Disruptive Politik

Seite 2: Go with your Gut

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Go with your gut: Hör auf Deinen Bauch und Deine (nicht so selten) niederen Instinkte - das ist Trumps Credo und seine Methode, Entscheidungen zu treffen. Sein Bauch entscheidet - und niemand sonst. Das äußert er immer wieder öffentlich.

Gefühle und Instinkte sind seine Entscheidungsgrundlage, nicht Fakten oder vernunftgesteuerte Abwägungen. Deshalb sieht die Trump-Administration auch kein Problem in Fakenews und alternativen Fakten. Fakten dienen nur noch der emotionalen Untermauerung einer präsidialen Entscheidung. Ob sie stimmen oder nicht, ist egal. Es zählt der Bauch des Präsidenten, nicht die Realität.

Entscheidungsprozesse in der Demokratie sind völlig anders strukturiert. In langen, komplizierten Diskussionsprozessen werden unterschiedliche Argumente diskutiert und Interessen abgewogen. Auch wenn das in der Praxis nicht immer und oft nur annähernd funktioniert: Am Ende sollen dadurch vernünftige Entscheidungen getroffen werden, die dem Gemeinwohl gerecht werden. Deshalb haben Informationen und Fakten in einer Demokratie auch einen so hohen Stellenwert. Demokratische Politik ist die Antwort auf die Realität. Die Wirklichkeit ist der Ausgangspunkt der Politik. Mit dieser Tradition und mit diesem Konsens bricht Trump völlig. Autoritäre Instinktpolitik ohne lästige Anforderungen durch die Realität - das ist sein Politikmodell.

The so-called Judge

Mehrere Gerichte haben den immigration ban, den Trump per Dekret verhängt hatte, vorläufig ausgesetzt. Seine Reaktion per Twitter: Ein "angeblicher Richter" habe eine "lächerliche" Entscheidung getroffen. Das ist nicht nur plump oder unhöflich. Es zeigt, dass Donald Trump die Gewaltenteilung im demokratischen Rechtsstaat völlig fremd ist.

Das amerikanische System von checks and balances basiert geradezu darauf, dass natürlich auch Maßnahmen des Präsidenten von unabhängigen Gerichten überprüft werden können und sollen. Gerichte sind dazu gedacht, die Verfassung des Staates und die Freiheit der Bürger zu schützen. Deshalb ist es Konsens in allen demokratischen Staaten: Regierungen greifen Gerichte nicht frontal an und sie respektieren deren Urteile. Trump ignoriert diese fast banale Grundregel des demokratischen Rechtsstaats, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Sinn und Zweck von Gerichten ist ihm völlig unklar - oder völlig egal. Das ist disruptives Verhalten in Reinkultur.

Pacta sunt servanda

Donald Trump hat das transpazifische Handelsabkommen (TTP) gekündigt. Damit hat er gleich am Anfang seiner Regierungszeit ein Wahlversprechen eingelöst. Das NAFTA-Abkommen, der Freihandelsvertrag mit Mexiko und Kanada, soll ebenfalls neu verhandelt oder gekündigt werden. Die NATO hält Trump für obsolet. Das bedeutet letztlich: Er denkt über die Kündigung des grundlegenden NATO-Vertrags nach. Auch das Pariser Abkommen zum Klimaschutz steht auf seiner Streichliste.

Selbstverständlich denken neue Regierungen über eine Neuausrichtung ihrer Politik und die Weiterentwicklung alter Verträge nach. Das ist normal und völlig legitim. Aber in den westlichen Traditionen gilt seit Jahrhunderten der Grundsatz: Verträge müssen eingehalten werden. Das schafft eine Vertrauensgrundlage und erweitert die politischen Handlungsmöglichkeiten. Natürlich schließt das die Kündigung eines Vertrages nicht aus. Kündigungen müssen aber die Ausnahme bleiben. Sonst haben internationale Verträge keine Bedeutung mehr. Das fördert das gegenseitige Misstrauen der Staaten untereinander und führt zu Missverständnissen, Reibereien, Aggressionen und militärischen Auseinandersetzungen.

Trump setzt von Anfang an auf einseitige und kurzfristige Kündigungen grundlegender Verträge. Wie sieht eine Welt ohne Verträge aus? Die Beziehungen zu anderen Staaten hängen dann nicht mehr von vertraglichen Übereinkünften ab - sondern vom Wohlwollen des amerikanischen Präsidenten. Wenn die Chemie zwischen Trump und Putin stimmt, sind die Beziehungen zwischen Russland und Amerika gut. Und umgekehrt. Das widerspricht dem Geist des Vertragsrechts und der Verlässlichkeit in der internationalen Politik. Das ist zutiefst disruptives Verhalten.

Dekrete statt Parlament

In der Demokratie ist es üblich, dass grundlegende und weit reichende Entscheidungen vom Parlament getroffen werden. Auch mit dieser parlamentarischen Grundregel bricht Trump. Er geht nicht ins amerikanische Parlament und wirbt um Mehrheiten für Gesetzesentwürfe. Er entscheidet alleine und befiehlt durch ein präsidiales Dekret.

Dieses Instrument ist von der amerikanischen Verfassung entwickelt worden, damit der Präsident im politischen Alltagsgeschäft schnell und kurzfristig handeln kann. Für grundlegende Entscheidungen - etwa über einen Einwanderungsstopp - sind diese Dekrete nicht gedacht. Die Form, in der Trump handelt, passt zu den Inhalten, die er anordnet. Beides ist radikal anders als der bisherige Konsens, also disruptiv.