Drogen, Misswirtschaft, Terror: Was die westliche Intervention Afghanen wirklich brachte

Seite 2: Regierungsversagen

Eine weitere große Lücke bestand im Governance-Sektor. Ich habe im lokalen Regierungssektor Afghanistans gearbeitet. Eine echte Machtübertragung ging bei dem Versuch verloren, eine starke Zentralregierung einzusetzen, die in der Lage wäre, alle Probleme des Landes zu lösen. Bestimmten Provinzen, vertreten von mächtigen Abgeordneten, wurden eine Reihe von Projekten zugewiesen, während eine Vielzahl anderer Provinzen vernachlässigt blieben.

Stellungnahmen der Provinzräte fanden in die Dokumente der Bebauungspläne kaum Eingang. Einige ausländische Regierungen begannen, direkt mit den Provinzverwaltungen zusammenzuarbeiten, was jedoch zu Einwänden der Zentralregierung in Kabul führte.

Korruption, Patronage-Netzwerke und Gelddiebstahl waren Kennzeichen des gesamten Governance-Systems. Es war ziemlich offensichtlich, dass nicht viel getan werden konnte, um die Regierungsführung unter dem vorherrschenden System zu verbessern.

Andere Institutionen wurden von der internationalen Gemeinschaft in gleicher Art und Weise mit Experimenten überzogen; und dies wurde verstärkt durch den Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten. Die meisten Afghanen hatten nur sehr wenige wirtschaftliche Möglichkeiten oder keinen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Es überrascht nicht, dass viele von ihnen auf Einkommen aus dem Mohnanbau zurückgriffen.

Für sie war es keine bewusste Entscheidung, Teil des Netzwerks der organisierten Kriminalität zu sein, das den Aufstand unterstützte, sondern eine Frage von Leben und Tod. Weder von der internationalen Gemeinschaft noch von der Zentralregierung in Kabul kam Hilfe.

Seit in Doha das Friedensabkommen zwischen den Taliban und den USA unterzeichnet wurde, vor allem um einen ehrenvollen Abzug der amerikanischen und der Nato-Truppen aus dem kriegszerrütteten Land zu ermöglichen, waren die "Zeichen an der Wand" zu sehen. Die Afghanen mussten sich mit den Taliban arrangieren, denn der wütende Aufstand und das Friedensabkommen hatten ihnen kaum eine Wahl gelassen.

Die Taliban 2.0 versuchten, ein reformiertes und positives Bild ihres Modells und seiner Regierungsform zu vermitteln. Sie bemühten sich um Legitimität und Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft, um Finanzmittel zu erhalten und hofften auf die öffentliche Anerkennung des Islamischen Emirats als legitime Regierung Afghanistans.

Der Sieg vom 15. August 2021 ist für sie jedoch überraschend gekommen. Sie waren völlig unwissend über die Mittel, ein Land zu regieren, das sich in den letzten zwei Jahrzehnten gewandelt hatte.

Terrorismus, Armutswirtschaft, Frauenunrecht

Bei Themen wie Terrorismus, Verbindungen zu und Unterstützung durch regionale und globale Terrorformationen hat es zwischen der Taliban-Regierung der 1990er und der jetzigen keine Veränderungen gegeben. Die Ermordung des Al-Qaida-Chefs Aiman al-Zawahiri im August 2022 beweist dies.

Eine ganze Reihe islamistischer Terrorgruppen, die in Afghanistan operieren, finden inzwischen Unterstützung von den Taliban. Eine schlechte Wirtschaftsführung, die zu einem schwachen Wirtschaftswachstum führt, wird die Radikalisierung weiter verstärken.

Die internationale Gemeinschaft verlässt sich bei der Bewältigung der humanitären Krisen in Afghanistan auf die Uno und andere Hilfsorganisationen. Solche neu auftretenden Bedrohungen können jedoch nicht mit Methoden einer Schnellkorrektur angegangen werden.

Die Menschen in Afghanistan sind unglaublich arm und die Wirtschaft schwach. Dies hat wiederum riesige Probleme und ein wirtschaftliches schwarzes Loch geschaffen. Die Taliban haben nach ihrer Machtergreifung den Mohnanbau offiziell verboten. Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) berichtete jedoch im November 2022 über einen Anstieg des Opiumanbaus um 32 Prozent seit August 2022.

Die Einnahmen der Landwirte aus Opiumverkäufen haben sich von 425 Millionen US-Dollar im Jahr 2021 auf 1,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 verdreifacht. Die jahrzehntelange harte Arbeit, die investiert wurde, um die Abhängigkeit vom Opiumanbau zu verringern, scheint sich angesichts weitreichender Armut und Arbeitslosigkeit umgekehrt zu haben.

Und schließlich und noch wichtiger sind die Rechte von Frauen, Mädchen und Minderheiten nach wie vor ein wichtiges Anliegen. Über die Verfolgung von Minderheiten und die Verweigerung von Bildungs- und Beschäftigungsrechten für Mädchen und Frauen wurde ausgiebig berichtet. Die diesbezügliche Politik der Taliban bleibt jedoch unverändert.

In Afghanistan gehen die Taliban derzeit gezielt gegen Minderheiten vor und verfolgen sie, was zu tiefen Rissen in der afghanischen Gesellschaft geführt hat. Ohne die Bildung einer inklusiven und repräsentativen Regierung ist eine Änderung dieses Zustands kaum vorstellbar.

Die jüngste Geschichte des Landes hat bereits bestehende ethnische Spaltungen verstärkt und das sozioökonomische Gefüge zerstört. Es ist offensichtlich, dass die internationale Gemeinschaft Druckpunkte finden muss, die das Islamische Emirat zwingen, seine Haltung gegenüber Frauen, Mädchen und Minderheiten zu ändern.

In Ermangelung einer legitimen, integrativen und repräsentativen Regierung wird Afghanistan im freien Fall ins Chaos stürzen – mit weitreichenderen Folgen nicht nur für die eigene Bevölkerung, sondern auch für die Region und die ganze Welt.

Dr. Shanthie Mariet D ́Souza ist Präsidentin on Mantraya.org, Mitherausgeberin des Journal of Asian Security and International Affairs, Research Fellow des WeltTrends-Instituts für Internationale Politik

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