehung konnte jedoch niemand vorlegen. Taxi-Beat ist eine Anwendung für Smartphones, mit der Bürger ein in ihrer Nähe befindliches Taxi für eine Fahrt buchen können, oder aber zu einem bestimmten Termin ein Taxi bestellen können. Dabei haben sie auch die Möglichkeit die Taxifahrer und den gebotenen Service zu bewerten. Um teilzunehmen, müssen sich Kunden und Taxifahrer schlicht mit der Anwendung und ihrem Mobiltelefon registrieren.
Lyberopoulos hingegen ist Anhänger der griechischen Tradition - die Kunden müssen ein auf der Straße vorbeifahrendes Taxi anhalten.
Die Straßen in Athen und die wenigen Taxistände sind ein von den Taxifahrern kontrolliertes Revier. Taxi-Beat stört den bisherigen Verteilungsmodus. Die Ansicht des Ministers zum Start-Up lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass er in Taxi-Beat ein Großunternehmen sei und die Taxifahrer Angestellte.
Diese Argumentationskette lässt sich nur schwerlich mit dem ansonsten von der Registrierung gepredigten Aufruf an Start-Ups und ausländische Investoren, ins Land zu investieren, vereinbaren.
Die Schildbürgerstreiche
Praxisnahe Schulausbildung bereitet für ein Berufsleben vor. Diese Binsenweisheit wollte eine Schule in Nea Moudania auf der Halbinsel Chalkidiki in die Praxis umsetzen. Die Schüler sollten in einem von ihnen verwalteten Gemüsegarten lernen, wie Landwirtschaft funktioniert. 2017 starteten 45 Schüler das Projekt. Sie bauten zwei kleine Gewächshäuser an den Rand des Schulhofs und zogen dort Tomaten, Zwiebel, Rüben, Möhren, Rote Beete und weiteres Gemüse hoch. Die begeisterten Schüler wollten für ihr Projekt ein Bankkonto eröffnen. Ein Fehler!
Denn dies brachte die Steuerfahndung auf den Plan. Die Schüler mussten eine Steuernummer beantragen, eine Steuererklärung abgeben und bekamen die Rechnung. 800 Euro Freiberuflerabgabe sind jährlich für das Projekt fällig. Denn Schulprojekte sind in den Steuergesetzen nicht vorgesehen. Die Anmeldung des Projekts wurde von der Steuerverwaltung als landwirtschaftliche Genossenschaft eingestuft.
Weil die Schüler selbst bei Verkauf ihrer kompletten Ernte kaum 200 Euro jährlich erwirtschaften könnten, sah sich die Schulleitung gezwungen, das Projekt abzubrechen.
An anderer Stelle ist der Staat weniger kleinlich mit seinen Einnahmen. Die Verpachtung des Athener Großflughafens Eleftherios Venizelos für weitere zwanzig Jahre war von der griechischen Treuhand für 483 Millionen Euro abgewickelt worden. Die Regierung feierte die Einnahmen, bis die EU-Wettbewerbskommission eingriff.
Mehr oder weniger freiwillig zahlte der Vertragspartner zur Besänftigung der Kommission nun 1,115 Milliarden Euro. Der Fall wurde Anfang Herbst 2018 öffentlich bekannt. Bislang gab es wegen der offensichtlichen Veruntreuung durch Verpachtung unter Wert keinerlei hochrangige personelle Konsequenzen.