Diktiert die Sonne unser Klima?

Bild: Jeremy Bishop

Viele sogenannte Klimaskeptiker sehen in der Sonne und nicht im Menschen die Hauptverursacherin der Klimaerwärmung. Was ist da dran?

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Sie beschimpfen sich in Kommentarspalten, in Talkshows und am Rande mancher Demos geraten sie sogar physisch aneinander. Der Ton zwischen den Menschen, die die Besorgnis über den anthropogenen, also menschengemachten Klimawandel auf die Straße treibt, und denen, die den wissenschaftlichen Erkenntnissen über den menschlichen Anteil am Klimawandel skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, wird zunehmend rauer.

Zuletzt verschärfte die Debatte über den Begriff der "Klimahysterie" den Streit. Die Klimaskeptiker sind dabei nicht nur in rechten und verschwörungstheoretischen Foren zu finden, nicht nur in irgendwelchen Facebook-Bubbles, sie sind in vielen Teilen der Erde auf dem Vormarsch und erobern auch Regierungsposten - siehe Trump in den USA oder Bolsonaro in Brasilien.

"Die Sonne verklagen"

Das Lieblingsargument von vielen Leuten, die den anthropogenen Klimawandel leugnen, ist, dass nicht der Mensch, sondern die sich ändernde Intensität der Sonnenstrahlung die wichtigste Ursache für die Klimaerwärmung ist. AfD-Politikerin Alice Weidel erntete im vergangenen Sommer einen Shitstorm, aber auch Anerkennung aus Kreisen von Klimaskeptikern, als sie behauptete, "dass es einen viel belastbareren Zusammenhang zur Sonnenaktivität gibt" und bei ihrer Quelle nicht genau genug hinschaute. Ihre Parteikollegin von Storch scherzte, man sollte doch die Sonne wegen des Klimawandels verklagen.

Bezug nehmen Klimaskeptiker von der AfD und anderen Organisationen dabei immer wieder auf pseudowissenschaftliche Institutionen wie das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE), das selbst personelle Überschneidungen mit der AfD hat und weder ein anerkanntes Forschungsinstitut ist, noch in Fachzeitschriften publiziert.

Zum großen Teil stützte sich EIKE auf "Rest-Unsicherheiten in der Forschung, die es tatsächlich gibt oder arbeiteten mit Diffamierungen einzelner Wissenschaftler", schreibt die lobbykritische Onlineplattform Lobbypedia über das Institut. Auch EIKE behauptet in Vorträgen und Artikeln, dass es die Sonne sei, die für den derzeitigen Klimawandel verantwortlich ist.

Aber was hat es mit der ganzen Angelegenheit auf sich? Dafür lohnt sich ein Blick in die Geschichte. Es ist ein kalter und klarer Märzvormittag des Jahrs 1611, an dem der deutsche Physiker und Astronom Christoph Scheiner vom Turm der Heilig-Geist-Kirche in Ingolstadt eine Entdeckung macht. Auf der Sonnenoberfläche beobachtet er mit dem Teleskop dunkle Stellen, die man auch als Sonnenflecken bezeichnet.

Die Sonnenflecken

Er war nicht der erste, in China hatte man schon 1600 Jahre zuvor, also in der Zeit von Jesu Geburt, Aufzeichnungen über Sonnenflecken gemacht - die so groß werden können, dass man sie beim Sonnenuntergang mit dem bloßen Auge erkennt. Damals war weder bewiesen, dass die Erde in einer Ellipsenbahn die Sonne umrundet, und erst recht war nicht viel darüber bekannt, was diese Sonne überhaupt ist.

Heute wissen wir mehr: Wir können errechnen, wann die Sonne geboren wurde und wann sie erlöschen wird. Wir wissen, dass es ohne sie in diesem Eck der Milchstraße mit Sicherheit kein Leben gäbe. Und auch über die Flecken, die Scheiner von der Kirche in Ingolstadt beobachtet hat, kennen wir heute zumindest einige Details.

Sie haben, darüber besteht in der Astrophysik Konsens, mit Veränderungen des Magnetfeldes der Sonne zu tun und verraten uns viel über die Aktivität auf der Sonnenoberfläche. Und das wiederum hat etwas mit dem Klima auf der Erde zu tun: Je mehr Sonnenflecken, desto mehr Sonnenaktivität, desto mehr Sonneneinstrahlung auf die Erde.

Und das ist auch der Punkt, an dem Klimaskeptiker ansetzen. Ihre Argumentation ist bestechend einfach: Es sei nicht der Mensch, sondern die derzeit erhöhte Sonnenaktivität, die das Klima aufheize. Und bis vor einiger Zeit sprach einiges dafür, dass sie recht haben: Die Messdaten, die der internationale Wissenschaftsbetrieb zutage förderte, zeigten einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Sonnenflecken, also der Sonnenaktivität und der Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche und Atmosphäre.

Zweifel...

Die Graphen der Modelle, die sich der Sonnenaktivität widmen, ähnelten denen der Entwicklung der Durchschnittstemperatur auf der Erde. Nicht wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen deshalb lange Zeit an, dass die Aktivitäten der Sonne der stärkste Faktor für Klimaveränderung, und damit auch für die voranschreitende Klimaerwärmung sind.

Doch spätestens seit den 1960er Jahren gibt es zunehmend Zweifel an diesen Zusammenhängen. Denn seither klaffen die Kurven auseinander - während die Sonnenflecke weniger werden, und die Aktivität der Sonne abnimmt steigt, die Erwärmung des Klimas exponentiell an.

Belegt wird das von verschiedenen Messtationen rund um die Welt. Die Daten zeigen recht eindeutig, dass es seit einiger Zeit einen weit entscheidenderen Faktor für die Klimaerwärmung gibt als die Sonne. Und der Wissenschaftsbetrieb liefert regelmäßig neue Daten, die darauf hinweisen, dass dieser Faktor die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist.

Alles deutet darauf hin, dass die Treibhausgasemissionen des Menschen der Sonne als klimaverändernder Faktor derzeit den Rang ablaufen.

... Belege und Widersprüche

Neben der Tatsache, dass die Messungen von Sonnenaktivität und Klimawandel den Modellen der Klimaskeptiker nun schon seit Jahren widersprechen, gibt es noch weitere Belege, die recht eindeutig zeigen, dass die Skeptiker irren: Laut ihrem Modell müssten sich alle Schichten der Atmosphäre erwärmen. Nun ist es aber so - und das wird von Satellitenmessungen verschiedener Raumfahrtbehörden belegt, dass sich die Troposphäre, die unterste Schicht, zwar erwärmt, die darüberliegende Schicht, die Stratosphäre sich aber seit vielen Jahren abkühlt.

Das wiederspricht dem Modell, das eine erhöhte Sonneneinstrahlung für die Klimaerwärmung verantwortlich macht, bestätigt dafür aber das Treibhausgas-Modell - weil sich Treibhausgase wie Methan oder CO2 vor allem in der Troposphäre sammeln, die oberen Schichten der Atmosphäre also sprichwörtlich kalt lassen.

Die Veränderungen durch die Menschen

Wie kann das alles sein? Wie können Lebewesen, die auf der Kruste eines kleinen Planeten neben einem viel riesigeren Stern leben, das Klima auf dem Planeten stärker beeinflussen als der Stern selbst? Falsch an dieser Fragestellung ist der Blickwinkel: Die Sonne macht das Klima, und das seitdem die Erde existiert. Ihre Strahlkraft nimmt, das errechneten Astrophysiker in Modellen, alle einhundert Millionen Jahre rund ein Prozent zu.

Für die kurze Zeitspanne aber, in der der Mensch Forschungen auf der Erde betreibt, spielt diese Entwicklung erst einmal keine Rolle. Die Veränderungen aber, die er seit Jahrtausenden und verstärkt seit der Industrialisierung in der Zusammensetzung der Gase in der Atmosphäre verursacht, schon.

Oder, um es deutlicher zu formulieren: Im Vergleich zur Sonne hat der Mensch wenig Einfluss auf die grundsätzlichen Bedingungen, die auf der Erde vorherrschen. Doch auch die Änderungen, die er in kürzester Zeit an dem von der Sonne geschaffenen klimatischen Grundzustand vornimmt, reichen im schlimmsten Fall dazu aus, die menschliche Zivilisation in große Schwierigkeiten zu bringen.