Diesel-Fahrverbote: Wird der Markt es richten?

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Preise für Diesel-Gebrauchtwagen sind weiter auf Talfahrt. Eine etwas weniger Auto fixierte und industriehörige Politik hätte das jetzige Chaos verhindern können

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Vielleicht braucht es ja gar keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge mehr. Vielleicht richtet es der Markt ja auf seine eigene, wie üblich chaotische Weise und lässt mal wieder die kleinen Käufer als die Dummen da stehen. Verschiedene Medien berichteten über den weiteren Preisverfall bei Diesel-Gebrauchtwagen. Wir hatten bereits Mitte Februar über die Klagen des deutschen Kfz-Handwerks geschrieben, das wegen der Turbulenzen auf dem Gebrauchtwagenmarkt in arge Schwierigkeiten gerät.

Nun will offensichtlich kaum noch einer die alten Dieselfahrzeuge haben. Schließlich kann derzeit keiner wissen, wie lange und in welchem Umfang sie noch zu nutzen sind. Das Nachsehen haben die Besitzer und die Autohändler, die noch Wagen annehmen, aber inzwischen durchschnittlich 102 Tage auf einen Abnehmer warten müssen. Besondere Probleme bereiten Leasingfahrzeuge, die zu einem Fix-Preis zurückgenommen werden müssen, aber nun nur noch mit Verlust wieder verkauft werden können.

Das berichtet die Deutsche Automobil-Treuhand in ihrem Dieselbarometer. Demnach ist im vergangenen Jahr der Absatz von Dieselgebrauchtwagen um -2,7 Prozent zurückgegangen. Bei den Diesel-Neuzulassungen betrug das Minus sogar -13,2 Prozent. Einiges deutet darauf hin, dass der Rückgang im neuen Jahr weiter geht, wenn er sich nicht gar beschleunigt. Es hat ganz den Anschein, als wenn die Drohung mit Fahrverboten zu einer Flucht aus dem Diesel führt und die Belastung in den Städten dadurch verringert.

Ausstiegsstrategie

Man hätte es auch anders haben können. Ohne diese Verwerfungen, die im Kfz-Handwerk Existenzen bedrohen, ohne den plötzlichen Wertverlust für die Fahrzeughalter. Die Probleme sind seit langem bekannt. Dieselmotoren sind wegen der Stickoxide und der Rußentwicklung ein erhebliches Problem für die Gesundheit von Millionen Menschen, also hätte schon in den 1990ern, wenn nicht gar früher eine langfristige Ausstiegsstrategie entwickelt werden können.

Dass die Industrie dazu nicht willens ist, dürfte jedem unvoreingenommenen Beobachter klar gewesen sein. Das lässt sich unter anderem auch an der Tatsache ablesen, dass sie bis in die jüngste Vergangenheit dort, wo es keine gesetzlichen Normen gibt, weiter Autos ohne die technisch möglichen Abgasreinigung verkauft. Zum Beispiel in Afrika, wo erst jetzt die Staaten beginnen, Emissionsstandards einzuführen.

Wie hätte eine langfristige Ausstiegsstrategie aussehen sollen? Als erstes hätte der Dieselkraftstoff im gleichen Maß wie das Benzin besteuert werden können. Parallel dazu hätte die Entwicklung und Einführung effizienterer LKW-Motoren gefördert werden können, sozusagen als Ausgleich für die Spediteure. Außerdem hätten die Steuern so gestaltet werden können, dass es bei Dienst- und Firmenwagen einen leichten Vorteil für Benziner gibt.

Sodann hätte der Gesetzgeber der Industrie im letzten Jahrzehnt signalisieren müssen, dass es irgendwann in den 2020ern Beschränkungen für Verbrennungsmotoren und insbesondere für Diesel zugunsten von Elektrofahrzeugen geben wird. In einem ersten Schritt hätte man, ab etwa 2010, als die Machbarkeit langsam absehbar wurde, die Umstellung aller Dienstwagen des öffentlichen Dienstes und aller Taxen auf Elektroantrieb bis 2025 ankündigen und die dafür notwendige Infrastruktur in Angriff nehmen können.

Vermeidbares Chaos

Spätestens ab 2010 war auch klar, dass sich das jetzige Chaos zusammenbrauen würde. Schließlich gab es die neuen Grenzwerte nun, mit erheblicher Verzögerung, auf die man sich nicht ohne Grund geeinigt hatte. Und die Messungen der Luft in den Städten war von Anfang an ziemlich eindeutig: Die Grenzwerte wurden nicht eingehalten. Spätestens da hätte man mal bei den Neuwagen genauer hinschauen oder zumindest den Warnungen der Umweltverbände nachgehen können, die Messungen im Straßenverkehr unternommen hatten.

Das wäre Aufgabe des Bundesverkehrsministers und der diesem unterstehenden Behörden gewesen. Hätte dieses verantwortlich gehandelt, wäre den Herstellern sofort auf die Finger gehauen und der Betrug am Kunden im Keime erstickt worden. Und man hätte in etwas größerer Gelassenheit darüber diskutieren können, wie der Straßenverkehr umgestaltet werden kann, um die Stadtluft sauberer zu machen und auch sonst die Städte lebenswerter. Denn immerhin sterben noch immer jährlich mehrere tausend Menschen durch Unfälle, wenn auch zum Glück mit abnehmender Tendenz. Und auch sonst ist der starke Autoverkehr in den Städten in vieler Hinsicht ein großes Problem, sei es durch den Lärm, sei es durch den enormen Platzverbrauch für Fahrzeuge, die im Durchschnitt nicht einmal eine Stunde täglich benötigt werden.

Andere Länder sind schon vor langem auf die Idee gekommen), dass es in den Städten bestimmter Beschränkungen bedarf. Nur Deutschland nicht, das zudem eines der wenigen Länder auf dem Planeten ist, auf dessen Autobahnen es kein generelles Tempolimit gibt.

Was wusste der VW-Vorstand?

Unterdessen zieht der Diesel-Skandal munter weiter seine Kreise, und man fragt sich wirklich, wann die Bundesregierung endlich die Hersteller zur Rechenschaft zieht. Das Mindeste wäre, diese endlich dazu zu verdonnern, die technische Nachrüstung ihrer Mogel-PKW zu übernehmen.

Der Spiegel berichtet, dass VW nun einen Brief- und Email-Verkehr herausrücken muss, der den VW-Chef Martin Winterkorn belasten könnte. Das könnte dann womöglich vollends das Konstrukt zum Zusammenbruch bringen, wonach die Verantwortung bei einigen schwarzen Schafen liege und der Einsatz der Betrugssoftware nichts mit der Politik der Konzerne zu tun habe.