Disziplinierung der Militärfirmen?
Mit einer Änderung des Uniform Code of Military Justice bei der Verabschiedung des National Defense Act stellt der US-Kongress die Weichen, um Vergehen von Angestellten Privater Militärfirmen zu ahnden
Die Schlagzeilen der letzten Jahre waren für die privaten Militärfirmen nicht nur im Irak eher negativ. Trotz hoher Gewinne der Boom-Branche handelten die Pressemeldungen von möglichen willkürlichen Erschießungen von Zivilisten durch AEGIS-Personal oder die Verwicklung amerikanischer Contractors der Firmen CACI und Titan in den Skandal um Abu Ghraib. Ein Teamleader der Firma Triple Canopy soll ehemaligen Angestellten zufolge willkürlich das Feuer auf den Fahrer eines LKWs sowie auf ein Taxi eröffnet haben. Gerüchte und Berichte von NGOs legen nahe, dass es sich bei den bisher bekannten Vorfällen nur um die Spitze des Eisbergs handeln könnte.
Jüngst veröffentlichten Unterlagen des FBI zufolge waren Contractors in den vergangenen Jahren auch in Guantanamo in mögliche Misshandlungen Gefangener involviert: So wurde einem Gefangenen der Kopf mit Klebeband umwickelt, da er nicht aufgehört habe, den Koran zu zitieren. Die Berichte von der Behandlung Gefangener erinnern an die Vorfälle aus Abu Ghraib, allerdings scheinen die privaten Vernehmer in Guantanamo sogar Soldaten Befehle erteilt zu haben.
So unangenehm die Berichterstattung bisher war, so folgenlos waren sie bisher für die PMCs und ihre Angestellten vor Ort. Die Angestellten der PMCs genossen bis zur formalen Übergabe der Souveränität an die irakische Gesetzsprechung Immunität:
Contractors shall be immune from Iraqi legal process with respect to acts performed by them pursuant to the terms and conditions of a Contract or any sub-contract thereto.
Wurde es doch einmal problematisch, Contractors vor Ort unter Kontrolle zu halten, wurden diese in ihr Heimatland zurückgeschickt und nicht mehr von der jeweiligen Firma beschäftigt. Obwohl dies nicht falsch ist, ist es bei Vorwürfen der Folter, des Totschlags oder ähnlicher Vergehen ungenügend. So soll ein betrunkener Angestellter der Firma Blackwater einen irakischen Bodyguard an einem Checkpoint der Bagdader Green Zone erschossen haben. Obwohl Soldaten der US-Armee Zeugen wurden, ergriffen Offiziere bisher kaum Maßnahmen, um den betreffenden Contractor zu sanktionieren, da Unklarheit über die Jurisdiktion herrschte.
Hätte hingegen ein Soldat die Schüsse abgefeuert, wäre eine Untersuchung bzw. eine Anklage vor einem amerikanischen Kriegsgericht die Folge gewesen. Obwohl sicher nicht alle Vergehen von US-Soldaten im Irak geahndet werden, zeigen die Prozesse im Zusammenhang mit Abu Ghraib und Haditha doch zumindest, dass eine Bestrafung von Vergehen prinzipiell möglich ist, während bisher kein einziger Contractor wegen Vergehen im Irak verurteilt wurde.
In seiner Verabschiedung des National Defense Authorization Act für das Jahr 2007 hat der Kongress diesen Missstand fast unbemerkt geändert. In Abschnitt 552 heißt es:
Applies UCMJ provisions to declared wars or contingency operations (currently, only "war").
Dies bedeutet, dass der alte Abschnitt des Uniform Code of Military Justice (Paragraph (10), section 802(a) of title 10, United States Code (article 2(a)), der die Reichweite der amerikanischen Militärgesetze regelt, nun wie folgt lautet:
The following persons are subject to this chapter: 10) In time of declared war or contingency operations, persons serving with or accompanying an armed force in the field.
Damit wird der Uniform Code of Military Justice, d.h. die Kriegsgerichtsbarkeit der US-Streitkräfte auf die Contractors ausgeweitet, die für das Pentagon tätig sind. Galt der UCMJ nur im Falle eines durch den Kongress erklärten Krieges auch für Zivilisten, was bisher nur auf fünf Kriege der USA zutrifft, so gilt dies nun auch für alle anderen Operationen.
Folgen wird das Gesetz nur bei konsequenter Anwendung haben
Die Konsequenzen dieser fünf Worte in einem über 400 Seiten starken Dokument können für die Branche der Privaten Militärfirmen beträchtlich sein. Zuallererst wird der bisher nicht geklärte Status der Contractors zumindest für Einsätze an der Seite der US-Truppen deutlicher. Obwohl immer noch die Linie zwischen Zivilisten und Kombattanten mehr als verwaschen ist, können Contractors nun für Vergehen nach dem UCMJ angeklagt und verurteilt werden, sind also wesentlich deutlicher den Streitkräften zuzurechnen. Konkret bedeutet dies weiterhin, dass sich jeder Contractor im Irak nun im Voraus über die möglichen Konsequenzen seines Handelns im Klaren sein muss, bevor er zur Waffe greift. Verletzt er die sogenannten Rules of Engagement, indem er übertriebene Gewalt einsetzt, kann er potentiell von einem Kriegsgericht der Vereinigten Staaten verurteilt werden.
Weiterhin bedeutet diese Änderung des UCMJ zumindest potentiell, dass ein externer Indikator zur Beurteilung von PMCs geschaffen wird. Der Unterschied zwischen Söldnern und Contractors besteht unter anderem in der Tätigkeit des Contractors für dauerhafte Firmen, die ein Interesse an der Erhaltung eines guten Rufs und somit ein Interesse an der Kontrolle ihrer Angestellten haben, während der Söldner nur sich selbst verantwortlich und kaum kontrollierbar ist. Da erstere jedoch bisher zumindest im Irak nicht verurteilt wurden, ist der Ruf der Firmen bisher nicht geschädigt worden, auch wenn gegen einzelne Contractors schwere Anschuldigungen erhoben wurden. In Zukunft fällt eine Verurteilung von Angestellten der PMCs nach dem UCMJ jedoch eindeutig auf die Firmen zurück: Werden wiederholt Contractors nach dem UCMJ verurteilt, sind firmeninterne Kontrollmechanismen offensichtlich ungenügend. Eine weitere Auftragsvergabe durch das Pentagon an diese Firmen wäre schwerer zu rechtfertigen und würde durch Medien und NGOs kritisch hinterfragt. Auch Firmen, die Schutz durch PMCs benötigen, könnten wesentlich besser beurteilen, inwieweit grundsätzliche Standards durch die jeweiligen Firmen eingehalten werden.
Voraussetzung für eine derart positive Entwicklung ist jedoch eine konsequente Anwendung des UCMJ auf die Contractors, was angesichts der Situation im Irak unwahrscheinlich ist. Dem UCMJ zufolge könnten auch Vergehen von Contractors wie in Guantanamo oder Abu Ghraib ab jetzt durch Kriegsgerichte geahndet werden. Fraglich bleibt, inwieweit dies politisch unterstützt wird, da die Vorgänge in Abu Ghraib und Gitmo durch Teile der Exekutive anscheinend toleriert wurden. Der Aussage der ehemaligen Kommandantin von Abu Ghraib, Karpinski, zufolge existierte ein Memo, das durch Rumsfeld persönlich abgezeichnet war und in dem die Anwendung bestimmter Verhörmethoden gefordert wurde. Auch die aktuelle Praxis vor Ort, bestimmte Waffen, deren Gebrauch für Contractors eigentlich verboten ist, trotzdem zu tolerieren, lässt an einer konsequenten Anwendung des UCMJ zweifeln. Dennoch obliegt es in Zukunft in erster Linie den Streitkräften und dem Pentagon, inwieweit Vergehen tatsächlich verfolgt werden.
Die Reaktion der PMCs bleibt abzuwarten, mehr als wahrscheinlich ist aber die Entfaltung hektischer Betriebsamkeit bei Lobbygruppen und Anwälten der PMCs. Erste protestierende Statements dürften nicht lange auf sich warten lassen, doch auch Umgehungen der Bestimmungen des UCMJ sind denkbar. Eine mögliche Umgehung des Gesetzes wäre die stärkere Beschäftigung von Zivilisten vor Ort, da das Gesetz nicht für sie gilt. Auch in Operationen, in denen die US-Streitkräfte nicht involviert sind, gilt dieses Gesetz nicht. Zwar sind Irak und Afghanistan die bisher lukrativsten Geschäftsfelder, doch sind PMCs auch in anderen Ländern aktiv und könnten ihre Tätigkeit in Ländern verstärken, in denen die USA nicht offiziell aktiv sind.
Aufgrund der Änderung von lediglich fünf Worten bleibt außerdem großer Spielraum für Interpretationen rechtlicher Art. Dennoch hat der Kongress dem Pentagon nun eindeutig die Verantwortung dafür zugewiesen, bekannt gewordenes Fehlverhalten von Angehörigen der PMCs zu ahnden.