Die magische Kugel des Allen Dulles

Seite 3: Cover Up

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Als die Schüsse von Dallas fielen, befand sich Dulles auf einer Promotiontour für sein Buch The Craft of Intelligence. Nachdem er offiziell von den Ereignissen hörte, fuhr Dulles auf die "Farm", die u.a. als Basis für Black Ops und als Kommandozentrale diente. Dort blieb er bis zum 24. November. Innerhalb dieser Zeit war als offizieller Attentäter ein Lee Harvey Oswald ausgerufen worden, der (für einen Überzeugungstäter ungewöhnlich) seine Unschuld beteuerte und dann selbst niedergeschossen wurde. Die Leiche des Präsidenten war in einem Marinehospital ein zweites Mal obduziert worden, diesmal unter Militäraufsicht. Die Ärzte der ursprünglichen Obduktion in Dallas, die frontale Einschüsse verzeichnet hatten, schworen ihrer Diagnose ab, da inzwischen die Leiche zum Tatort zu passen schien. Mit dem offiziellen Narrativ hatte sich für viele damit der Fall erledigt - nicht für alle.

Polaroid-Aufnahme vom Attentat. Bild: Mary Ann Moorman/gemeinfrei

Nach dem Attentat meldeten sich die beiden Ex-Präsidenten Eisenhower und Truman zu Wort. Vor allem Truman hatte sich nicht vorstellen können, dass sich die CIA in Friedenszeiten an Mantel- und Degenaktionen beteiligte. Alleinige Aufgabe der CIA sei das Sammeln von Informationen. Es sei höchste Zeit, diese Entwicklung zu korrigieren. Dulles konterte und berief sich auf die Truman-Doktrin. Während die US-Zeitungen ansonsten auf Linie blieben, wurde im Ausland insbesondere die Täterschaft des "Kommunisten" Oswald bezweifelt. In Italien, wo viele Weltkriegsveteranen mit den Unzulänglichkeiten des primitiven Mannlicher-Carcano-Gewehrs vertraut waren, mochte man nicht glauben, dass Oswald innerhalb von sechs Sekunden zweimal nachgeladen und dann auf Entfernung den Blattschuss gemeistert hatte.

Warren-Report

Als Opportunist Johnson eine unter Richter Earl Warren agierende politische Kommission zur Untersuchung des Attentats zusammenstellte, litten etliche Mitglieder an Interessenkonflikten. Etwa der rassistische Hardliner John McCloy, der als Anwalt für die Rockefellers und später für die ultrarechten texanischen Ölmilliardäre Murchison und Richardson tätig war. Ein weiteres Mitglied war der Republikaner Gerald Ford, der 1969 selbst Vize-Präsident werden sollte und nach Nixons Rücktritt ins höchste Staatsamt aufrückte.

U.a. Dulles früherer Stellvertreter Richard Helms brachte Johnson dazu, auch den Ruheständler Dulles persönlich zu rekrutieren. Dulles dominierte den Ausschuss und blockierte jegliche Spurensuche in Richtung CIA. Aus dem (beim besten Willen nicht zu einem Einzeltäter aus der Schussposition des Schulbuchverlags passenden) Spurenbild zauberte Dulles die absurde Theorie von der Magischen Kugel. Ford und Dulles leakten ihre Versionen vorab an die Presse, um den Spin zu kontrollieren.

Doch selbst Dulles Nachfolger McCone ging von mindestens zwei Schützen aus. Angesprochen auf die Lücken in der Geschichte kommentierte Dulles, das amerikanische Volk lese nicht. Die Agency wendete beachtliche Energie auf, um Kritiker wie Mark Lane oder Bezirksstaatsanwalt Jim Garrison mit Schmutzkampagnen zu diskreditieren und mundtot zu machen. Zur Stigmatisierung entwickelte die CIA den psychologisch wirkungsvollen Kampfbegriff conspiracy theory, deutsch Verschwörungstheorie.

Robert Kennedy

Robert Kennedy hatte von Anfang an die CIA im Verdacht. Aus Gründen der Staatsraison hielt er sich öffentlich zurück, zumal ihn FBI-Chef Hoover inzwischen kurz hielt. Doch seine eigene Kandidatur für das Präsidentenamt ließ wenig Zweifel daran, dass er den Fall erneut aufrollen würde. Während einer Wahlkampfveranstaltung wurde Robert Kennedy 1968 ebenfalls erschossen. So wurden 13 Kugeln abgefeuert, obwohl die Waffe des angeblichen Alleintäters nur Kapazität für acht Geschosse hatte. Der angebliche Alleintäter hat bis heute keine Erklärung für sein Handeln, was an die Pläne von MKUltra erinnert. Der tödliche Kopfschuss kam wie beim Bruder von hinten. Manche wollten u.a. CIA-Killer Morales am Tatort ausgemacht haben.

Rockefeller-Commission

Nachdem im Zuge des Church-Komitees 1975 die Mordprogramme der CIA bekannt wurden, sollte der Kennedy-Mord erneut überprüft werden. Präsident Ford, der selbst am Warren-Report mitgewirkt hatte, besetzte die Kommission ausgerechnet mit Dillon, dessen Secret Service so eigenartig versagt hatte. Als Chairman wählte Ford Kennedys Erzfeind Nelson Rockefeller, der inzwischen zum Vizepräsidenten aufgestiegen war. Zudem berief Ford auch den im Ruhestand befindlichen General Lyman Louis Lemnitzer - den einst ranghöchsten Soldaten, der den Kalten Krieg mit einem überraschenden Nuklearangriff auf die Sowjetunion und China krönen wollte, die Pläne zur Operation Northwoods unterschrieb und an Kennedy gescheitert war. Die Herren fanden den Warren-Report überzeugend.

Des Teufels Schachbrett

David Talbot bietet in seinem aufwändig recherchierten Buch nachvollziehbare Indizien dafür, dass das Establishment der Milliardäre wie die Rockefellers den Ausschlag zur Beseitigung des lästigen Präsidenten gab. Allen Dulles war praktisch der einzige Mann, der das Format und die Verbindungen hatte, um einen solchen Coup d‘Etat und dessen politische Auswirkungen sowie Vertuschung zu konzipieren und zu steuern. Zur Vorbereitung des Anschlags stand der erfahrene Killer William King Harvey bereit. Manche wollen in den drei Tramps in Dallas mit den für Penner dann doch etwas zu guten Schuhen in Wirklichkeit Howard Hunt, Frank Sturgis und vielleicht sogar Edward Lansdale erkannt haben, die den jeweiligen Schützen das Kommando gaben. Die verräterischste Fehlspur ist die Biographie des angeblichen Alleintäters Oswald, die in nahezu jedem Detail in Richtung CIA weist.

Ein ungewöhnlicher Plan wie das Manipulieren einer Leiche zum Legen von Fehlspuren passt zu den Desinformationsspezialisten Cord Meyer und James Jesus Angleton. Das offenbar von langer Hand vorbereitete Verbringen von Kennedys Leiche durch die Air Force zur illegalen zweiten Obduktion im Marinekrankenhaus sowie die eklatante Nachlässigkeit des Secret Service waren nur mit Verbindungen in höchste Staatskreise möglich, über die etwa die oft verdächtigte Mafia so nicht verfügte. Am auffälligsten aber ist der Umstand, dass der Staat mit der Aufklärung ausgerechnet die Hauptverdächtigen und Nutznießer des Verbrechens befasste. Das nachträgliche Vertuschen war Chefsache.

Nach dem JFK Act vom 26.10.1992 sollen am 26.10.2017 1.100 noch gesperrte Dokumente zum Kennedy-Attentat freigegeben werden.

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