Digitalisierung im Gesundheitswesen
- Digitalisierung im Gesundheitswesen
- Ist die zentrale Datenspeicherung wirklich die Zukunft?
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Weltweit war die Coronapandemie ein Treiber der Digitalisierung. Die Geschwindigkeiten im Gesundheitswesen differieren jedoch stark
Es gibt schon heute zahlreiche digitale Anwendungen im Bereich der Medizin, die Ärzten und Patienten das Leben erleichtern können. Neben dem Patientenmonitoring aus der Ferne gibt es auch digitale Rehatechnik mit therapeutischen Übungen in virtueller Umgebung abgeleitet vom Prinzip der Spiegeltherapie.
Im Rahmen von Projekten sind derartige Hilfen heute schon im Einsatz. Bis sie für die gesetzlich Versicherten Teil der Regelversorgung werden können, wird dies gerade unter Coronabedingungen noch dauern.
So bemerkte die Kassenärztlichen Bundesvereinigung: "Grundsätzlich ist es im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) so, dass neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden vom Gemeinsamen Bundesausschuss geprüft werden und nur dann in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen werden, wenn der Nutzen wissenschaftlich belegt ist. Erst dann werden Sie Teil der Regelversorgung."
Die erforderlichen Studien erfordern unter Coronabedingungen deutlich mehr Aufwand, nicht zuletzt weil diese Bedingungen häufig wechseln und von den einzelnen Bundesländern nicht grundsätzlich parallel umgesetzt werden.
Videosprechstunden haben unter Corona dramatisch zugenommen
Nach Aussage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist die Videosprechstunde innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung für alle Indikationen geöffnet, auch unbekannten Patienten, die also zuvor noch nicht in der Praxis waren, können Vertragsärztinnen und Vertragsärzte eine digitale Konsultation anbieten.
"Im Zuge der Corona-Pandemie hat das Interesse an der Videosprechstunde sprunghaft zugenommen. Während im vierten Quartal 2019 deutschlandweit nur rund 1.600 Videosprechstunden stattfanden, waren es im ersten Quartal 2020 schon 200.000 und im zweiten Quartal 2020 sogar 1,2 Millionen. Wir sehen aber auch, dass die Zahlen im Sommer 2020, im dritten Quartal, wieder rückläufig waren: Von Juli bis September 2020 haben die niedergelassenen Ärzte rund 500.000 Videosprechstunden abgerechnet. Diese Entwicklung zeigt deutlich: Das digitale Sprechzimmer kann eine gute Ergänzung zum Besuch in der Praxis sein, der direkte Arzt-Patienten-Kontakt ist und bleibt aber der Goldstandard. Viele Untersuchungen sind in einer Videosprechstunde nicht möglich, das beginnt schon beim einfachen Abhören mit dem Stethoskop."
Entwicklung der Telemedizin für das US-Militär
Treiber telemedizinischer Projekte ist vielfach das Militär. Während deutsche Truppen im Auslandseinsatz traditionell für eine medizinische Sofortversorgung vor Ort sorgen, fliegen die US-Truppen ihre Verletzten konsequent aus und versorgen sie in ihren Militär-Lazaretten wie dem Landstuhl Regional Medical Center in der Nähe von Ramstein.
Die für den Transport benötigte Zeit kann jedoch durchaus kritisch sein. Daher hat man begonnen, notwendige Operationen auch vor Ort durchzuführen, wobei der Operateur sich nicht vor Ort befindet und die Operationen mittels Manipulatoren aus der Distanz durchführt. Diese Technik wurde zwar in Deutschland entwickelt. Der Entwickler fand seine Heimat dann jedoch beim US-Militär.
Eine Entwicklung, die sich bei zahlreichen Start-Ups kontinuierlich wiederholt. Ins Zivile übertragen könnte künftig ein hochqualifizierter Operateur von einem Standort aus nacheinander Operationen an Patienten durchführen, die dafür nicht über größere Strecken transportiert werden müssen. Voraussetzung für ein solches System ist jedoch eine leistungsfähige Netzverbindung mit schneller Übertragung.
Datenmangel in der Corona-Pandemie führt in den USA zu Konsequenzen
Wer Daten zum Verlauf der Corona-Pandemie auswerten will, muss diese Daten nicht nur erheben dürfen, sondern auch erheben können. Derzeit liegen die Daten im deutschen Gesundheitswesen jedoch vielfach nur in analoger Form als Fax vor. Auch in den USA, die hierzulande gerne als digitaler Vorreiter verklärt werden, fehlte bislang eine zentrale elektronische Krankenakte. Mit Covid-19 zeichnen sich hier Änderungen ab.
Die USA haben für die, die sie sich leisten können, wohl die beste Gesundheitsversorgung und geben fast zwanzig Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts dafür aus, nicht zuletzt, weil das, was aus der Ferne als ein System erscheint, bei näherer Betrachtung ein historisch gewachsener Flickenteppich zueinander inkompatibler Systeme ist.
Hierzu trägt einerseits die politische Struktur mit bundes-, bundesstaatlichen und lokalen Datenschutzgesetze bei, die sich teilweise überschneiden oder manchmal gar widersprechen. Die im Grunde verfügbaren medizinischen Daten sind unübersichtlich, vielfach fragmentiert und werden von den Institutionen, die sie vorhalten, oft stark abgeschottet, was nicht nur aus Gründen des Datenschutzes erfolgt, sondern auch weil der Verkauf medizinischer Daten äußerst profitabel ist und daher der freie Austausch verhindert werden soll.
Länder mit staatlichen Gesundheitswesen sind hinsichtlich der Datenlage deutlich im Vorteil. Daher kommen viele datenbasierte Antworten zu Covid-19 und der Verbreitung der Varianten aus Großbritannien. Dort haben Forscher des öffentlichen Gesundheitswesens Zugang zu den Daten aus den Krankenakten von 56 Millionen NHS-Patienten.
In den USA hat man mit der National Covid Cohort Collaborative (N3C) begonnen, die medizinischen Aufzeichnungen von Millionen von Patienten im ganzen Land zu sammeln und dann Gruppen Zugang zu gewähren, die auf der Basis dieser Daten beispielsweise erforschen können, welche Behandlung von Covid-19-Patienten unter welchen Umständen den besten Erfolg verspricht.
Ohne die aktuelle Pandemie wäre eine derartige Datenaggregration wohl nicht zustande gekommen.
Deutschland gönnt sich wohl mehr Zeit als andere Länder
Während die Digitalisierung im Gesundheitswesen beispielsweise in Großbritannien mit Riesenschritten voranschreitet, weil Anbieter von digitalen Entwicklungen nur mit einer Partei, dem National Health Service (NHS), verhandeln müssen, spielt in Deutschland einerseits der Föderalismus und andererseits der Wettbewerb zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken eine nicht zu übersehende Rolle, die selbst bei bestem Willen die Abläufe bei der Einführung digitaler Hilfen nicht gerade beschleunigt.
Ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung im Gesundheitswesen könnte das im vergangenen Jahr vom Bundestag beschlossene Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) sein, über das der damalige Gesundheitsminister Spahn sagte: "Wir machen unser Gesundheitswesen mit mehr Digitalisierung zukunftsfester".
Weiter hieß es in der Pressemeldung des Bundesgesundheitsministeriums: "Digitale Helfer für die Pflege, mehr Telemedizin und eine moderne Vernetzung im Gesundheitswesen – das sind Ziele des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege."
Wenn dann jedoch gleich darauf verwiesen wird, dass man die elektronische Patientenakte und das E-Rezept weiter entwickeln wolle und der Telematikinfrastruktur ein nutzerfreundliches Update zukommen lassen wolle, legt sich die Stirn des Lesers in Falten.
Dies verstärkt sich, wenn man lesen muss, dass die gematik den Auftrag erhielt, einen sicheren, wirtschaftlichen, skalierbaren und an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Nutzer angepassten Zugang zur Telematikinfrastruktur als Zukunftskonnektor oder Zukunftskonnektordienst zu entwickeln und man verpflichtende Zertifikate für den Datenschutz und die Informationssicherheit vorgesehen habe.
Neben neuen digitalen Pflegeanwendungen (DiPAs), die auf mobilen Endgeräten oder als browserbasierte Webanwendung von Pflegebedürftigen genutzt werden können, soll die Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) weiterentwickelt werden, damit Versicherte die Möglichkeit bekommen, Daten aus DiGAs komfortabel in ihre elektronische Patientenakte einzustellen. Neben die Vermittlung von Vor-Ort-Arztterminen, die in der Praxis durchaus seltsame Blüten treiben kann, soll auch die Vermittlung telemedizinischer Leistungen eingeführt werden.
In diesem Zusammenhang wurde der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, die "Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung zu ermöglichen". Welche telemedizinischen Leistungen für Hebammen ermöglicht werden sollen, wird nicht weiter ausgeführt und dass die psychotherapeutische Akutbehandlung zukünftig auch im Rahmen einer Videosprechstunde stattfinden kann, ist technisch gesehen kein Novum. Neu wäre höchstens die Möglichkeit eine solche Leistung über die Kassen abzurechnen.