Diskriminierung der Roma in der Europäischen Union ist, so die USA, besorgniserregend
Auch das zweite europäische Spitzentreffen zur Situation der Roma konnte sich nicht zu konkreten Maßnahmen durchringen
Auf dem Europäischen Roma-Gipfel im spanischen Cordoba haben letzten Donnerstag und Freitag Vertreter der EU-Kommission, der Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft, der Zivilgesellschaft und Repräsentanten der Bevölkerungsgruppe über Wege zur Beendigung ihrer Diskriminierung beraten. Denn seit dem ersten Spitzentreffen im September 2008 hat sich kaum etwas getan. Dass Spanien auf dem jüngsten Treffen ein Hilfsprogramm ankündigte, änderte nichts an der Tatsache, dass auch diesmal Betroffenheitserklärungen im Mittelpunkt standen.
Ausgerechnet aus den USA, nicht gerade das Mutterland der Menschenrechte, kam die Kritik: Insbesondere in europäischen Ländern wie Italien, Tschechien, Ungarn oder Rumänien würde die Minderheit der Roma diskriminiert, hieß es in dem Mitte März vom US-Außenministerium vorgelegten Jahresbericht zum Stand der Menschenrechte in der Welt. Die Entwicklung sei besorgniserregend.
Tatsächlich hatte es gerade in den vergangenen Wochen genügend Anlass gegeben, um die Washingtoner Befürchtungen zu bestätigen. So war es in Ungarn wiederholt zu Übergriffen gegen Roma gekommen. In Italien droht mit dem jetzt zur ?riminalitätsbekämpfung beschlossenen Nomaden-Notstandsplan tausenden Roma die Vertreibung aus ihren Siedlungen und die Unterbringung in isolierten Großlagern, befürchtet Amnesty International.
Auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sieht die Roma am liebsten in geschlossenen Einrichtungen. Das wichtigste Ziel der nächsten Regierung sollte ein Programm sein, das so viele Kinder wie möglich in Internate bringt und sie schrittweise von dem Leben in den Roma-Siedlungen wegführt, meinte der Regierungschef Anfang März. Die offiziell 90.000 Sinti und Roma in der Slowakei leben in mehr als 600 Siedlungen, meist ohne Strom, fließend Wasser und Kanalisation.
Trotz der sogar regierungsoffiziellen Vorbehalte in einigen Ländern hatten die spanische Regierung, die im laufenden Halbjahr die europäische Ratspräsidentschaft inne hat, und die EU-Kommission in ihrem gemeinsamen Einladungsschreiben zu dem Gipfel die Situation der Roma sehr diplomatisch beschrieben. Zwar sei die Bevölkerungsgruppe seit den Erweiterungsrunden der EU von 2004 und 2007 zur größten Minderheit in der Union avanciert. Der Reichtum, den diese Gemeinschaft nach Europa bringen könnte, wird jedoch oft überersehen. Statt dessen würden die Roma mit Vorurteilen bedacht und sehen sich häufig ökonomischer, sozialer und politischer Diskriminierung ausgesetzt.
Zu dieser Einschätzung waren auch verschiedene europäische Forschungseinrichtungen gekommen. So antworteten auf die Frage der EU-Statistikbehörde Eurostat, ob sie sich mit Sinti und Roma als Nachbarn wohlfühlen würden, im EU-Durchschnitt 24 Prozent der Befragten mit Nein. In einer im vergangenen Jahr von der EU-Grundrechteagentur beauftragten Umfrage gab im Schnitt jeder zweite befragte Roma an, in den vorausgegangenen 12 Monaten mindestens einmal Opfer einer Diskriminierung geworden zu sein. Roma, die Opfer einer Diskriminierung wurden, erlebten innerhalb eines Jahres im Durchschnitt 11 diskriminierende Vorfälle.
Europäische Strategie gefordert
In ihrer Deklaration von Cordoba hatten auch die aufeinender folgenden EU-Ratspräsidentschaften Spanien, Belgien und Ungarn die Diskriminierung eingeräumt. Dass gerade Ungarn zu den Autoren gehörte, ließ bereits vermuten, dass es eher um Unverbindlichkeiten ging. So wurde gefordert, die Roma-Thematik stärker in die europäische und nationale Politik zu bringen, die Grundrechte zu garantieren und eine integrierte Plattform für die Eingliederung der Roma zu entwickeln. Ganz unabhängig davon, dass Eingliederung vieles bedeuten kann, ist man damit ist man keinen Schritt weiter gekommen als auf dem ersten Gipfel 2008.
Klare Forderungen hatte angesichts der Situation der Roma das Europäische Parlament erhoben. "In der Erwägung, dass 10 bis 12 Millionen Roma in Europa weiterhin unter einer beträchtlichen strukturellen Diskriminierung leiden, ist das Parlament der Auffassung, dass die Bekämpfung der Diskriminierung der Roma einen umfassenden europäischen Ansatz erfordert", betont die zum Roma-Gipfel angenommene Resolution Das bekräftigte auch die Europaabgeordnete der Linken Cornelia Ernst, die sich für die Thematik engagiert: "Wir brauchen eine europäische Roma-Strategie, die statt sporadischer Maßnahmen und Projekte die Mitgliedsstaaten verpflichtet, gegen Roma-Feindlichkeit und Ausgrenzung vorzugehen."
Allerdings kann man zumindest der EU-Kommission nicht vorwerfen, untätig geblieben zu sein. Der erste Roma-Gipfel im September 2008, der zwar mit wenig konkreten Erklärungen endete, wohl aber die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisierte, gehörte ebenso zu den Aktivitäten wie die Annahme von "gemeinsamen Grundprinzipien für die Einbeziehung der Roma". Angemahnt werden unter anderem gezielte Integrationsstrategien und die dazu nötige Einbindung lokaler Behörden, die Gleichstellung der Geschlechter und die Nutzung von Strukturfondsmitteln für Integrationsprojekte.
Roma kritisieren "Integrations-Blabla"
Das Problem dabei ist jedoch, dass die Kommission in den Hauptstädten oft auf taube Ohren stößt und damit verbindliche Regeln zum Schutz und zur Integration der Roma nicht durchzusetzen sind. So sah denn auch Rudko Kawczynski, Präsident des European Roma and Travellers Forum, nach dem ersten Gipfel ein europäisches "Integrations-Blabla". Am 21. März, dem Internationalen Tag der Vereinten Nationen gegen Rassismus, kritisierte der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, erneut, dass sich "angesichts der gewalttätigen Übergriffe die Regierungen in den betroffenen Ländern meist passiv" verhielten und es "immer noch keine ausreichende strafrechtliche Verfolgung dieser Form des Rassismus gibt und weiterhin rassistische Propaganda ungehindert ins Internet gestellt werden kann".
Das Europaparlament sieht nun "erwartungsvoll der Mitteilung der Kommission entgegen, die nach Gipfel vorgelegt werden soll". Was aber angesichts der mageren Ergebnisse des Cordoba-Gipfels darin stehen soll, ist offen. Zumindest hat Spaniens Sozialministerin Trinidad Jimenez einen nationalen Aktionsplan für die bessere Integration der Roma angekündigt. Bis 2012 will Madrid insgesamt 107 Millionen Euro für dieses Ziel zur Verfügung stellen. Der Aufruf der Ministerin an die anderen EU-Staaten, dem Vorbild zu folgen, dürfte allerdings verhallen.