Die magische Kugel des Allen Dulles

Seite 2: Kalte Krieger

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Um seine Ziele zu erreichen, war Dulles jedes Mittel recht. Zu den düstersten Kapiteln der CIA zählt das auf Dulles zurückgehende Projekt MKUltra, mit dem man über Drogen und Gehirnwäsche Menschen u.a. zu willenlosen Attentätern manipulieren wollte. Bei der verdeckten Finanzierung nicht nur dieser Operation waren die gleichfalls spionagebegeisterten Rockefellers behilflich, mit denen die Dulles-Brüder eng befreundet waren.

Ein weiterer wichtiger CIA-Partner war Milliardär Howard Hughes, der etwa die Spionagesatelliten baute und später das Azorian Project realisierte. Eines der erfolgreichsten Projekte wie der ultrageheime Höhenaufklärer U2 führte jedoch zu einer harten Blamage. So war der Pilot Gary Powers über der Sowjetunion abgeschossen worden, obwohl Eisenhower die völkerrechtswidrigen Spionageflüge inzwischen untersagt hatte. Die so provozierte Absage des Pariser Friedensgipfels dürfte dem Kalten Krieger durchaus willkommen gewesen sein.

Regime Changes

Dulles war spätestens seit seinen Kontakten zum deutschen Widerstand gegen Hitler mit Staatsstreichen befasst. Der Schattenmann schlug ein Sniper-Attentat (!) auf Stalin in Paris vor und wollte die chinesische Regierung durch einen Flugzeugabsturz beseitigen, was ihm Eisenhower versagte. In den 1950er Jahren wahrte Dulles die Interessen der von Sullivan&Cromwell vertretenen United Fruit Company, die praktisch die gesamte Wirtschaft Guatemalas kontrollierte und vertrieb durch einen von der CIA inszenierten Putsch den gewählten Präsidenten Jacobo Árbenz Guzmán. Für seine persönlichen Mandanten Mohammad Reza Schah Pahlavi und die mit den USA eng kooperierende britische Ölindustrie, organisierte er im Iran den Sturz der Regierung Mossadegh.

Während die CIA das Putschen stets den von ihr angeleiteten und aufgerüsteten ausländischen Partnern überließ, beschäftigte sie auch ein eigenes Spezialkommando für Black Ops wie Liquidation von missliebigen Personen. Von der Existenz dieses "Secret Teams" berichtete 1975 der Militärgeheimdienstler L. Fletcher Prouty, Vorbild für die Figur des Mister X im Spielfilm JFK.

Der bislang größte Regime Change der CIA war 1961 für Kuba vorgesehen. Der anfangs von der CIA begeisterte Kennedy hatte von seinem Vorgänger die fortgeschrittenen Pläne zur Geheiminvasion in der Schweinebucht geerbt. Tausenden Exilkubaner sollten unter CIA-Regie auf Kuba anlanden und als neue Regierung die USA gegen Castro-treue Kräfte um Hilfe rufen.

Um den Angriffszeitpunkt der bereits durchgesickerten Operation zu verschleiern, fuhr Dulles mit seiner Familie auf Reisen. Als ihm die Nachricht von den Problemen überbracht wurde, zeigte er nicht die geringste Überraschung. Tatsächlich war den Strategen klar gewesen, dass der Plan nur bei Luftunterstützung durch das Militär Erfolgsaussichten hatte. Ihre Erwartung, Kennedy würde den Angriff durch US-Militär nicht versagen, ging nicht auf und besiegelte das Schicksal der Operation, die (aus patriotischer Sicht) der Nation die größte Schande aller Zeiten bereitete.

Am 28. November 28 1961 erhielt Dulles die National Security Medal von Präsident Kennedy. Bild: gemeinfrei

Schatten-CIA

Der für das Debakel verantwortlich gemachte Dulles erhielt für seinen unumgänglichen Abgang eine Schamfrist, in der er für das neu gebaute CIA-Gebäude einen Hausherrn suchen durfte. Der 69jährige Dulles präsentierte schließlich den in der Branche unerfahrenen Rüstungsunternehmer John McCone, dem er die Familiengeheimnisse der Agency (wie etwa die Mordaktionen) verschwieg. Tatsächlich wurde McCone in erster Linie von Dulles benutzt, während Dulles‘ Stellvertreter Richard Helms weiterhin die Kontrolle behielt.

Intrigant Dulles hatte nicht die Absicht, sein Lebenswerk anderen zu überlassen. Fortan leitete er die Firma heimlich aus seinem Privathaus, wo er regelmäßig seine Getreuen empfing. Außerdem nutzte er eine verdeckte Zentrale im geheimen Stützpunkt Camp Peary. Das in einem militärischen Sperrgebiet in Virginia gelegene Objekt fungierte auch als Basis für Black Ops wie das Festhalten und Verhören von Gegnern. In seiner Eigenschaft als CIA-Ausbildungszentrum wurde es als "die Farm" bekannt.

Kennedys Haltung während der Kubakrise sowie die Beschneidung von Militär und Geheimdiensten brachte die politische Klasse in Rage. Von Kennedys Steuerplänen waren insbesondere die Vertreter der Öl- und Stahlindustrie nicht erbaut. Der im Staat deutlich besser verdrahtete Nelson Rockefeller, der ebenfalls Interesse am Präsidentenamt hatte und später Fords Vizepräsident wurde, griff Kennedy an. Der geschworene Kennedy-Hasser General LeMay, der später ebenfalls für das Weiße Haus kandidierte, beklagte Kennedys fehlende Entschlossenheit, die das Land gegenüber der Sowjetunion schwäche. CIA-Planer James Jesus Angleton beunruhigten Kennedys Frauenaffären. Die letzte Freundin des Präsidenten war ausgerechnet Mary Meyer gewesen, die Ex-Frau des CIA-Desinformationsspezialisten Cord Meyer.

Mit Argwohn verfolgte die CIA Kennedys Italienreise im Herbst 1963, auf der sich der Präsident mit dem Christdemokraten Aldo Moro traf. Obwohl die italienischen Christdemokraten von der CIA großzügig finanziert worden waren, wollte Moro mit den Sozialisten koalieren, was Kennedy zum Entsetzen der CIA billigte. Der neue CIA-Stationschef in Rom war einer der heißspornigsten Kennedy-Feinde überhaupt.

William King Harvey

Draufgänger William King Harvey war Leiter des Secret Teams für Mordanschläge gewesen. In der Geheimdienstwelt hatte er sich mit dem Bau des Berliner Spionagetunnels und der Enttarnung des Doppelagenten Kim Philby einen Namen gemacht. Dem von Dulles zum Idol für Agenten aufgebauten Harvey unterstand die in jedem Geheimdienst prestigeträchtige Abhörabteilung, zudem strebte er die Zuständigkeit für den Hauptfeind Sowjetunion an.

Harvey hatte auch den europäischen Killer rekrutiert, der Patrice Lumumba tötete. Nach der kubanischen Revolution nahm Harvey bereits 1961 Kontakt zur US-Mafia auf, die den gemeinsamen Gegner Fidel Castro beseitigen sollte - ohne Wissen des Präsidenten. Harvey sandte hinter dem Rücken der Kennedys sogar noch auf dem Höhepunkt der Kubakrise subversive Teams auf die Insel, um Fidel Castros Regime zu destabilisieren.

Als der hiervon entsetzte Robert Kennedy diese Provokation kritisierte, beschimpfte ihn der als trinkfreudig bekannte Harvey in respektloser Weise. Kurz darauf wurde Harvey trotz fehlender Sprachkenntnisse auf den CIA-Posten nach Rom strafversetzt. Dort pflegte er Kontakte zur italienischen und korsischen Mafia, die über fähige Auftragskiller verfügte. Außerdem war er als CIA-Stationschef der Verbindungsmann für eine paramilitärische Geheimarmee, die 1990 als Gladio bekannt werden sollte. Als der Schattenmann vor dem Church-Komitee aussagen musste, beteuerte er, stets nur auf Befehl von oben gehandelt zu haben - was durchaus zutreffen kann, soweit es Dulles betrifft.

Rauhbein Harvey blieb sich treu. Als etwa dessen Mitarbeiter Wyatt gegen eine Rekrutierung von Mafiosi zur Liquidierung von Kommunisten protestierte, richtete Harvey seine Waffe auf den eigenen CIA-Mann. 1967 war Harvey in die Putschpläne des rechtsgerichteten Geheimdienst- und Carabinieri-Chefs General de Lorenzo involviert. 1978 wurde Moro von Personen aus dem Gladio-Umfeld liquidiert.

Durch Zufall bemerkte Wyatt, dass sein Chef im November 1963 nach Dallas reiste und sich über den Anlass ausschwieg. Am Tag des Kennedy-Attentats weilte der grobschlächtige Harvey jedoch wieder in Rom und hatte damit ein Alibi. Als das parlamentarische House Assassinations Committee ab 1976 die Morde an Martin Luther King und den Kennedys erneut untersuchte und Harvey des Mordes an Kennedy verdächtigte, verweigerte die CIA die Herausgabe von Harveys Reiseunterlagen. Während 99% der Akten zum Kennedy-Attentat freigegeben wurden, stehen Harveys Reisedokumente bis heute unter Verschluss.

Dallas Cowboys

Auch Allen Dulles bewegte sich vor dem Attentat in Texas, wo Sullivan&Cromwell sowohl die Ölindustrie als auch die Politik beriet - etwa den Bürgermeister von Dallas, Earle Cabell. Dessen Bruder General Charles Cabell war Deputy Director der CIA gewesen, bis ihn Kennedy nach dem Fiasko in der Schweinebucht rauswarf. In den zum Rassismus tendierenden Südstaaten war Kennedy ohnehin verhasst. Der rechtsgerichtete Herausgeber der Dallas Morning News, Ted Dealey (nach dessen Familie die Dealey Plaza benannt ist), hatte Kennedy zu einer härteren Linie gegen die Sowjets aufgefordert. Die Ölindustrie war vom texanischen Vize-Präsident Johnson enttäuscht, weil dieser deren Interessen nicht ausreichend vertrat und wegen einem Korruptionsskandal als lame duck galt. Dulles besuchte nachweislich auch Johnson auf dessen Ranch, obwohl er das Treffen nicht in seinem Terminkalender vermerkte. Beim Attentat dürfte der angeschlagene Johnson allerdings allenfalls Zaungast gewesen sein.

Einen Monat vor dem 22.11.1963 traf sich Dulles mit dem befreundeten Investmentbanker C. Douglas Dillon, auf dessen Anwesen sein todkranker Bruder John Foster seinen Lebensabend verbracht hatte. Als Finanzminister war Dillon der Secret Service unterstellt, der neben dem Schutz der Währung auch für die Sicherheit des Präsidenten zuständig ist. Während der Tatzeit befand sich Dillon auf einer einwöchigen Reise, so dass er nicht für die nachlässige Sicherheit verantwortlich gemacht werden konnte. Bis heute ist unklar, wer den Sicherheitsleuten befahl, von ihren Trittsteigen an der Präsidentenlimousine zu steigen und warum diese trotz zuvor vereitelter Scharfschützenattentate ohne ihr Verdeck fuhr. Dillon und Dulles setzten später die Lüge in die Welt, ausgerechnet Kennedy habe dies verlangt. Ebenso seltsam ist, dass der Fahrer nicht einmal befragt wurde, warum er nicht beim ersten Schuss beschleunigte und dass die Limousine nicht auf Spuren untersucht, sondern stattdessen gereinigt wurde.

E. Howard Hunt

Einer von Dulles Männern fürs Grobe war E. Howard Hunt, der die Staatsstreiche in Guatemala und im Iran koordiniert hatte. Von Miami aus hatte Hunt die Geheiminvasion in der Schweinebucht kommandiert. Für die Miami-Station arbeitete der CIA-Killer David Sánchez Morales, der für Harvey schmutzige Aufträge erledigte und Hunt zufolge Ende 1963 von einem "off-the-board"-Auftrag Harveys gesprochen haben soll. Hunt, der seine eigene Rolle verschwieg, waren Harvey und Morales suspekt. Morales soll seinem Anwalt den Kennedy-Mord sogar betrunken gestanden haben.

Später wurde Hunt unrühmlich durch den Watergate-Einbruch bekannt, bei dem er unmittelbar für Präsident Nixon die gegnerischen Wahlkampfzentrale ausspionierte. Nixon befürchtete, dass dies das ganze Bay of Pigs-Thing öffnen könne. Wegen des Skandals war Hunt bei der Agency in Ungnade gefallen und musste damit rechnen, selbst zum Sündenbock gemacht zu werden. Hunt und Harvey verband, dass sie sich zur Elite der CIA zählten. Die eigentliche CIA-Elite jedoch betrachtete sie als Handlanger, die nicht ihre Klasse hatten und notfalls nach dem Codex des Hauses für ihre Vorgesetzten den Kopf hinzuhalten hatten. Hunt schwieg daher und machte auf dem Totenbett diffuse Andeutungen.

Edward Lansdale

Zu den Teufelskerlen gehörte auch Militärgeheimdienstler Edward Lansdale, der auf den Philippinen "psychologische Kriegsführung" durch Grausamkeit kultiviert hatte. So hatte der General einen Gefangenen kopfüber an Stichen im Hals ausbluten lassen, um der abergläubischen Landbevölkerung die Existenz vampirartiger Monster vorzugaukeln. Nachdem Kennedy der CIA die Federführung bei den Aktionen gegen Kuba entzogen und an das Militär delegiert hatte, leitete zunächst Landsdale die berüchtigte Operation Mongoose. In der Terrorkampagne vertauschten Agenten etwa für den Export gedachten Zucker mit Gift. Die Kennedys pfiffen schließlich auch Lansdale zurück.

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