Die unerzählte Geschichte der kalten Fusion
Teil 2: Seit 15 Jahren erforschen Wissenschaftler die kalte Fusion. Doch weder etablierte Wissenschaft noch Öffentlichkeit bekommen davon etwas mit
Forschungsergebnisse zur kalten Fusion, die einer wissenschaftlichen und interdisziplinären Überprüfung bedürfen, liegen seit 15 Jahren vor. In dieser Zeit hat sich ein internationales Forschernetzwerk gebildet, dass parallel zur "offiziellen" Wissenschaft an zum Teil völlig neuen Konzepten arbeitet, die mit kalter Fusion kaum noch etwas zu tun haben. Konferenzen und Workshops finden regelmäßig statt. Ihre Forschungsergebnisse sind mittlerweile so schlagkräftig, dass das US-Energieministerium seine 1989 eingenommene Abwehrhaltung gelockert hat (siehe Teil 1 dieser Serie: Kalte Fusion wieder heiß). In Teil 2 wird die "neue Forschungsrichtung" geschildert und beleuchtet, wie in der Wissenschaft über kalte Fusion diskutiert wird. Nämlich gar nicht (mehr).
In seiner Einführung für Studenten1 beschreibt Dr. Edmund Storms das Phänomen der kalten Fusion wie folgt:
Das kontroverse Phänomen mit Namen "Cold Fusion" (CF), "Low Energy Nuclear Reactions" (LENR) oder "Chemically Assisted Nuclear Reactions" (CANR) beinhaltet den Vorschlag der Möglichkeit, eine Vielzahl von Kernreaktionen in festen Materialien, bei viel niedrigeren Energien als bislang für möglich gehalten, initiieren zu können. Statt brachiale Gewalt anzuwenden, um Atomkerne in gegenseitige Reaktionsnähe zu bewegen, existiert offenbar ein Mechanismus in Gitterstrukturen, der es erlaubt, die Coulomb-Barriere zu umgehen, und der bestimmten Kernen die Interaktion ermöglicht.
In anderen Worten: Kernfusion sei nicht nur unter Bedingungen wie in der Sonne, wo Fusionsprozesse ablaufen, möglich, sondern auch in einem Labor bei Raumtemperatur. Den Stand der kalten Fusions-Forschung fasste Prof. David J. Nagel (George Washington University) am 23. März 2004 auf einem Seminar des Naval Research Laboratory wie folgt zusammen2:
Die Probleme bei der Behandlung der kalten Fusion können als systematisch und technisch bezeichnet werden. Kommunikations-Zusammenbrüche zwischen denen, die in die kalte Fusions-Forschung involviert sind, und sowohl der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch der Öffentlichkeit, sowie die Schwierigkeit, kalte Fusions-Forschung finanziert zu bekommen, sind systematische Probleme. Zu technischen Problemen haben unangemessene Instrumente, unvollständige Materialanalysen, komplexe Protokolle und, am kritischsten, das anfängliche Ausbleiben der Reproduzierbarkeit gehört. Trotz dieser Probleme hat es in den letzten 15 Jahren großen experimentellen Fortschritt gegeben. Dutzende "privater" Experimente sind von kompetenten und renommierten Forschern durchgeführt worden, die angemessene Instrumente genutzt haben, die vor, während und nach den Experimenten korrekt kalibriert waren. Die Reproduzierbarkeit ist signifikant verbessert worden.
Forschungsergebnisse aus aller Welt
LENR-Forscher treffen sich alle eineinhalb Jahre auf der International Conference on Cold Fusion (ICCF). Die zehnte Konferenz (ICCF10) fand vom 24. bis 29. August 2003 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge statt. Schirmherr war Prof. Peter Hagelstein (MIT). Parallel zur Konferenz soll vom 24. bis zum 30. August in seinem Labor ein Experiment gelaufen sein, bei dem konstant Überschusswärme durch kalte Fusion produziert worden sei. Ein Energieüberschuss von 167 bis 267 Prozent sei protokolliert worden. Prof. John Dash von der Portland State University demonstrierte mit seinen Studenten ein weiteres LENR-Experiment. Dieses soll gut ein halbes Jahr später von Studenten der italienischen Augusto Monti-Hochschule erfolgreich wiederholt worden sein. Ziel dort sei gewesen zu zeigen, "dass Überschusswärme (durch kalte Fusion) sogar mit limitierten Mitteln demonstriert werden kann."
Die heutigen Arbeiten unterscheiden sich teils sehr stark vom ursprünglichen Elektrolyse-Konzept der Forscher Fleischmann und Pons. Geforscht wird mit unterschiedlichen Elektroden, verschiedenen Aggregatzuständen der Wasserstoff-Substanzen und verschiedenen Anregungsmechanismen. Mehrere Forschergruppen präsentierten in Massachusetts Forschungsergebnisse zur Laser-Stimulation kalter Fusion.3 Als sehr vielversprechend gilt die kalte Fusionszelle des privat finanzierten Energetics Technologies-Programms in Omer, Israel. Es wird dort experimentiert, wie sich Schallwellen auf Fusionsprozesse auswirken. Die Forschung hat Ähnlichkeit zur aktuell diskutierten Sono Fusion, bei der es im Labor offenbar zu heißen Fusionsprozessen kommt, indem stehende Schallwellen deuteriertes Aceton verdampfen4 (vgl. Evidence bubbles over to support tabletop nuclear fusion device). Im Gegensatz zur Sono Fusion5 berichtet Israel von einem vierfachen Energieüberschuss.6
Eine neue Forschungsrichtung
LENR-Forscher zählen ihre Forschungsrichtung zur "Kernphysik der verdichteten Materie" (Condensed Matter Nuclear Science - CMNS). Um "Verständnis, Entwicklung und Anwendung der Kernphysik verdichteter Materie zu fördern", ist nach der ICCF10 die International Society for Condensed Matter Nuclear Science (ISCMNS) ins Leben gerufen worden. Die ISCMNS will zukünftig Symposien und weitere Treffen organisieren, ein eigenes Journal herausgeben und generell für Organisation und Austausch sorgen. Organisator des 5. Asti Workshops für Wasserstoff-Anomalien/Deuterium geladene Metalle und ISCMNS-Gründungstreffens vom 19. bis 21. März 2004 in Italien war Dr. Francesco Celani. An Celanis Nationalem Labor von Frascati (LNF) wird seit 1989 mit staatlichen Fördergeldern LENR-Grundlagenforschung betrieben.7 Die Förderung belief sich in den letzten beiden Jahren auf 50.000 Euro pro Jahr. Offiziell wird dort das Widerstands-Verhalten von Palladium (oder Legierungen) gegenüber großen Mengen von Wasserstoff (und seinen Isotopen) während Elektrolyse untersucht. Celani hat 2003 von der Italienischen Physikalischen Gesellschaft (SIF den ersten Preis in der Kategorie "allgemeine Physik" für seine "kritische Besprechung der interessantesten Arbeiten präsentiert auf der ICCF10" erhalten.
International scheinen neben US-amerikanischen und italienischen Gruppen Forscher aus Japan bei der kalten Fusion am weitesten fortgeschritten zu sein. So wie die ersten Asti-Konferenzen vom Automobilkonzern Fiat gesponsert waren, ist es in Japan Mitsubishi Heavy Industries (MHI), genauer deren Advanced Technology Division, die die Forschung vorantreibt. Das Team um Dr. Yasuhiro Iwamura berichtete im Japanese Journal of Applied Physics über ungewöhnliche Transmutationen von Elementen. In einem Experiment, bei dem ein Palladium-Komplex von Deuteriumgas durchströmt wird, messe ein Spektrometer das Metall Praseodym, sobald sich eine Caesium-Schicht auf dem Palladium befinde. Vorsichtig wurde 2002 eine Transmutation (Verwandlung) des Elements Caesium in Praseodym in Erwägung gezogen.8
Forscher der Osaka University berichten mittlerweile von einer Reproduktion des Experiments. Das Team um Prof. Akito Takahashi schreibt: "Wir bestätigen, dass eine Transmutationsreaktion von [Caesium zu Praseodym] stattgefunden hat."9 Ein LENR-Forscher, der nicht genannt werden möchte, sagte Telepolis, das Iwamura-Experiment sei so durchsichtig und bislang ohne Kritik, dass es in den nächsten Jahren für den Nobel-Preis berücksichtigt werden müsse.
Weitere Mitglieder der ISCMNS kommen aus Frankreich und China. Prof. Jean Paul Biberian ist Kernphysiker am Zentrum zur Erforschung verdichteter Materie und der Nanowissenschaft (CRMCN der Universität Marseille. Biberian ist Schirmherr der elften International Conference on Cold Fusion (ICCF11, die ab 31. Oktober 2004 an seiner Universität in Marseille stattfinden wird. Chinesische Physikgesellschaften hatten ICCF9 in Beijing, China, offiziell unterstützt. Aus Deutschland oder Osteuropa wird noch ein Repräsentant der ISCMNS gesucht.
Kalte Fusion auch in Deutschland
Die Webseite LENR-CANR.org ist über die Jahre zu einer gigantischen Forschungsdatenbank gewachsen. 122 tätige LENR-Forscher aus aller Welt sind dort verzeichnet. Mallove hat als langjähriger Beobachter und Herausgeber des Infinite Energy-Magazins einen guten Überblick über diesen Wissenschaftsbetrieb, der eigenständig und parallel zur etablierten Wissenschaft arbeitet. Er schätzt die Zahl der praktisch und theoretisch arbeitenden Forscher auf 1.000, viele Hundert davon in den USA.
Man findet darunter nur einen deutschen Forscher, den 1994 verstorbenen Prof. Heinz Gerischer. Gerischer war von 1969 bis 1986 Direktor des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft (FHI) und galt als führender europäischer Forscher auf dem Gebiet der physikalischen Elektrochemie. Nachdem er 1991 an einer Konferenz über kalte Fusion teilgenommen hatte, schrieb er10:
Trotz meiner früheren Schlussfolgerungen - und der der Mehrzahl der Wissenschaftler -, dass das von Fleischmann und Pons 1989 berichtete Phänomen entweder auf Messfehler oder einen chemischen Ursprung zurückzuführen sei, gibt es jetzt unzweifelhaft überwältigende Hinweise, dass nukleare Prozesse stattfinden.
John M. Bockris, pensionierter Professor der Texas A&M University, war auf der Tagung in Italien dabei. "Als er ankam," erinnert sich Bockris an Gerischer, "glaubte er überhaupt nicht an das Phänomen. Als die Konferenz aber fortschritt, musste er seine Meinung ändern und in einer Rede am Ende sagte er das auch." Bockris' Team war laut eigenen Aussagen das erste, dass die Behauptung von Fleischmann und Pons belegen konnte, die Überschusswärme käme aus einer Kernreaktion. Die Belege seiner Tritium-Messungen hat er 1990 in Fusion Technology veröffentlicht, einem der wenigen Peer Review-Journale, die derartige Forschungsergebnisse veröffentlicht haben.11 Bockris weiß noch, wie er mit Gerischers Memo für seine Forschung werben wollte. Dieser wünschte es jedoch nicht, weil er auf seinen Ruf habe achten müssen.
Prof. Gerhard Ertl, Direktor der Abteilung für physikalische Chemie am FHI, kann sich auch noch an seinen früheren Kollegen Gerischer erinnern. Ertl legt Wert darauf, dass Gerischer 1991 kein "offizieller Vertreter" des FHI mehr war. Nach dessen Rückkehr habe er ihm von seinem Sinneswandel erzählt, habe aber keine "handfeste wissenschaftliche Belege" präsentieren können. "Meine skeptische Einstellung wurde dadurch eher noch verstärkt", sagt Ertl, "und diese Einschätzung ist bis heute unverändert geblieben." Unter dem Eindruck zahlreicher negativer wissenschaftlicher Befunde habe auch Gerischer wiederum seine Meinung geändert, ohne damit aber erneut an die Öffentlichkeit zu treten. Der "hochverdiente und weitbekannte Elektrochemiker" Bockris würde "heutzutage wohl kaum mehr ernst genommen".
Bockris, der seine "abstrusen Vorstellungen zur Elementumwandlung" (Ertl) noch immer verfolgt, fragt sich heute auch, warum von den großen Industrieländern ausgerechnet in Großbritannien und in Deutschland niemand an der "größten Entdeckung des 20. Jahrhunderts" forsche. Es gibt jedoch deutsche Forscher, die an der kalten Fusion gearbeitet haben - allerdings in der Weimarer Republik. Die Berliner Chemiker Paneth, Peters und Günther haben ihre Arbeit "Über die Verwandlung von Wasserstoff in Helium" 1927 in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft veröffentlicht. Die Berliner Chemiker arbeiteten mit den selben Palladium-Kathoden wie Fleischmann und Pons.12 Auch im renommierten britischen Wissenschaftsjournal Nature berichteten sie darüber.13 Es war das erste und letzte Mal, dass Nature Forschungsergebnisse zur kalten Fusion veröffentlichte.
Vergleich mit der Hypothese der Kontinentalverschiebung
Als im August des letzten Jahres im Büro von Prof. Hagelstein für acht Tage angeblich eine low energy nuclear reaction ablief, soll kein MIT-Forscher erschienen sein, der nicht ohnehin an der kalten Fusion arbeite, um sich von der Behauptung zu überzeugen - obwohl auf dem Campus über 150 Plakate hingen und zahlreiche persönliche Einladungen an Kritiker verschickt worden seien. Als am MIT ein zweites LENR-Experiment lief, wurden beide Lokalzeitungen, der Boston Herald und der Boston Globe, telefonisch gebeten, dieses zu dokumentieren. Kein Reporter erschien.14
Die CMNS-Forschungsrichtung gilt als pathologische Wissenschaft.
Die wahre Pathologie aber ist der Zusammenbruch der normalen wissenschaftlichen Kommunikationskanäle, wo Wissenschaftler außerhalb der eng verbundenen kalten Fusions-Gemeinde sich nicht darum scheren, deren Behauptungen zu überprüfen. (...) So funktioniert Wissenschaft normalerweise. Aber nicht bei kalter Fusion.
Sharon Begley im September 2003 von der ICCF10-Konferenz im Wall Street Journal
Henry Bauer, Professor für Chemie und Wissenschaftstheorie am Virginia Polytechnic Institute und Chefredakteur des Journal of Scientific Exploration, vergleicht diese Situation mit dem, was dem deutschen Geowissenschaftler Alfred Wegener am Anfang des letzten Jahrhunderts widerfahren ist. Wegener schlug 1912 seine Hypothese der Kontinentalverschiebung vor. Diese setzte sich jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg durch und ist heute Bestandteil der überprüften Theorie der Plattentektonik. So lange galt auch Wegener als pathologischer Fall. Sehr viele Entdeckungen in der Geschichte der Wissenschaft seien anfangs auf Widerstand gestoßen.15
"Dass Wissenschaftler neue Behauptungen, die gängige Theorien widersprechen, nicht bereitwillig akzeptieren", erläutert Bauer, "ist nicht pathologisch." Vielmehr sichere es die Verlässlichkeit der Wissenschaft. "Was aber pathologisch ist, ist wenn Behauptungen ohne angemessene Untersuchung abgelehnt werden." Und dieses sei bei der kalten Fusion wiederholt vorgekommen.16
Unerfüllbare Forderungen
Kritiker fordern, LENR-Forscher sollten ihre Ergebnisse in Wissenschaftsjournalen publizieren, welche veröffentlichte Arbeiten vorher überprüfen. Genau das wollen die Forscher auch, und beschweren sich, dass dieses bisher nur bei vier Journalen möglich war. "Es gibt keine Möglichkeit, veröffentlicht zu werden," wird MIT-Professor Hagelstein in der noch zu veröffentlichenden April-Ausgabe von Physics Today zitiert, "weil das Gebiet so verdorben ist. Kollegen wollen nicht einmal dabei erwischt werden, darüber zu reden."17
Forschungsergebnisse eines renommierten Forschers einer US-Universität mit "definitiven Hinweisen" auf kalte Fusion sollen von einem großen Journal, ohne einen Blick darauf zu werfen, abgelehnt worden sein, berichtet Mallove. Der Effekt: Große Teile der Wissenschaft wissen gar nicht, was sich in 15 Jahren auf dem Gebiert der LENR getan hat. "Ich dachte, der Großteil der kalten Fusions-Bemühungen wären längst ausgelaufen", zitiert die New York Times einen Forscher von der Universität von Wisconsin.18
Mit Bezug auf Begleys Artikel im Wall Street Journal schrieb Hagelstein im Herbst 2003 einen Brief an US-Energieminister Spencer Abraham und bat um eine Überprüfung der mittlerweile vorliegenden Daten zur kalten Fusion. Weiter geöffnet wurde die Tür zum Ministerium (DoE), so wird berichtet, durch den Energieunternehmer Randall Hekman und den republikanischen Kongressabgeordneten Vern Ehlers. Beide kennen Abraham aus Michigan. Hekman kritisierte einen "wissenschaftlichen McCarthyismus", "der jeden beeinflusst, der sich auf das Terrain wagt", und Ehlers sagte, es sei Zeit für eine Überprüfung, weil so viele Forscher an renommierten Institutionen arbeiteten. Den letzten Ausschlag zur Überprüfung brachte schließlich ein persönlicher Besuch von Hagelstein und weiteren LENR-Forschern im DoE. Der derzeitige Plan des Ministeriums sieht vor, dass Wissenschaftler eines noch zu besetzenden Ausschusses ein paar Tage lang Präsentationen anhören und anschließend individuell ihre Gedanken schildern. Eigene Experimente sollten nicht durchgeführt werden.19
Reaktionen auf den Plan des US-Energieministeriums
Dr. Michael McKubre, LENR-Forscher beim Forschungszentrum SRI International in Kalifornien, begrüßt die Überprüfung als "vernünftig, begründet und zum richtigen Zeitpunkt". Die Entscheidung sei eine "absolut logische Antwort" auf wissenschaftliche Fragen, die seit 1989 aufgekommen seien. Jean-Luis Naudin, dessen angeblicher kalter Fusions-Motor im ersten Teil vorgestellte wurde, sieht in der kalten Fusion die "beste und interessanteste Forschungsrichtung", in die er je geforscht habe: "Ich glaube, dass wir mit einem solchen Gerät wirklich den Durchbruch auf dem Gebiet der Energietechnik erleben werden."
Dr. Richard L. Garwin, Forscher und Berater der US-Regierung auf dem Gebiet der Militärtechnologie, bezweifelt, dass Naudins Motor Wärme aus kalter Fusion erlangt. Prof. William Happer, ebenfalls Berater der US-Regierung und wie Garwin Mitglied des DoE-Ausschusses zur kalten Fusion im Jahre 1989, schätzt, dass das DoE aktuell gezwungen worden sei, die Überprüfung durchzuführen20:
Ich hoffe, dass sie keinen Schaden anrichten wird. Ich glaube nicht, dass es eines Ausschusses bedarf, um die kalte Fusion zu überprüfen. Wenn da irgendetwas real wäre, würden die Menschen heute schon ihre Häuser mit kalter Fusion wärmen. Das wäre viel besser als Wärmepumpen oder Wärme aus Strom. Die Tatsache, dass dieses nach 15 Jahren enthusiastischer Behauptungen über Wärme aus kalter Fusion nicht geschieht, ist die eloquenteste Zeugnis, dass kalte Fusion nicht existiert.
Prof. Ertl sagt, kalte Fusion werde am FHI sehr kritisch eingeschätzt: "Solange nicht grundlegende physikalische Prinzipien revidiert werden müssen (und dafür sehe ich derzeit keine konkreten Anhaltspunkte), betrachte ich Forschung auf diesem Gebiet als wenig sinnvoll." Auch das Forschungszentrum Jülich erklärt, dass die DoE-Initiative nichts daran ändere, dass man sich nicht mehr mit LENR beschäftige. Im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) geht man davon aus, "dass es ausreichend ist, auf die üblichen Wege wissenschaftlicher Kommunikation zu vertrauen, um von ernstzunehmenden LENR-Ergebnissen zu erfahren, wenn es solche geben sollte." Dr. Peter Ziegler vom Bundesministerium für Bildung und Forschung teilt mit21:
Im BMBF werden die Arbeiten zur "Kalten Fusion" mit Interesse verfolgt. Die Möglichkeit, die Fusion leichter Atome mit niedriger Aktivierungsenergie zu erreichen, wäre ein großer Fortschritt in Richtung einer weltweiten, nachhaltigen Energieversorgung. Trotz der Vielzahl der dazu bisher vorgelegten Arbeiten gibt es nach der überwiegenden Expertenmeinung noch keinen eindeutigen, verifizierten Nachweis für diesen Ansatz, so dass die Möglichkeit, Fusionsreaktionen mit niedriger Aktivierungsenergie zu realisieren, derzeit äußerst zurückhaltend beurteilt werden muss.
Der für 2005 angekündigte Bericht des DoE zur "Kalten Fusion" wird es sicherlich erlauben, die Arbeiten auf diesem Gebiet besser als bisher einzuordnen und wird weltweit mit Interesse zur Kenntnis genommen werden. Sollte sich daraus ein Hinweis ergeben, dass eine "Kalte Fusion" doch als möglich zu betrachten ist, wird sich auch das BMBF erneut mit dieser Frage beschäftigen.
Edmund Storms, lange Zeit beschäftigt am Los Alamos National Laboratory (LANL) und seit 1989 tätig in der kalten Fusions-Forschung, begrüßt die Überprüfung als "lange überfällig", bleibt aber äußerst skeptisch22:
Das DoE ist immer stark gegen LENR gewesen. Nun eine Kehrtwende zu machen, wäre eine große Peinlichkeit. Ich erwarte eine zurückhaltende Aussage in der Art: "Etwas Neuartiges scheint entdeckt worden zu sein, das weiter untersucht werden sollte." Das DoE wird dann ein paar große Institutionen bezahlen, den Effekt zu untersuchen. Diese Institutionen werden ohne Erfahrung von Null anfangen und daher negative Resultate erhalten. Dieses wird benutzt werden, um zu sagen, dass die Skeptiker von Anfang an Recht hatten. Währendessen werden mehrere Unternehmen den Effekt als kommerzielle Energiequelle entwickeln.