Die wundersame Kriegsführung Großbritanniens
Die RAF setzte im Irak und in Syrien 3.482 Bomben und Raketen ein und weiß von keinem zivilen Toten durch die Luftangriffe
Einmal noch soll das von Journalisten in aller Welt durchgescheuerte, leblose Klischee von der britischen "steifen Oberlippe", das amerikanischen Ursprungs ist, bemüht werden, weil es um eine Haltung geht und nicht um die Wirklichkeit. Es geht um Aussagen des britischen Verteidigungsministeriums.
Am 30. September 2014 flog ein britischer Tornado den ersten Kampfeinsatz der Operation Shader gegen Ziele des "Islamischen Staates" im Irak. Seither hat die Royal Air Force mehr als 3.000 Bomben und Raketen auf Ziele im Irak oder in Syrien abgeworfen oder -gefeuert - und dabei keinen Zivilisten getötet, wie das britische Verteidigungsministerium wiederholt geäußert hat.
1.600 Luftangriffe
Der Bericht des Middle East Eye, um den es hier geht, spricht an einer Stelle davon, dass die RAF mehr als 8.000 Einsätze flog. An einer anderen Stelle heißt es, dass die britische Luftwaffe mehr als 1.600 Luftangriffe im Irak und in Syrien geflogen ist und darin innerhalb der 68 Nationen starken Anti-IS-Koalition nur von den USA überboten wird.
Bei den Luftangriffen kamen, so die Recherchen der Publikation, die sich auf eigene Auswertungen wöchentlicher Updates von Operationen und Angaben von Drone Wars UK beruft, bis Ende September dieses Jahres insgesamt 3.482 Bomben und Raketen zum Einsatz im Kampf gegen den IS: 2.089 Pavement-IV-Präzisions-Bomben, 486 Brimstone-Panzerabwehr-Lenkraketen von Flugzeugen des Typs Tornado oder Typhoon. 724 Hellfire-Raketen wurden von RAF-Reaper-Drohnen abgefeuert.
Die tatsächlichen Zahlen seien wahrscheinlich höher, so Middle East Eye-Autor Jamie Merill, ein britischer freier Journalist, der auch für den Independent und den Guardian tätig ist. Die Aktualisierungen des britischen Verteidigungsministeriums (MoD) würden manchmal die Zahl der Bomben und Raketen, die bei Angriffen eingesetzt wurden, nicht genau auflisten. Dazu käme eine Info von MoD-Vertretern, wonach in den letzten Wochen weitere 86 Bomben und Raketen abgeworfen oder abgefeuert wurden.
Offensiven auf Mosul und Rakka
Die RAF war an den großen Offensiven auf Mosul und Rakka beteiligt. Beide Städte waren nach den Bombenangriffen in einem erschreckenden Ausmaß zerstört. In Mosul wurden auch auf Wohngebiete Angriffe geflogen.
Es gab Berichte, die von 40.000 getöteten Zivilisten sprachen, allerdings gestützt auf Quellen wie Hoshyar Zebari, dem eine politische Agenda ganz und gar nicht fremd ist. Wie in Mosul hieß es auch von Rakka, dass Zivilisten von IS-Kämpfern als menschliche Schilde der Gefahr ausgesetzt wurden, bei Angriffen getötet zu werden.
Welchen Anteil die britische Luftwaffe an den Angriffen auf Mosul und Rakka hatte, wohin ihre Abwürfe genau zielten, geht aus dem Middle-East-Eye-Bericht nicht hervor. Aber die wiederholte Behauptung, man wisse von keinem zivilen Toten durch britische Luftangriffe, ist etwas Besonderes, weil sie Unschuld in einem Haufen von Leichen und Schutt behauptet.
Sauberer Krieg: "Nicht in jedwede zivile Verluste involviert"
Der Staatsminister für die Streitkräfte im MoD, Mark Lancaster, behauptete gegenüber dem Parlament wie auch in anderen öffentlichen Antworten, dass die RAF "nicht in jedwede zivile Verluste als Ergebnis von Angriffen involviert ist, auf die wir aufmerksam gemacht wurden".
In der offiziellen Bilanz werden nur 3.000 getötete IS-Kämpfer geführt, heißt es im Middle-East-Eye-Bericht. Man habe keine Beweise dafür, dass Angriffe der britischen Luftwaffe zu zivilen Opfern geführt haben, wird aus einem MoD-Statement am Mittwoch dieser Woche zitiert.
Die Einschätzungen über die Auswirkungen der Luftangriffe erfolgen über Videos, die aus der Luft aufgenommen werden, klärt Jamie Merill auf (die Lücken mit den zerstörten Städten als Kulisse schließen dann die Videos der Medienagentur des nächsten Dschihadistischen Staates).
Wie sauber der Krieg doch geworden ist, wie niedrig die Einstiegsschwellen. Frage ans Forum: Wie hält es Russland?