Donnerstag: Hoch die Hände, Wochenende
- Donnerstag: Hoch die Hände, Wochenende
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Wirtschaftsvertreter fordern Mehrarbeit gegen den Fachkräftemangel. Doch die Mitarbeiter wollen lieber mehr Work Life-Balance.
Nirgendwo sonst ist der Personalmangel wohl so sichtbar, wie bei der Deutschen Bahn. Wenn ein Zug in umgekehrter Wagenreihung fährt, das Bordbistro geschlossen bleibt oder die Bahn gleich ganz ausfällt, dann liegt das nicht immer, aber ziemlich oft an einer dünnen Personaldecke.
Zehntausende sucht der Konzern derzeit, oft vergeblich. Und befindet sich damit in guter Gesellschaft mit vielen Unternehmen. Deutschland leide unter einem Mangel an Fachkräften, heißt es in diesen Monaten immer wieder; das Wirtschaftswachstum sei in Gefahr.
Bei der Bahn liegt der Personalmangel primär an der von der Politik verordneten Verkehrswende: Von etwas mehr als null soll man auf hundert gehen, viel mehr Züge auf die Gleise stellen, und das geht ohne genug Leute eben nicht so einfach.
Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsmangel
Und darüber hinaus teilt man die gleichen Probleme mit anderen Bereichen: Mehr junge Menschen studieren, weniger wollen eine Ausbildung machen. Die Fachkräfte, die es gibt, werden älter und gehen dann eines Tages in Rente.
Einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge haben zudem 9,7 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland weder eine Arbeit noch haben sie eine Ausbildung absolviert. Und dann ist da, vorwiegend im sozialen Bereich, die Kombination aus hoher Belastung und schlechter Bezahlung.
Angebahnt hat sich das schon seit Jahren. Gemerkt hat man’s erst jetzt. 630.000 Stellen seien im vergangenen Jahr unbesetzt geblieben, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ausgerechnet, und gleich eine Lösung mitgeliefert.
Längere Arbeitszeiten gegen Fachkräftemangel?
Die Menschen in Deutschland sollten wieder mehr arbeiten, forderte IW-Chef Michael Hüther im Juli und verwies dabei auf die Schweiz und Schweden, wo man bis zu zwei Stunden mehr pro Woche arbeite.
Hüther hingegen möchte den Arbeitstag um eine halbe Stunde verlängern. Kurz gerechnet: Bei 250 Arbeitstagen im Jahr und den gesetzlichen 20 Urlaubstagen sind das 115 Arbeitsstunden mehr im Jahr, oder, auf einen Acht-Stunden-Tag umgerechnet, fast 14,5 volle Arbeitstage mehr. Was droht, wenn das nicht passiert? Das Wirtschaftswachstum werde in den kommenden Jahren nur noch 0,5 bis 0,75 Prozent pro Jahr betragen, warnte Hüther.
Grund zur Panik, also? Anlass, man wieder in die Hände zu spucken, um das Bruttosozialprodukt zu steigern?
Eine sogenannte "Stagflation" drohe, so Hüther. Das bedeutet, dass die Wirtschaft langsamer wächst, als die Preise steigen. Produktionskosten steigen, Unternehmen drosseln die Produktion, die Arbeitslosigkeit steigt. Und dann könnte auch noch eine Lohn-Preis-Spirale hinzukommen: Weil das eine steigt, geht auch das andere hinauf.
Fachkräfte fehlen, Stagflation droht
Schon im vergangenen Jahr wurde im Kontext der hohen Gaspreise im vergangenen Jahr über die Möglichkeit einer Stagflation gesprochen. Zuletzt gab es sie in den 1970er-Jahren, als die Ölpreise im Zuge des Jom-Kippur-Kriegs stark stiegen. Könnte es also demnächst passieren, dass der Mangel an Fachkräften das Angebot von Rohstoffen und Gütern so verknappt, dass die Preise steigen, die Produktion gedrosselt, Leute entlassen werden müssen, möglicherweise auch Preise und Löhne durch die Decke gehen?
Zunächst einmal ist es so, dass die Lieferketten heute anders als in den 1970er-Jahren international sind. Viele Konsumgüter werden heute gar nicht mehr in Deutschland hergestellt. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass die deutsche Öffentlichkeit den Fachkräftemangel in den kommenden Jahren noch deutlicher durch Probleme in der Pflege und der medizinischen Versorgung, durch geschlossene Hotels und Gastronomie oder durch weniger Flüge und Züge merken.
Denn dort wirkt sich der Fachkräftemängel besonders stark aus. Und wird auch noch durch den Wettbewerb der Arbeitgeber befeuert: Wenn die Bahn mit attraktiven Konditionen um Personal wirbt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Leute bisher für Fluggesellschaften, im Gastgewerbe oder, im technischen Bereich, für die Privatwirtschaft arbeiten.
Nachhaltigkeit vs. Wirtschaftswachstum: Ein Balanceakt
Und was das Wachstum betrifft, gibt es auch noch das Nachhaltigkeitsthema. Wachstum lebt vom ständigen Konsum, von den neuen Sneakers, der Fast Fashion, dem neuen Handy alle zwei Jahre. Und wenn man so auf die Dinge schaut, dann stellt sich die Frage, ob sich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wirklich mit dem ständigen Drang nach Wirtschaftswachstum in allen Bereichen vertragen.
Ob ja oder nein, das ist umstritten (siehe auch hier).
Wichtig ist das alles aber auch, weil hier noch der Faktor Mensch ins Spiel kommt: Alles deutet darauf hin, dass die Menschen gar keine Lust darauf haben, noch mehr zu arbeiten.
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