Dresdner Opfermythos trifft auf Installation eines syrischen Künstlers

Seite 2: Zeichen für Dresdens Wiederaufstieg

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Schon seit 1995 versucht sich das offizielle Dresden einzureihen in eine Gedenkkultur, in der die Stadt eine von vielen Opfern des Zweiten Weltkriegs ist, für die alle Seiten die Verantwortung tragen. Gerade beim Wiederaufbau der Frauenkirche wurde das Signal besonders bewertet, dass die Opfer von Krieg und Gewalt von wem auch immer, ihren Opfern gedenken. Damit verschwindet aber auch die Besonderheit des NS-Terrors in der allgemeinen Gewalt. In dieses neue Dresden-Gedenken fügt sich die Installation "Das Monument" hervorragend ein.

"Menschliches Leid und zerstörte Städte: Die aktuellen Bilder aus Syrien erinnern uns an die Folgen vergangener Kriege weltweit, und gerade ältere Menschen denken dabei an das selbst erfahrene Leid und an die unermesslichen Mühen des Wiederaufbaus in den Städten Europas nach dem Zweiten Weltkrieg", heißt es auf der Homepage des Dresdner Kulturhaus, das das Rahmenprogramm für die Installation vorbereitet hat.

Dort wird auch zur umstrittenen Ortswahl für die Installation Stellung genommen. Was für den völkischen Dresdner Opfermythos eine Provokation ist, ist für die modernisierte Variante des Dresden-Gedenkens programmatisch:

Die Frauenkirche und der Neumarkt gelten heute als Symbole für den überwundenen Krieg und den Wiederaufbau. Das meint nicht nur die Neuerrichtung von Gebäuden, sondern den langen Weg zu einer Gesellschaft, in der Menschen in Frieden und Freiheit leben können.

Kunsthaus Dresden

Nun muss der letzte Satz, in der Hauptstadt der Pegida-Bewegung für viele Geflüchteten und gesellschaftliche Minderheiten wie Hohn klingen. Doch es geht dabei um die Botschaft, Dresden hat gelitten und ist doch wieder auferstanden. Das Symbol, das bereits die Wiedererrichtung der Frauenkirche begleitete, soll nun durch die Arbeit des Künstlers verstärkt werden.

In einem Interview, in dem der Künstler auf die islamistische Fahne auf der Barrikade von Aleppo und eine mögliche Neubewertung, wenn ihm das vorher bekannt gewesen wäre, eingeht, sagt Manuf Halbouni:

Ich muss das Kunstwerk nicht neu bewerten, denn es steht für das, was ich meine: Für den Frieden. Und für das Erinnern daran, dass Krieg nur Leid ist. Und zwar in jeglicher Sicht. Und dass Krieg, bloß weil er fern von uns ist, da ist (sic!). Jedenfalls in der Geschichte der Stadt Dresden. Die Stadt lag einst in Trümmern und ist wieder aufgebaut worden. Diese Arbeit soll auch für andere Völker symbolisieren, dass nach der Zerstörung der Wiederaufbau beginnt.

Manuf Halbouni

Doch genau mit dieser Antwort bedient Halbouni auch einen Dresden-Mythos. Es geht nicht mehr um politische Kräfte und um die Frage, wer hier was verteidigte. Welche symbolische Botschaft geht denn von einer von Islamisten gegen eine repressive laizistische Regierung verteidigten Barrikade aus?

Ist eine solche Ignoranz gegenüber politischen Zusammenhängen nicht sehr ähnlich jener deutschen Entschuldigung, man habe bis zur letzten Minute den Nazis die Treue gehalten, weil man sich gegen die Alliierten verteidigen musste?

Und fühlten sich nicht manche Deutsche, die in den letzten Monaten, als Aleppo von den Regierungstruppen und ihren Verbündeten belagert war, mit ihren ständigen Aufrufen zur Einstellung der Kämpfe an das belagerte Berlin von 1945 erinnert?

Da hätten sich auch viele Deutsche eine internationale Bewegung zur Einstellung der Kämpfe gewünscht, um der bedingungslosen Kapitulation zu entgehen?

Dresden-Gedenken abschaffen

Kürzlich organisierte eine Frau sogar einen Marsch für den Frieden in Syrien, die ausdrücklich bekannte, sie wisse gar nicht, wer dort gegen wen kämpft und das sei ihr auch egal und dürfe auf den Märschen nicht angesprochen werden. Wenn aber nicht mehr über die Hintergründe und die Ursachen von Konflikten gesprochen wird, kann auch nicht darüber diskutiert werden, wie diese beseitigt werden.

Vielmehr wird da der Unterschied zwischen Frieden und "Friedhofsruhe" immer mehr verwischt. Solche Diskussionen werden allerdings rund um die Installation "Das Monument" in Dresden kaum geführt, weil die rechten Anhänger eines deutschvölkischen Dresden-Gedenkens die Debatte geprägt haben.

So bestätigt sich wieder, was die jahrelangen Kritiker des Dresdensgedenkens seit langem immer wieder erklären. Es kann nicht modernisiert und erneuert, sondern sollte abgeschafft werden, wie der Titel des schon erwähnten Buches im Verbrecherverlag prägnant lautet. Das bedeutet, keine öffentliche Zeremonien und Kranzniederlegungen rund um die Jahrestage der Dresden-Bombardierung, aber sehr wohl individuelle Trauer der Nachfahren, die damals Angehörige verloren haben.