Die regelbasierte Weltordnung und ihre Feinde
Seite 2: Nordkorea "stört" in Asien
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- Nordkorea "stört" in Asien
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Die Vereinigten Staaten sind eine Weltmacht mit globalen Interessen. Wir sind in jeder Region stärker, weil wir uns auch in den anderen Regionen engagieren.
Biden-Harris National Security Strategy, October 2022
Als Weltmacht mit globalen Interessen sind die USA und die von ihr nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene regelbasierte Weltordnung global jederzeit hochgradig verwundbar. Dementsprechend gaben und geben sich die USA das Mandat, ihre Interessen und die ihnen genehme Weltordnung global mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu "verteidigen".
Dass die USA sich als einzig legitime und exklusive Weltordnungsmacht verstehen und es aufgrund ihres nach wie vor unerreichbaren (militärischen) Gewaltpotenzials auch sind, ist somit allgemein anerkannt und gleichsam ungeschriebenes, aber geltendes Völkerrecht.
Ihre nukleare Überlegenheit ist dabei die erste und letzte Garantie für die "Freiheit", globale Interessen zu haben und sie wann und wo auch immer zu verteidigen. Jede unzulässige Eigenmächtigkeit oder Unbotmäßigkeit eines nationalen Souveräns oder Staates innerhalb der Völkerfamilie ist ein "Angriff" auf die Freiheit, als unantastbare Weltordnungsmacht Nr. 1 die globalen US-Weltordnungsinteressen gegen wen auch immer durchzusetzen.
Auch in Nordostasien, in einer Region, in der sich ein weiterer Störenfried eigenmächtig die Freiheit nimmt, den von den USA für diese Region erlassenen Verhaltensregeln nicht zu gehorchen. Dort hat sich Nordkorea, einmal mithilfe der UdSSR installiert und sowjetfreundlich ausgerichtet, von Anfang an dem US-amerikanischen Anspruch auf eine geschäfts- und gewaltsichernde, regelbasierte Weltordnung entzogen.
Das hat Nordkorea zunächst die unversöhnliche Feindschaft der USA und den von den USA auch als Stellvertreterkrieg gegen die UdSSR und China konzipierten Koreakrieg (1950–1953) mit ca. 4,5 Millionen Toten und ungezählten Kriegsverbrechen im US-Bombenkrieg gegen Nordkorea eingebracht. Ein Blick in die Archive zeigt:
Napalm über Nordkorea. Während in den Augen von US-Präsident Bush Nordkorea mit seinem Atomwaffenprogramm zur "Achse des Bösen" gehört, hat sich Amerika wie selbstverständlich die Rolle des unschuldigen Riesen zu Eigen gemacht. Dabei waren es gerade die Vereinigten Staaten, die seit den 1940er-Jahren in Nordostasien immer wieder Massenvernichtungswaffen eingesetzt haben. In welchem Ausmaß die US Air Force Nordkorea zerstört hat, zeigt ein Blick in die Archive.
Bruce Cumings, Le Monde diplomatique, 10.12.2004
Nordkorea hält jedoch ungebrochen an seinem unbändigen nordkoreanisch-nationalen Selbstbehauptungswillen fest, arbeitet ungeachtet aller US-Kriegsdrohungen und Sanktionen mit "maximalem Druck" daran, diesen Willen durch sein Atomwaffenprogramm unangreifbar zu machen, und fühlt sich frei, der ganzen Welt, allen voran den USA, mit einem atomaren Erstschlag zu drohen:
Nordkorea hat per Gesetz einen atomaren Präventivschlag für zulässig erklärt. Zugleich stufte das isolierte Land seinen Status als Atomwaffen-Staat als "irreversibel" ein, wie staatliche Medien am Freitag (9. September) berichteten [...] USA und Südkorea fordern Denuklearisierung von Nordkorea. Mit "Denuklearisierung" meinen die USA und Südkorea den kompletten Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms, das in den vergangenen Jahren international immer wieder für Schlagzeilen sorgte.
Frankfurter Rundschau, 9.9.2022
Die internationalen Sanktionsregime gegen Nordkorea und seine Bevölkerung haben bisher keine Wirkung gezeigt, im Gegenteil. Statt also die Kapitulationsurkunde auch in nuklearer Hinsicht zu unterzeichnen, beansprucht Nordkorea in seinem Selbstbehauptungswillen, nuklear mit den USA gleichzuziehen.
Als konsequenter Nutznießer und Verteidiger der von den USA geschaffenen regelbasierten Weltordnung sieht sich auch Deutschland herausgefordert, außen- und weltpolitische Verantwortung zu übernehmen und angesichts der iranischen und nordkoreanischen Widerspenstigkeit auch in diesen Regionen explizit seine Stimme zu erheben:
Iran hat für viele seiner Nuklearaktivitäten keine Rechtfertigung [...] Diese Konferenz sollte außerdem Einigkeit in der Ablehnung der schwersten Verletzung des NVV demonstrieren: Nordkoreas Kernwaffenprogramm. Dies bedeutet, sich entschieden für eine vollständige, verifizierbare und unumkehrbare Denuklearisierung der nordkoreanischen Halbinsel einzusetzen.
Annalena Baerbock, Auftaktveranstaltung zur Entwicklung einer Nationalen Sicherheitsstrategie, 18.03.2022
Indem sich die Störenfriede Iran und Nordkorea nicht umstandslos fügen, verletzen sie den Anspruch der Weltordnungs- und Weltaufsichtsmacht USA, ihre globalen Interessen und die von ihr geschaffene regelbasierte Weltordnung in jeder Region der Welt unangefochten und praktisch wirksam durchzusetzen:
Wenn eine Region im Chaos versinkt oder von einer feindlichen Macht beherrscht wird, wirkt sich dies nachteilig auf unsere Interessen in den anderen Regionen aus.
Biden-Harris National Security Strategy, October, 2022
Ferner werfen der Iran und Nordkorea mit ihrem jeweiligen Anspruch und ihrer Nutzung der Kernenergie die brennende Frage der Nuklearwaffen auf. Und diese Frage betrifft zuallererst die USA, deren bislang unangefochtene welt- und geopolitische Dominanz auf ihrer nuklearen Dominanz beruht: auf der Fähigkeit, jederzeit, an jedem Ort der Welt und auf jeder Eskalationsstufe den nuklearen Schlagabtausch so zu führen, dass der nuklear bewaffnete Gegner sicher sein kann, in einem Atomkrieg zu unterliegen.
Das Nuklearwaffenideal des "Global First Strike" und der "Full Spectrum Dominance" haben bisher nur die USA verwirklicht; und sie bestehen im Interesse der globalen Geltung ihrer regelbasierten Weltordnung darauf und tun weltweit alles dafür, dass ihre auf allen Eskalationsstufen überlegene nukleare Suprematie und Verfügungsgewalt in aller Asymmetrie niemals durch wen auch immer relativiert wird.