Donald Tusk: Moderator mit Sendungsbewusstsein

Der ehemalige polnische Premier hat sein Amt als EU-Ratspräsident angetreten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Donald Tusk hat diesen Montag seine Laufbahn als Europa-Moderator begonnen. Der ehemalige polnische Premier kann nun im Amt des EU-Ratspräsidenten als Mittler und Impulsgeber der europäischen Einigkeit wirken.

Herman Van Rompuy übergibt sein Amt seinem Nachfolger Donald Tusk. Bild: CouncilTV

Vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik darf Donald Tusk Akzente setzen, ansonsten hat er offiziell eher repräsentative Funktion. So wird der gebürtige Danziger die Sitzung des Europäischen Rates am 18. Dezember leiten, hat dort jedoch keine Stimme.

"Wenn mein Nachfolger ein zu großes Ego hat, dann kann er scheitern", warnte kürzlich Herman Van Rompuy, der das 2009 geschaffene Amt bislang innehatte. Man müsse vor allem zuhören.

Tusk erhielt einige Vorschusslorbeeren. Nachdem Polen von 2005 bis 2007 von der rechten Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) unter Jaroslaw Kaczynski regiert wurde, Brüssel mit antieuropäischer Bockigkeit verstört hatte, machte Tusk und seine Partei "Bürgerplattform" PO den Eindruck eines verlässlichen Partners.

Vor allem beeindruckte der Liberale, dass Polen Dank einer konservativen Bankenpolitik der Weltfinanzkrise mit einem Wachstumsplus trotzte. Der "Spiegel" sah ihn als Äquivalent zur Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auch entscheidend zu seiner Nachfolge von Herman Van Rompuy beigetragen hat.

Proeuropäisch sei er, pragmatisch und fähig zum Einklang sowie skeptisch gegenüber Ideologien, lobte das Nachrichtenmagazin, was in polnischen Medien breit kolportiert wurde. Doch mit dem 57-Jährigen stehen auch mögliche Konflikte ins Haus.

Während der feingeistige Van Rompuy auf die Elite-Laufbahn eines politischen Ökonomen zurückschauen kann, wurde Tusk nicht nur in den historischen Seminaren der Universität Danzig geprägt, das ihn in geschichtlichen Bezügen und Parallelen argumentieren lässt. Er lernte es auch, sich schon früh durchzusetzen, als Fußballspieler in Hinterhöfen und während der 1980er Jahre, die vom Kampf der Gewerkschaft Solidarnosc um mehr Mitbestimmung oder das schlichte Überleben geprägt waren. Als junger Mann reinigte er Industrieschornsteine, um seine Familie durchzubringen, da er als Gewerkschaftsmitglied nicht mehr publizistisch wirken durfte.

Wenn er auch als Liberaler gilt, der die eisernen Reformen von Leszek Balcerowicz, Polens erster Finanzminister nach der Wende, gut heißt, so ist er weiterhin mit der Idee der "Solidarität" verbunden, die für ihn das Fundament von Europa darstellt. Und bei diesem Thema finden sich bei Tusk sendungsbewusste Anwandlungen, die dem Amt entgegenstehen können.

"Darum wollen wir von der Westerplatte an alle europäischen Hauptstädte und an den Nato-Gipfel die Aufforderung schicken, dass unsere europäische und transatlantische Solidarität auch ein praktisches Ausmaß annimmt", sagte Tusk diesen September anlässlich der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag des Angriffs auf Polen. Damals versagte die europäische Solidarität, als in Polen zuerst NS-Deutschland und darauf die Sowjetunion einmarschierten.

Wie haltet ihr es mit Moskau - diese Vertrauensfrage wird er den Ratsmitgliedern in Brüssel als Vertreter der östlichen EU-Länder mehr oder weniger offen immer wieder stellen. Ob er dann immer so geduldig zuhören wird, wenn er mit Argumenten zur Absetzung der Sanktionen konfrontiert wird? Ob er Verständnis für das eher russlandfreundliche Frankreich aufbringt?

Auch im Bereich der Energiepolitik könnte er versuchen, eine Vision zu vermitteln, die allgemein in Europa nicht auf große Gegenliebe stößt. Ihm schwebt ein Einkauf von Energie auf europäischer Ebene sowie eine Energieunion vor. Damit würde die EU, ähnlich wie beim Bündnisfall der Nato, einem Mitglied zur Energie-Solidarität verpflichtet sein, sollte es von einem Energielieferanten (Russland) blockiert werden.

Den Sinn der Energiewende hat sowieso Tusk nie verstanden, er will die Kohle, die in seinem Land zu fast 90 Prozent der Stromversorgung zuständig ist, wieder rehabilitieren.